Francesco Totti (Pietro Castellitto) will nicht wahrhaben, dass seine Karriere bald vorbei ist. Die Sky.Serie Serie "Totti – Il Capitano" lässt seine letzten zwei Jahre im Dienste des AS Roma Revue passieren.

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Das Alter ist der Feind des Körpers. Und wenn dann auch noch ein Trainer auftaucht, der den König vom Thron stoßen möchte, ist Feuer am Dach. Francesco Totti ist 39 Jahre alt und verletzt. Er fühlt sich wie ein Hund, dem die Zeit gestohlen wird. Ein Jahr kicken sei für Fußballer so wie sieben Jahre arbeiten für andere, sagt Totti (Pietro Castellitto) mit Dackelblick, während die Zeit unaufhaltsam Richtung Karriereende rinnt.

Diese Mimik wird ab Jänner 2016 zum Dauerzustand, denn die Legende der AS Roma ist gekränkt. Die Demontage des ewigen Römers, der bereits als zwölfjähriger Schüler zur AS Roma gekommen ist und das Team seit 20 Jahren als Kapitän anführt, hat begonnen. Welche Rolle dabei Trainer Luciano Spalletti spielt, das erfahren die Zuseherinnen und Zuseher in der sechsteiligen Serie "Totti – Il Capitano", die ab Donnerstag bei Sky zu sehen ist.

Die Produktion basiert auf dem Buch "Un capitano" von Francesco Totti und Paolo Condò und beleuchtet die beiden letzten Jahre einer außergewöhnlichen Fußballerkarriere, ohne mit zahlreichen Rückblenden und Originalaufnahmen darauf zu vergessen, wie sie zustande gekommen ist.

Bambino mit Ball

Eine der ersten Szenen zeigt Originalaufnahmen des Jahres 1977, als der elf Monate alte Francesco am Strand mit einem Ball spielt. Wäre damals ein Scout vor Ort gewesen, er hätte Totti sofort verpflichtet. Ganz so ernst ist es aber nicht, denn die Serie punktet mit viel Humor und grotesken Szenen (der junge Totti und der Papst) und kommt zwischendurch als Persiflage daher. Ein in die Jahre gekommener Fußballer wird zur Karikatur seiner selbst – auf eine liebevolle Art und Weise. Mamma mia, Totti leidet, und mit ihm seine Frau (Greta Scarano) sowie die gesamte Familie. Und da ist er wieder, der Dackelblick. Pathos, Wut und Tränen.

Wer daran schuld ist, wird schnell klar: Trainer Luciano Spalletti (Gianmarco Tognazzi). Gehörte er während seiner ersten AS-Roma-Ära von 2005 bis 2009, die in zwei Pokalsiegen gipfelte, noch zu den größten Totti-Fans, so änderte sich das, als er 2016 wieder verpflichtet wurde. Um die Giallorossi zurück in die Erfolgsspur zu führen, regiert er mit harter Hand. Er verbietet den Spielern etwa das Kartenspielen. Ein Affront für Totti, der sich die Nächte gerne damit vertreibt, spätnachts an die Tür von Teamkollegen zu klopfen, damit sie mit ihm zocken.

Kommen nicht mehr miteinander klar: Totti (Pietro Castellitto) und Spalletti (Gianmarco Tognazzi).
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Unter Spalletti hatte Totti seine besten Jahre. Er wurde mit Italien 2006 Weltmeister und 2007 mit 26 Toren in der Serie A Europas bester Torschütze.

Weg zum WM-Titel

Vor allem der Weltmeistertitel ist bemerkenswert. Rückblende, Kaiserslautern, 26. Juni 2006, Elfmeter: Francesco Totti schnappt sich in der Nachspielzeit des Spiels Italien gegen Australien den Ball und jagt ihn hoch ins linke Eck. Goalie Mark Schwarzer ist chancenlos, Australien scheidet unglücklich aus. Italien steht trotz einer roten Karte für Marco Materazzi – Zinedine Zidane wird ihn noch besser kennenlernen – im Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland und wird später Weltmeister. Es ist nur ein Schuss, und doch steht er symptomatisch für die Karriere eines fantastischen Spielers mit eisernem Willen.

Vier Monate vor der Weltmeisterschaft brach sich Totti das Wadenbein und zog sich mehrere Bänderrisse im Sprunggelenk zu. Er wurde auf den letzten Drücker fit, und Italiens Nationaltrainer Marcelo Lippi nahm ihn mit nach Deutschland. Dass Totti überhaupt auf den WM-Zug aufspringen konnte, ist nicht zuletzt Spalletti zu verdanken, besuchte er seinen Stürmerstar doch täglich im Krankenhaus. Laut der Serie schaute er pünktlich um 23 Uhr vorbei, um mit seinem Kapitän über Fußball zu plaudern. Nicht immer zur Freude des Verletzten. Totti stellte sich schlafend, während Spalletti über Fußball dozierte. Sehr lustig.

Langsamer Abschied

Viele Jahre später ist von der damaligen Freundschaft nichts mehr übrig. Spalletti übernahm das Zepter im Jänner 2016, stellt Totti aufs Abstellgleis und führte die Roma nach einer schlechten Hinrunde noch auf Rang drei. In der Saison 2016/17 wurde es sogar der Vizemeistertitel. Der Erfolg gab ihm recht, doch das Zerwürfnis mit Fanliebling Totti hinterließ Spuren. Spalletti verließ die AS Roma in Richtung Inter Mailand, und Totti trat am 17. Juli 2017 mit fast 41 Jahren endgültig von der Fußballbühne ab.

Nur mehr Gast im eigenen Haus: Francesco Totti hat in der Serie einen Auftritt.

Sein Abschiedsspiel, das am 28. Mai 2017 gegen den FC Genoa stattfand, und die Emotionen gehören zum Besten, was die Serie zu bieten hat. Originalaufnahmen: Totti kommt unter tosendem Applaus für Mo Salah aufs Feld. Gänsehaut. Und Tränen, wohin man schaut, oder, um es mit Tottis Worten zu sagen: "Es ist hart, das Licht auszumachen."

Am Ende seiner Profikarriere konnte Totti auf die meisten Einsätze (783) und Tore (307) in der Geschichte seines Vereins zurückblicken. Neben zwei Pokalsiegen führte er sein Team in der Saison 2000/01 zum ersten Meistertitel in der Serie A seit 1983. Für die Squadra Azzurra spielte er 58-mal und erzielte neun Tore. Schattenseiten? Gab es genug, etwa brutale Fouls oder eine Spuckattacke bei der EM 2004. In der Serie spielen sie keine große Rolle. Der Glanz einer sensiblen Legende, die ihr Innenleben nach außen kehrt, überstrahlt alles. Grotesk und sehenswert! (Oliver Mark, 30.9.2021)