Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) will problematische Handelspraktiken bestrafen.

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Wien – Die EU bemüht sich um faire Spielregeln im Handel, um der Willkür im Umgang großer Konzerne mit kleineren Lieferanten Einhalt zu gebieten. Im Vorjahr wurde eine Verordnung gegen unlautere Handelspraktiken verabschiedet. Österreich hätte sie bis Mai in nationales Recht umsetzen müssen, ein Verfahren wegen Vertragsverletzung drohte. Wie berichtet will die Regierung die Richtlinie nun bis Jahresende in trockene Tücher bringen.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) präsentierte den Gesetzesentwurf am Donnerstag. Dieser ist nun in Begutachtung und fällt in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums. Köstinger begründet die Verzögerung mit dem Regierungswechsel 2019 und der Corona-Krise.

Ombudsstelle

Das neue Gesetz sieht ab Jänner 2022 eine weisungsfreie Ombudsstelle vor, die Missbrauch von Marktmacht entlang der Wertschöpfungskette nachgehen soll. Lieferanten können sich an sie anonym mit Beschwerden richten. Die Bundeswettbewerbsbehörde wird die Fälle aufarbeiten, das Kartellgericht fällt die Entscheidungen. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 500.000 Euro. An den Pranger gestellt werden die dafür verantwortlichen Unternehmen nicht. Regelmäßige Berichte der Ombudsstelle darüber bleiben anonymisiert.

Auf der schwarzen Liste stehen Gängelungen wie Auftragsstornos in quasi letzter Minute und einseitige Vertragsänderungen. Rückwirkende Rabattforderungen zählen ebenso dazu wie die Verweigerung schriftlicher Vereinbarungen und verspätete Zahlungen für verderbliche Lebensmittel. Schluss soll auch mit der Praxis sein, Hersteller für Flugblätter, auf denen ihre Produkte beworben werden, zur Kassa zu bitten.

"Symbolwirkung"

Aus Sicht des Lebensmittelhandels, gegen den sich die Kritik Köstingers in erster Linie richtet, lässt sich aus den neuen Regeln kein politisches Kapital schlagen. Man bezahle seine Partner schon bisher pünktlich, liste keinen willkürlich aus, so der Tenor der Branche.

Die im Zuge der Umsetzung der Richtlinie erfolgte zusätzliche Anführung des Verbots der Ausnützung einer "marktbeherrschenden Stellung" ändere in der Praxis und der geltenden Rechtslage nichts und habe eher Symbolwirkung als rechtliche Wirkung, lässt der Handelsverband in einer Stellungnahme wissen.

Bedauerlich sei es, ergänzt der Verband, dass die Betriebe der Zwischenstufe nie beleuchtet wurden, diese aber in rund 95 Prozent der Fälle direkte Vertragspartner der Landwirte seien. Milliardenschwere Molkereien führten etwa die direkten Preisverhandlungen mit den Milchbauern, der Handel selbst verhandle nur in fünf Prozent der Fälle direkt mit der Landwirtschaft.

Keine teureren Lebensmittel?

Herzlicher wird der Ton zwischen der Ministerin und dem Handel jedenfalls nicht, wobei diese am Donnerstag bemüht war, Unterschiede im Verhalten der Supermarktketten hervorzustreichen. Einzelne hätten sich sehr wohl bemüht, etwa mehr Fleisch aus Österreich in die Regale zu holen. Ihre Diagnose: je größer ein Konzern, desto schlimmer sein Umgang mit Lieferanten.

Wie Köstinger ist sich auch Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger sicher, dass der Handel den Bauern angesichts der immer höheren Auflagen zu wenig bezahlt. Wobei Moosbrugger versichert, dass sich Lebensmittel für Konsumenten deswegen nicht verteuern müssten.

Dass der Handel Gewinnmargen von lediglich ein bis zwei Prozent ausweist, lässt er nicht gelten. "Ich lasse mich ungern blenden." In den Bilanzen seien nicht alle Erträge enthalten, da diese "schon vorher weggenommen wurden". Der Anteil der Bauern an der Wertschöpfung sei jedenfalls in der Vergangenheit höher gewesen. Kehre man nicht dorthin zurück, werde es bald keine Lebensmittel mehr aus Österreich geben.

Starke Exporte

Händler selbst erinnern an den hohen Exportanteil österreichischer Rohstoffe und Lebensmittel. Ein wesentlicher Teil der Preise für Bauern werde nicht von nationalen Handelsketten gemacht, sondern von internationalen Marktentwicklungen gesteuert. Auch die Gastronomie gehöre bei Debatten wie diesen ins Boot geholt. Köstinger gehe es im Kampf für ihre bäuerliche Klientel vor allem um konventionell produzierende Betriebe, heißt es aus ihren Reihen. Viele unter ihnen hätten den Absprung in zukunftsgerichtete, ertragreichere Märkte wie Bio verpasst. (Verena Kainrath, 30.9.2021)