Fenster im Hauptgebäude der Humboldt-Universität Berlin dem mit Zitat: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern." von Karl Marx und Friedrich Engels

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Es herrscht Red Scare. Erstmals wird mit Elke Kahr eine Kommunistin wohl Bürgermeisterin in Österreich. Der Begriff bereitet Bauchweh, die historische Konnotation schmeckt nicht. Das ist nicht bei allen so und mit steigender Unzufriedenheit mit Politik und Wirtschaft steigt das Interesse, sich genau damit auseinanderzusetzen.

Auf Social Media mehren sich kapitalismuskritische Inhalte, die neben Literaturempfehlungen auch niederschwelligen Zugang zur politischen Bildung zur Verfügung stellen, denn das Interesse wächst. Die bekennende Marxistin Elke Kahr wird medial oft mit denselben Fragen konfrontiert: Stalin, Diktatur, Gulag, wie könne sie da Kommunistin sein? Die Antwort ist auch immer dieselbe, so auch im jüngsten STANDARD-Interview am Dienstag: Von "einem Stalin" habe sie nie etwas gehalten, sie wolle eine sozial gerechtere Welt.

User hört die Signale

Schaut man sich auf verschiedensten Medienkanälen um, sieht man, dass sich immer mehr Menschen diesen Wunsch für eine sozial gerechte Welt teilen. Gerade die Corona-Pandemie hat Abhängigkeiten und Machtgefälle zwischen den Klassen verschärft und noch einmal in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Der Ruf nach Veränderung wird lauter, aber wo fängt man an?

Im Internet. Zahlreiche Accounts auf Instagram, Spotify, Twitter oder YouTube erklären mundgerecht portioniert die marxistische Kritik am kapitalistischen System. Slide-Postings auf dem Instagram-Account von "linketheorie" splitten "Das Kapital" in Infographics. Wer mehr Praxisbezug braucht, findet Accounts, die diese Theorien anhand aktueller Ereignisse erklären.

Die Instagram-Bloggerin "berfin.marx" schreibt: "Kapitalismus braucht unendliches Wachstum der Produktion und Profitmaximierung, auf einem Planeten mit limitierten Ressourcen." Der Youtube-Kanal 99 ZU EINS diskutiert über liberalen Antirassismus, der Podcast "Left Revolutionary Radio" beschäftigt sich in einer Folge mit liberalem Feminismus, der ignoriere, dass sich Diskriminierung, Armut und Elend aus der strukturellen Ungleichheit ergibt, die einer kapitalistischen Wirtschaft zugrunde liegt.

Zutritt privat

Was hat dieser Kapitalismus also Schlimmes angestellt? Laut Marx liegt der "Schmäh" im Privatbesitz – damit sind nicht einzelne Habseligkeiten gemeint. Alles, was im Besitz weniger Personen ist, worauf die Mehrheit keinen Zugriff hat und somit davon abhängig ist, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um den Reichtum einer Minderheit zu maximieren. Das, sehr verkürzt, wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus.

Das versuchen Social-Media-Kanäle kompakt zu vermitteln: Die kapitalistische Produktionsweise zerstört die Natur, Frauen in hohen Rängen ändern nichts am Elend armer Frauen, die imperialistische und kapitalistische Geschichte Europas sitzt bis heute fest in den Strukturen, die Rassismus einen Nährboden bieten.

Wer Stalin sucht, wird ihn auch hier nicht finden. Vielmehr geht es um das Interesse an Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft, Arbeit und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Umstände. Das Bedürfnis nach Veränderung oder Überwindung der derzeitigen Verhältnisse ist da und wird immer stärker – nicht nur in Graz. (Vanja Nikolić, 29.9.2021)