Der Familienstreit in Wattens ist – teilweise – gelöst. Künftig sollen Familienfremde den Kristallkonzern führen: Eine Revolution im alten Familienunternehmen.

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Macht- und Paradigmenwechsel beim Tiroler Kristallkonzern Swarovski: Der Chef des Unternehmens, Robert Buchbauer (CEO), und Finanzvorstand Mathias Margreiter (CFO) – beide sind Familienmitglieder – treten zurück. Folgen sollen ihnen ab Jänner 2022 externe Manager, die von einem Personalberater gesucht werden. Buchbauer und Margreiter behalten ihre Funktion im Verwaltungsrat. Diese – für den 1895 gegründeten Familienkonzern bahnbrechenden – Neuigkeiten erfuhren die Mitarbeiter am Donnerstag um 12.15 Uhr in einem sogenannten Townhall-Meeting, in das sich 7.000 Mitarbeiter aus aller Welt einwählen konnten.

20 Minuten lang erklärten Buchbauer und Margreiter die anstehenden Schritte des Konzerns, der insgesamt rund 22.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt, danach wurde auch die Öffentlichkeit informiert. Die strukturelle Neuausrichtung des Konzerns schreite voran, es gehe um die "Professionalisierung der Strukturen" und die Öffnung des Unternehmens, die eben auch die Führung durch familienfremde Manager ermöglichen solle. Künftig werde eine externe, unabhängige und professionelle Geschäftsleitung eingesetzt, wie es in der Aussendung hieß.* Die konsequente Trennung von Führungs- und Kontrollaufgaben gehöre dazu.

Streit und schlechte Geschäfte

Vorangegangen sind diesen Entscheidungen massive Turbulenzen, die sich in schlechten Ergebnissen und einem riesigen Familienkrach materialisiert haben. Der Glanz des Tiroler Kristallkonzerns hat zuletzt massiv gelitten: Die Geschäfte liefen, nicht nur Corona-bedingt, schlecht, das in Familieneigentum stehende Wattener Unternehmen musste weltweit tausende Mitarbeiter abbauen. Der in aller Öffentlichkeit geführte Familienstreit ist 2020 eskaliert, ein Familienstamm arbeitete gegen den anderen, juristische Auseinandersetzungen standen auf der Tagesordnung.

Robert Buchbauer zieht sich aus dem Management zurück.
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Ein Teil der Gesellschafter wehrte sich gegen Teile jener Strukturreform, die Unternehmenschef Buchbauer umsetzen wollte. Kern der Reform: eine Höherpositionierung der Marke im erschwinglichen Luxussegment, zudem sollen aber auch die Unternehmensstrukturen und die Governance, also der organisatorische Rahmen des Konzerns, zeitgemäß gestaltet und die Stimmrechte neu geordnet werden. Stichwort Governance: Da geht es vor allem um die personelle Trennung zwischen operativen Managern und Kontrolloren: Sowohl Buchbauer als auch Margreiter waren bislang in einer Doppelrolle im Management und im Verwaltungsrat tätig, haben sich also quasi selbst kontrolliert, wie ihre Widersacher nicht müde wurden zu erklären.

Doppelrolle beendet

Die "Oppositionellen", zu denen auch die größten Einzelgesellschafter rund um Markus Langes-Swarovski und Marina Giori-Lhota (sie ist die Schwiegermutter Karl-Heinz Grassers) und deren Familien zählen, fürchteten eine Verwässerung ihrer Anteile, aber auch einen weiteren Abbau der Bedeutung des Stammwerks in Wattens. Vor allem aber traten sie für einen Rücktritt Buchbauers und Margreiters ein – unter anderem um deren Doppelrolle zu beenden.

Präsident des Verwaltungsrats ist Markus Langes-Swarovski, insgesamt hat das Gremium fünf Mitglieder. Markus Langes-Swarovski ist der Sohn des früheren Familienoberhaupts Gernot Langes-Swarovski, der im Jänner dieses Jahres gestorben ist. Neuer Clanchef wurde Markus Langes-Swarovski, er war bis März 2020 im Management tätig.

Verwaltungsrat mit Externen

Nun ist also dieser Teil des Streits beendet. Buchbauer und Margreiter gehen, beider Verträge wären noch bis Ende dieses Jahres gelaufen. Inzwischen wurde auch schon ein internationaler Headhunter beauftragt, einen neuen Chef (CEO) und Finanzchef (CFO) zu finden – ist das geschehen, werden erstmals in der Geschichte des Unternehmens familienfremde Chefs am Ruder sein. Man brauche Expertise von außen, heißt es in der Familie, und Impulse von unabhängigen Managern.

Umgebaut werden soll auch der Verwaltungsrat. Ihm gehören derzeit eben fünf Familienmitglieder an, zu ihnen sollen zwei bis vier externe, also familienfremde, Kontrollore dazukommen. Die Familie (es gibt rund 200 Mitglieder, rund 70 davon sind Gesellschafter) wird ihre Eigentümerinteressen künftig über die sogenannte Familienholding ausüben.

Mail an gegnerische Verwandtschaft

Am 16. Juli hatten sich zwölf "oppositionelle" Familienmitglieder rund um Markus Langes-Swarovski, die in Summe 40 Prozent des Kapitals halten, per Mail an die gegnerische Verwandtschaft gewendet und einen "engen Schulterschluss" als "unabdingbar" gefordert. Die aktuellen Zahlen bezeichneten sie in dem Schreiben als "besorgniserregend", man müsse künftig, um gegenzusteuern, so schnell und professionell handeln können wie die Mitbewerber.

Markus Langes-Swarovski (rechts) ist größter Gesellschafter. Hier ist er 2017 mit Kristallwelten-Erschaffer André Heller zu sehen.
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Mit Kritik an der Geschäftsführung sparten die Gesellschafter nicht, ihr gelinge es nicht, das Managementteam adäquat zu führen. Die Forderung: Die Eigentümer sollten ihre Rolle künftig in den Kontrollgremien spielen, spätestens ab 1. Jänner 2022 müssten im Geschäftsbereich Kristall ein nicht der Familie angehörender CEO und ein CFO eingesetzt werden, hieß es in der Mail. Dem "lieben Robert und lieben Mathias" (Buchbauer und Margreiter) machte die Verwandtschaft keine falschen Hoffnungen: Mit einer Verlängerung ihrer operativen Tätigkeiten und Dienstverträge sei die Kapitalmehrheit (also auch weitere Familienmitglieder) nicht einverstanden. Sollten die beiden Chefs das nicht respektieren, "werden (weitere) Auseinandersetzungen zu führen sein".

Sprung im Geschäft

Offenbar haben sich Buchbauer und Margreiter, die ja selbst auch für entsprechende neue Governance-Strukturen sind, dem nun gefügt – blieben sie auf ihren Sesseln, würden sie sich dementsprechend unglaubwürdig machen. Ab Oktober werden Manager aus dem bisherigen Team den Kristallbereich interimistisch führen.

Dessen Zahlen sind tatsächlich nicht berauschend. Die Zahl der Mitarbeiter (weltweit) sank seit dem Frühjahr 2019 nach Kündigungen von 26.000 auf 18.000 im heurigen Frühjahr, der Umsatz brach von 2,7 auf 1,7 Milliarden Euro ein. Auch in Wattens, wo die Kristalle produziert werden (zu Schmuck verarbeitet werden sie in Thailand und Vietnam), gab es Kündigungen – zuletzt wurden aber wieder Mitarbeiter eingestellt.

Abgeschlagen

Auch im Vergleich zur Konkurrenz schneiden die Kristallerzeuger aus Wattens schlecht ab. Zwar ist der Umsatz im ersten Halbjahr 2021 (im Vergleich zu jenem des Vorjahrs) um 2,6 Prozent gestiegen, bei Mitbewerber Pandora beispielsweise aber gab es ein Plus von rund 43 Prozent. Vom Vorkrisenniveau (erstes Halbjahr 2019) ist Swarovski mit seinen Kristallen noch weit entfernt und hinkt um 37 Prozent nach.

Ob mit dem vorzeitigen Rücktritt der beiden Manager der Familienstreit im Hause Swarovski beigelegt ist? Das steht in den Sternen, sehr wahrscheinlich ist es aber nicht.

Flugunternehmen wird verkauft

Abseits dessen wurde am Donnerstag auch bekannt, dass sich der Konzern von seiner Fluglinie Tyrolean Jet Services trennen wird. Das Unternehmen könnte an externe Partner und Investoren verkauft werden, hieß es vom Unternehmen zur "Tiroler Tageszeitung". Vertiefende Gespräche mit potenziellen Interessenten würden bereits laufen. Es gebe keinen Bedarf mehr an einem Business-Aviation-Unternehmen für Swarovski, so die Begründung. (Renate Graber, 30.9.2021)

*Der Artikel wurde um 17 Uhr aktualisiert.