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Armin Laschet ist Parteichef der CDU – die Frage ist, wie lange noch.

Foto: AP / Martin Meissner

Berlin – Die deutsche Unionsspitze will am Sonntagabend mit Vertretern der FDP über die Chancen einer gemeinsamen Jamaika-Regierung mit den Grünen beraten. Aus Unionskreisen hieß es am Donnerstag, die Parteichefs von CDU, CSU und FDP, Armin Laschet, Markus Söder und Christian Lindner, hätten am Mittwochabend festgelegt, dass man sich am Sonntag um 18.30 Uhr treffen wolle. Die Teilnehmer der Delegationen sollen am Donnerstag festgelegt werden. Auch Gespräche mit den Grünen seien verabredet worden, diese seien zu Beginn der kommenden Woche geplant.

CDU-Vizechef Jens Spahn hatte am Donnerstag gefordert, dass bis Mitte Oktober klar sein müsse, welche Parteien miteinander in Koalitionsverhandlungen treten – insbesondere was die Union betrifft. Spahn sprach im Deutschlandfunk davon, dass um das Wochenende herum erste Sondierungen auch von CDU/CSU stattfinden würden. "Dann muss bis Mitte Oktober klar sein, wohin die Reise geht."

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CDU-Vizechef Jens Spahn macht unter anderem die fehlende Geschlossenheit in der Union für die Wahlniederlage verantwortlich.
Foto: Reuters / Michele Tantussi

Es dürfe gerade angesichts dieses Wahlergebnisses keine lange Hängepartie in Deutschland geben, sondern es müsse eine stabile Regierung entstehen, so Spahn. Der Gesundheitsminister bekräftigte den Wunsch der Union, mit Grünen und FDP zusammen auszuloten, ob eine Jamaika-Koalition zustande kommen könne.

Spahn lässt eigene Zukunft offen

Auf die Frage, ob CDU-Chef Armin Laschet im Amt bleibe soll, sagte Spahn: "Die Frage stellt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht." CDU und CSU hätten vereinbart, mit den Parteichefs Laschet und Söder in die Sondierungen zu gehen. Es sei ein "Balanceakt", gleichzeitig Sondierungen zu führen und eine nötige personelle Erneuerung anzustreben.

Spahn machte sowohl das Wahlkampfmanagement als auch die fehlende Geschlossenheit von CSU und CDU für die Wahlschlappe verantwortlich. Hätte es einen fehlerfreien Wahlkampf gegeben und Geschlossenheit, wäre die Union bei mehr als 30 Prozent gelandet. "Das muss aufgearbeitet werden. ... Da haben wir alle Mitverantwortung", fügte er hinzu. Spahn wies darauf hin, dass Laschet für den Fall eines Scheiterns der Jamaika-Sondierungen selbst angekündigt habe, nicht Oppositionsführer werden zu wollen. Ob er selbst Ende April bei der Neuwahl des Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion kandidieren wolle, ließ er offen.

SPD kritisiert Laschet

Die SPD fordert Laschet unterdessen auf, das Wahlergebnis als Niederlage von CDU und CSU anzuerkennen. Die Wählerinnen und Wähler hätten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, wen sie als Nachfolger von Angela Merkel wollten und wen nicht, sagte der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans der "Augsburger Allgemeinen" vom Donnerstag.

"Dass Armin Laschet es bis zum heutigen Tag nicht fertigbringt, die Totalabfuhr der Wähler anzuerkennen, sondern stattdessen verbissen um jeden Millimeter Macht feilscht, ist ein beschämendes Armutszeugnis für ihn und die ihn tragenden Parteien CDU und CSU", so Walter-Borjans.

Grüne gegen Jamaika

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach sich klar gegen ein Jamaika-Bündnis aus. "Ich sehe im Moment nicht, dass man die Union für sondierungsfähig halten könnte, geschweige denn für regierungsfähig", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Donnerstag.

Zwar sei sie immer der Meinung, dass man unter den demokratischen Parteien keine Option ausschließen sollte. Aber beim Blick auf den Zustand der CDU sehe sie aktuell nicht, wie eine Koalition mit CDU und CSU gehen solle. "Der ganze Laden ist offensichtlich null vorbereitet auf die Zeit nach Merkel."

Die FDP will einem Medienbericht zufolge wie die Grünen mit zehn Männern und Frauen in die Sondierungsgesprächen über eine Ampelkoalition gehen. Nicht dabei sein werde aus Termingründen Parteivize Wolfgang Kubicki, berichtete das Wirtschaftsmagazin "Business Insider" unter Berufung auf Parteikreise.

CDU-Frauen kritisieren geringen Frauenanteil

Die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Annette Widmann-Mauz, hadert mit dem geringen Frauenanteil in der neuen CDU/CSU-Bundestagsfraktion. "Mit einem Frauenanteil von 23,5 Prozent in der Unionsfraktion können wir nicht zufrieden sein", sagte Widmann-Mauz den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft vom Donnerstag. Entgegen allen Absichtserklärungen konnte der Frauenanteil in der Unionsfraktion, der 2017 auf rund 21 Prozent gesunken war, nur wenig erhöht werden. Widmann-Mauz forderte grundlegende Änderungen. "Die strukturellen Fragen in der CDU sind weiterhin ungeklärt. Das steht nach wie vor auf der Agenda", sagte sie.

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Armin Laschet ist Parteichef der CDU – die Frage ist, wie lange noch.
Foto: AP / Martin Meissner

Dem am Sonntag gewählten Bundestag gehören 480 Männer und 255 Frauen an. Der Frauenanteil insgesamt liegt bei knapp 35 Prozent und damit etwas höher als in der abgelaufenen Wahlperiode (2017: 31,4), aber niedriger als in der Legislaturperiode davor (2013: 37,3).

Die Grünen haben im neuen Bundestag den höchsten Frauenanteil. In ihrer Fraktion sind 58,5 Prozent der Abgeordneten weiblich. Auch bei der Linken sind es mehr als die Hälfte (53,8 Prozent). Die SPD kommt auf 41,7 Prozent, die wenigsten weiblichen Abgeordneten gibt es mit 13,3 Prozent in der AfD-Fraktion. Bei der FDP (23,9) und der Union (23,5) ist der Frauenanteil ungefähr gleich groß.

Linnemann sieht CDU vor Existenzfrage

Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) sieht seine Partei in einer schweren Krise. Das hänge nicht nur mit dem Wahlkampf zusammen, auch 2017 und 2013 habe die Union bereits Rückgänge erlebt, sagte Linnemann am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Maischberger". Den Wahlausgang mit historisch schlechten 24,1 Prozent für die Union nannte er ein Desaster. "Das Ding geht richtig ins Mark. Wir stehen vor einer existenziellen Frage."

Es gebe zig Beispiele in Südeuropa, wo sich Volksparteien marginalisiert hätten. Die Union brauche keine Egotrips, sondern einen kühlen Kopf und eine rasche und tiefgehende Wahlanalyse. Er sei dankbar, dass Laschet das auch wolle, sagte Linnemann.

Auf die Frage, ob Laschet noch der richtige Parteichef sei, antwortete Linnemann: "Armin Laschet hat 24 Prozent geholt. Das ist so." Es gebe aber auch noch eine Chance auf ein Jamaika-Bündnis. Die Union müsse geschlossen in die Gespräche zur Regierungsbildung gehen. "Die Chance ist noch da", sagte er über eine Koalition mit Grünen und FDP. Auf die Frage, ob Laschet noch sein Parteichef wäre, wenn dieses Bündnis nicht zustande kommen sollte, sagte Linnemann: "Dann werden wir einen Prozess einleiten. Ich möchte dann mindestens vier oder acht Wochen auch über Inhalte reden. Wenn wir sofort über die Köpfe reden, wird's schwierig." Linnemann sprach sich zugleich bei der Wahl des nächsten Parteivorsitzes für eine Mitgliederentscheidung aus. (APA, 30.9.2021)