Leonding – Die Empfehlung seiner Berater war unmissverständlich. Zusperren hätte er seine eigene Textilproduktion in Leonding sollen und stattdessen sämtliche Bettwaren über Lieferanten importieren, erinnert sich Peter Hildebrand, Chef und Eigentümer von Betten Reiter.

Aus Baumwolle wird Vlies, werden Polster und Decken. Corona verleiht Textilien "made in Austria" Auftrieb.
Foto: Gregor Hartl

Der Ratschlag liegt gut zwei Jahrzehnte zurück. Beherzigt hat ihn der gelernte Hochspannungstechniker nicht. "Warum hätte ich das alles aufgeben sollen?", fragt er und deutet auf ratternde Maschinen. "Ich verdiene damit nicht weniger, als wenn ich alles zukaufen würde. Und es hebt mich von Mitbewerbern ab."

Sollte es einmal eng werden, habe er innerhalb von sechs Stunden ein neues Produkt. Wer auf Lieferungen etwa aus Deutschland angewiesen sei, der müsse sich schon einige Wochen, wenn nicht mehrere Monate gedulden.

"Mit Ehrfurcht"

Hildebrands Mitarbeiter füttern einen mächtigen Ballenbrecher mit frischer Baumwolle. Die Maschine lockert die Fasern, über den Kastenspeiser fließen sie in die Vliesanlage, ein Ungetüm aus sich eilig drehenden Rädern. "Mit Ehrfurcht behandeln, das sind sechs Tonnen bewegte Masse", ersucht er und streift Baumwollflocken von seiner Jacke.

Peter Hildebrand: "Glauben Sie, ich wäre so gut beisammen, wenn ich daheim hinterm Fernseher sitzen würde?"
Foto: Gregor Hartl

An die 15 Minuten dauert es, um den weichen Rohstoff in homogenes Vlies zu verarbeiten. Der lange Arm eines Steppautomaten verwandelt es mit 11.000 Stichen innerhalb von vier Minuten in eine Bettdecke. Ein Fadenriss frisst zwei zusätzliche Minuten, rechnet Hildebrand vor, um sodann über die Kunst der richtigen Feinmechanik zu sinnieren.

300.000 Decken und Polster verkauft Betten Reiter jährlich in 18 Filialen, ein Drittel davon kommt aus Leonding, der Rest aus der EU.

Kein Lebendrupf

Die Corona-Krise hat der hauseigenen Manufaktur Aufwind verliehen. Viele Österreicher investierten statt in Reisen in die eigenen vier Wände. Ware mit rot-weiß-roten Etiketten erhielt quer durch alle Branchen zusehends den Vorzug.

Hildebrand verbannte als einer der Ersten der Branche Daunen aus Lebendrupf aus seiner Produktion, auch wenn sich die Industrie lange dagegen wehrte. "Wir waren groß genug, um uns durchzusetzen."

Die Oberösterreicher verarbeiten fair gehandelte Baumwolle.
Foto: Gregor Hartl

Er übte sich in der Verarbeitung neuer Rohstoffe wie Hanf und holte sich biologische und vegane Zertifizierungen. Für Letztere werden Garne statt mit tierischen Fetten mit Kartoffelstärke behandelt, um sie raue Umgebung unbeschadet überstehen zu lassen. Seit 2007 ist sein Betrieb Partner von Fairtrade und hierzulande der größte Abnehmer von fair gehandelter Baumwolle.

Hildebrand selbst wuchs in einer Kärntner Bauernfamilie auf, arbeitete für die Erdölindustrie in 20 verschiedenen Ländern und führte gut zwölf Jahr lang ein Nomadenleben zwischen Kuwait, Ägypten, Saudi-Arabien, dem Oman und Japan.

Quereinsteiger

1989 wurde er mit seiner Frau, der Tochter der Firmenmitbegründerin von Betten Reiter, sesshaft und stieg in den Familienbetrieb ein. Das Resümee über sein Leben: "Ich wurde erst geteert, dann gefedert."

Mittlerweile ist er 73. Die Geschäftsführung teilt er sich mit einer Finanzexpertin. An Pension denkt der Nebenerwerbslandwirt und passionierte Taucher, den es auf seinen Reisen in die entlegensten Gewässer der Welt zieht, nicht. "Glauben Sie, ich wäre so gut beisammen, wenn ich daheim hinterm Fernseher sitzen würde?"

Entlastung der Haushalte

Seine Firmengruppe, an der er mit seiner Frau 66,6 Prozent der Anteile hält, wird 2021/22 knapp 92 Millionen Euro umsetzen. Das ist mehr als in den Jahren vor der Pandemie. Auch die Erträge seien höher.

Frauen halten die Textilproduktion in Leonding am Laufen.
Foto: Gregor Hartl

Von der bevorstehenden Steuerreform erwartet sich Hildebrand vor allem geringere Lohnnebenkosten für seine 450 Mitarbeiter, von denen 14 in der Manufaktur beschäftigt sind. "Arbeit ist zu teuer. Den Leuten muss mehr Geld in der Tasche bleiben." Ungemach droht aus seiner Sicht durch geradezu "explodierende Energiekosten". Haushalte gehörten entlastet, sonst schlage sich dies in der Kaufkraft der Konsumenten nieder.

Turbulenzen auf den Weltmärkten durch Lieferengpässe belasten ihn nur am Rande. Betten Reiter ordere derzeit drei Monate früher als bisher und habe die Lagerbestände erhöht. Im fairen Handel mit Baumwolle kam es zu keinen großen Unterbrechungen, bestätigt Fairtrade-Österreich-Chef Hartwig Kirner.

Zu wenige LKW-Fahrer

Genug Mitarbeiter für den Verkauf in den Filialen zu finden werde schwieriger, dank der Überzahlung des Kollektivvertrags gelinge es dennoch, sagt Hildebrand.

Woran es ihm fehlt, sind Lkw-Fahrer. Einer der drei Laster seines Fuhrparks steht deswegen still. Man frage sich manchmal schon, fügt er hinzu, ob es nicht mehr Anreize zu arbeiten brauche. (Verena Kainrath, 30.9.2021)