Ein Selfie nach dem ersten Vier-Augen-Gespräch: Judith Schwentner (Grüne) und KPÖ-Chefin Elke Kahr.

Foto: Instagram/Judith Schwentner

In aller Früh am Mittwoch trafen die beiden Grazer Parteichefinnen Elke Kahr (KPÖ) und Judith Schwentner (Grüne) zu einem ersten Vier-Augen-Gespräch zusammen. Es sollte vorerst, bevor noch inhaltlich verhandelt wird, die Atmosphäre zwischen beiden geprüft und eine mögliche rot-grüne Koalition ausgelotet werden. "Sehr positiv, auf Augenhöhe" sei der Dialog ausgefallen, hieß es.

Ab Donnerstag soll nun in größeren Gruppen mit einem Faktenaustausch begonnen werden, dabei werden die zentralen Fragen auf den Tisch kommen: Wo gibt es rote Linien zwischen den Grünen und der KPÖ? Die Grünen wollen etwa eine fixe, stabile Koalition, KPÖ-Wahlgewinnerin Elke Kahr hat aber noch ihre Ansage im Raum stehen, dass sie sich auch Arbeitsübereinkommen mit den Parteien vorstellen könne. Dass also auch die ÖVP mit ins Boot geholt werden könnte.

Erste Vorgespräche führte Kahr mittlerweile auch mit dem neuen ÖVP-Chef Kurt Hohensinner, der dem großen Wahlverlierer, Bürgermeister Siegfried Nagl, nachfolgt. Während die ÖVP-Klubobfrau Daniela Gmeinbauer fest davon ausgeht, dass die ÖVP die Kommunistin Elke Kahr nicht zur Bürgermeisterin wählen werde, da hier "Welten dazwischenliegen", klingt Hohensinner inzwischen schaumgebremster. Er lässt offen, ob die ÖVP nicht doch zumindest in Teilbereichen Mitverantwortung tragen wolle.

ÖVP im Schockzustand

Diese Gemeinderatswahl vom Sonntag sitzt der ÖVP in Graz und auch im Land noch mächtig in den Knochen. Wo immer man in die Partei hineinhört, herrscht nach wie vor blankes Entsetzen, Unverständnis über diesen "Irrtum der Wähler", gar Angst vor dem Verlust des Postens in der Stadt- oder Landesverwaltung. Vielerorts in der Volkspartei herrscht Ratlosigkeit, wie es so weit kommen konnte, dass Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl gleich um knapp zwölf Prozent in der Wählergunst abstürzte und die Mehrheit in der Stadt nun der KPÖ überlassen werden musste.

Die am häufigsten kolportierte Erklärung in ÖVP-Kreisen für das Wahlergebnis: Die Wählerinnen und Wähler hätten sich geirrt und seien – geblendet – der netten Frau Kahr auf den Leim gegangen.

Eine quasi "akademische" Bestätigung für diese These der Wählerverirrung liefert der ÖVP-nahe, angesehene philosophierende Soziologe der Grazer Universität, Manfred Prisching. Der Wissenschafter ist auch Mitglied des Herausgeberkollegiums der Kleinen Zeitung und erklärte nun in einem doppelseitigen Essay in "seiner" Zeitung die Ursache des Grazer Wahlergebnisses.

ÖVP-Soziologe und "Irrtum" der Wähler

Für diesen Wahlsieg der KPÖ gebe es "nur eine Erklärung: Das Wählervolk betrachtet Wahlen als unpolitische Aktivität. Wahlen haben offenbar nichts mit Politik zu tun. Die Wahl war eine unpolitische, weil es um eine freundliche Person ging: ein Kategorienfehler im Wahlakt. Es handelt sich um die Verwechslung von Politik und Sozialarbeit. Die regionale Bevölkerung war von den unleugbar 'echten' Aktivitäten so beeindruckt, dass sie die 'Sozialarbeiterin' gewählt hat."

Prisching meint offensichtlich, Wähler hätten sich einfach vertan und die Dimension der Wahl nicht richtig eingeschätzt.

Und schließlich ein denkwürdiger historischer Vergleich: "Die Stadt der rechten Volkserhebung kann deshalb auch ganz rasch zur Stadt der linken Volkserhebung werden. Es geht nur um atmosphärische Ähnlichkeiten." (Walter Müller, 29.9.2021)