Viktor Orbán (links) und Andrej Babiš am Mittwoch in Prag. Beide hatten füreinander nur Lob übrig.

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Felsenfeste Einigkeit in den wichtigsten europäischen Fragen: Das war die zentrale Botschaft, die der tschechische Premierminister Andrej Babiš und sein ungarischer Amtskollege Viktor Orbán am Mittwoch bei gemeinsamen Auftritten in Prag sowie im nordböhmischen Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) ausgesendet haben.

Von der wechselseitig erwiesenen Dankbarkeit darüber, dass man auf europäischer Ebene vor allem in Migrationsfragen an einem Strang ziehe, darf sich wohl vor allem Babiš einigen Nutzen erwarten: In etwas mehr als einer Woche – am 8. und 9. Oktober – wird in Tschechien ein neues Parlament gewählt. Babiš hatte das Flüchtlingsthema im Wahlkampf verstärkt auf die Agenda gesetzt und musste sich den Vorwurf gefallen lassen, damit vor allem von Misserfolgen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie ablenken zu wollen, die dem Land zeitweise die höchsten Infektionszahlen in Europa beschert hatten.

Ungarns Opposition bündelt Kräfte

Aber auch Orbán kann einen erfolgreichen Mitstreiter an seiner Seite derzeit gut gebrauchen. In Ungarn stehen zwar erst nächstes Jahr Wahlen auf dem Programm. Dieser Tage jedoch formiert sich die Opposition, um einen gemeinsamen Kandidaten oder eine gemeinsame Kandidatin an die Spitze des politischen Kampfs gegen den rechtsnationalen Orbán und seine Partei Fidesz zu wählen.

Nachdem man mit der Bündelung der oppositionellen Kräfte nun also Ernst macht, ist die Nervosität im ungarischen Regierungslager zuletzt doch einigermaßen gestiegen. Da tut es auch dem erfolgsverwöhnten Orbán gut, sich einen Tag lang im zuversichtlichen Glanz seines tschechischen Amtskollegen zu sonnen. Nach einem Tief vor dem Sommer nämlich liegen Babiš und seine liberal-populistische Partei Ano in den Umfragen derzeit wieder klar vorn.

Lob für Grenzzaun

Darauf, dass Orbáns Besuch aber insbesondere als Wahlkampfhilfe für Babiš verstanden werden kann, deutete auch der Abstecher nach Ústí nad Labem hin, in den Wahlkreis des tschechischen Premiers. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz bezogen beide Regierungschefs dort in langen Statements vor allem gegen die Migrationspolitik der EU Stellung. Babiš lobte dabei den umstrittenen Grenzzaun, den Ungarn an der Grenze zu Serbien errichtet hatte:

"Wenn es diesen Zaun nicht gäbe, dann würde der kürzeste Weg zu Sozialleistungen in Deutschland über Tschechien führen", erklärte der tschechische Premier. Orbán wiederum warnte angesichts der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan vor einer neuen Flüchtlingswelle und dankte Tschechien, das 50 Polizisten zur Überwachung der ungarischen EU-Außengrenze schicken will.

Kritik an Klimapolitik der EU

Einer möglichen Verteilung von Migranten in Europa erteilten beide erneut eine Absage. Dabei betonten sie einmal mehr, dass vor allem sie es gewesen seien, die eine entsprechende Quotenregelung in der EU verhindert hätten, und betonten darüber hinaus die gute Zusammenarbeit mit den beiden anderen Partnern in der sogenannten Visegrád-Gruppe, also mit Polen und der Slowakei.

Auch die Klimapolitik der Europäischen Union kritisierten sie mit dem Hinweis auf mögliche Kosten für ihre Bürgerinnen und Bürger. Ungarn kämpfe in der EU gar "drei Schlachten", erklärte Orbán: auf dem Gebiet der Migration, in der Umweltpolitik und beim zuletzt umstrittenen Thema LGBTQI. Ein ungarisches Gesetz, das die Rechte von Homosexuellen einschränkt, hatte kürzlich für erheblichen Ärger zwischen Brüssel und Budapest gesorgt.

Mehrere Kundgebungen

Der Besuch Orbáns in Tschechien war von mehreren kleineren Demonstrationen begleitet. Kundgebungsteilnehmer beschuldigten sowohl Orbán als auch Gastgeber Babiš, die Europäische Union "zerschlagen" zu wollen. Orbán wurde zudem als "Diener Putins" tituliert, des russischen Präsidenten, zu dem er gute Beziehungen pflegt. Tschechiens Verhältnis zu Russland hingegen ist derzeit schwer belastet. Eine Explosion in einem mährischen Munitionslager im Jahr 2014, die zwei Todesopfer gefordert hatte, wurde von Prag kürzlich russischen Agenten zugeschrieben, beide Länder haben daraufhin wechselseitig Diplomaten ausgewiesen.

Thema der Gespräche in Prag und Ústí nad Labem war auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder. Der ungarische Premier wurde unter anderem von Außenminister Péter Szijjártó und dem Minister für Innovation und Technologie László Palkovics begleitet. Am Abend stand noch ein Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Miloš Zeman auf dem Programm. (Gerald Schubert, 29.9.2021)