Mit seinem wohlwollenden Interview im belarussischen Staatsfernsehen bringt der steirische KPÖ-Politiker Werner Murgg seine Partei jetzt in Bedrängnis.

Foto:Youtube / ATN: Nowosti Belarusi i Mira

Die Grazer KPÖ, die sich nach ihrem Wahlsieg nun anschickt, das Bürgermeisteramt zu übernehmen, hat ein Problem – und das heißt Werner Murgg. Der altgediente, streng linientreue Kommunist hat die KPÖ in der obersteirischen Industrieregion etabliert und sie dort zu einer fixen Größe gemacht.

Murgg – er ist auch Burgen- und Wehranlagenexperte – ist Stadtrat in Leoben und sitzt als Vizeklubchef seiner Partei im Landtag in Graz. Seine wichtige Rolle in der Partei macht die Sache für die KPÖ in Graz jetzt überaus heikel. Denn wie soll sie nun mit ihrem "Problemgenossen" umgehen, nachdem bekannt geworden ist, dass dieser in seinem Urlaub in Belarus war und dem dortigen Staatsfernsehen ein Interview gegeben hat, in dem er die Diktatur ziemlich weißwusch und überall "Ordnung und Stabilität" sah?

"Hybrider Krieg gegen Belarus"

Es werde "ein hybrider Krieg gegen Belarus geführt, und deswegen werden furchtbare und schreckliche Sachen in westlichen Medien gezeigt", gab Murgg im dortigen Staats-TV zu Protokoll. Er und seine Reisegruppe seien "angenehm überrascht gewesen von dem, was wir gesehen haben. Wir haben verschiedene Meinungen gehört, unter denen auch kritische waren, was beweist, dass die Menschen in diesem Land sich frei äußern können", sagte Murgg. Er wolle betonen, "dass alles, was in unseren Medien gezeigt wird, der realen Lage, die wir selbst gesehen haben, gar nicht entspricht".

In einer schriftlichen Stellungnahme an den STANDARD rechtfertigt Murgg seine Reise und bleibt auch inhaltlich bei seinen Aussagen: "Ich war in meinem Urlaub unter Vermittlung durch die Österreichisch-Weißrussische Gesellschaft (ÖWG) einige Tage in Weißrussland. Es war mein vierter Besuch in diesem Land, das erste Mal war in den 1990er-Jahren. Ich habe Interviews mit zwei Fernsehsendern gegeben, bei denen unter anderem zur Sprache kam, wie sich das Land meiner Meinung nach entwickelt hat. Ich habe klargestellt, dass das Land sich mir so weit als ruhig darstellt, also nicht 'kurz vor dem Zusammenbruch', wie in unseren Medien verschiedentlich behauptet wird." Er lehne die Sanktionen ab, "weil diese immer nur die Ärmsten im Lande treffen".

Wenig später schob Murgg – offensichtlich nach einer Aussprache mit der KPÖ-Führung – eine offizielle Mitteilung nach: "Ich distanziere mich klar vom Regime in Belarus."

ÖVP verlangt Rücktritt

ÖVP-Geschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg fordert jetzt Konsequenzen von der KPÖ: "Wer meint, privat in ein solches Land reisen zu müssen, wird wohl kaum im staatlichen Fernsehen als Abgeordneter des Steiermärkischen Landtags auftreten. Solche Vorfälle werfen kein gutes Licht auf die Steiermark. Hier ist ganz klar auch die Parteispitze gefordert, denn in diesem Fall spielt ein Abgeordneter des Landtages das Regime eines Diktators herunter. Es muss Konsequenzen geben."

Gestörte Verhandlungen in Graz

Alles andere als gelegen kommt die Causa Murgg natürlich der Grazer KPÖ, die am Beginn nicht ganz einfacher Koalitionsverhandlungen steht. Immerhin geht es um das Bürgermeisteramt.

"Ich habe es erst gestern am Abend erfahren. Wir fragen ja niemanden in der Partei, wohin wer auf Urlaub fährt. Aber um es gleich vorweg klarzustellen: Wir in der Grazer und in der steirischen KPÖ haben mit der Diktatur von Lukaschenko nichts am Hut. Wir sehen in diesem Regime nichts Gutes. Das ist kein freies Land. Entsprechend werden wird uns auch mit Werner Murgg unterhalten", sagt die Grazer KPÖ-Chefin Elke Kahr dem STANDARD. Die KPÖ-Klubchefin im Landtag, Claudia Klimt-Weithaler, ergänzt, es werde auch auf Landesebene ein weiteres klärendes Gespräch mit Murgg geben.

Ahnungslose Wähler?

Die Wählerinnen und Wähler der KPÖ, sagt Kahr, "wussten sehr genau, was unsere Weltanschauung ist. Wir sind sozial, offen, wir wollen, dass die Menschen ein gutes Leben führen können." Der VP-nahe Historiker Stefan Karner widerspricht hier heftig. In einem Gespräch mit dem ORF Steiermark meinte Karner, die KPÖ-Wählerinnen und -Wähler hätten de facto nicht gewusst, welche Ideologie sie da gewählt hätten. "Sie hätten anders gehandelt, wenn ihnen das bewusst gewesen wäre", glaubt Karner. (Walter Müller, 30.9.2021)