Acht Tage im All, ein Leben lang "Austronaut": Franz Viehböck bei der Durchführung eines Experiments auf der Raumstation Mir 1991.

Foto: Viehböck/Lothaller

"Man soll nicht verschweigen, dass Österreich als Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation in Relation zu anderen Ländern mit seinen Beiträgen weit hinten ist", sagt Viehböck. Der Ex-Kosmonaut plädiert für mehr Investitionen in die Raumfahrt.

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Am 2. Oktober 1991 startete der 31-jährige Elektrotechniker Franz Viehböck an Bord einer Sojus-Raumkapsel zur sowjetischen Raumstation Mir. Nur acht Tage dauerte die Mission, während der Viehböck nicht nur österreichische Raumfahrtgeschichte schrieb, sondern auch Vater einer Tochter wurde. Drei Jahrzehnte später hat der Ex-Kosmonaut die Lust auf Weltraumabenteuer nicht verloren – und engagiert sich für den Schutz der irdischen Umwelt.

STANDARD: Sie sind nach wie vor der einzige Österreicher, der im All war, und müssen den Medien Ihre Geschichte immer wieder erzählen. Nervt Sie das inzwischen?

Viehböck: Es nervt mich überhaupt nicht, dass sich Medien dafür interessieren. Aber es stört mich, dass ich nach wie vor der Einzige bin. Es wäre schön, wenn noch eine andere Österreicherin oder ein Österreicher endlich in diesem Club dabei wären.

STANDARD: Sie haben die Erde damals in einem Sojus-Raumschiff verlassen. Dieses gilt als sicher und verlässlich, ist auch eng und unbequem. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie heute die Bilder der stylish-luxuriösen neuen Raumschiffe von Space X sehen?

Viehböck: Auch in der Raumfahrt bleibt die Entwicklung nicht stehen, da hat sich extrem viel getan. Entsprechend sieht das auch aus: Wo es früher Analogrechner und viel Hardware brauchte, gibt es heute sehr viel Software und Displays. Dadurch hat man insgesamt mehr Platz. Es ist ganz nett, wenn das alles moderner ausschaut, aber man fliegt ja nicht wegen der tollen Touchscreens oder der Innenausstattung ins All.

STANDARD: Würde es Sie reizen, mit einem neuen Raumschiff noch einmal zu fliegen?

Viehböck: Absolut, aber mich reizt es so oder so, nicht nur wegen neuer Entwicklungen. Die Innerei ist mir da relativ egal, es geht um das Erlebnis – und was man da oben dann macht.

STANDARD: Welches Ihrer Erlebnisse im All ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Viehböck: Da gibt es nicht das eine Erlebnis, das sind viele. Es war schon etwas sehr Besonderes, dass ich da Vater geworden bin – meine Tochter ist kurz nach dem Start zur Welt gekommen. Der Raumflug von der technischen Seite war extrem faszinierend, der Start mit den Beschleunigungen, der Flug, das Andocken an der Station – das war ein tolles Erlebnis. Auch die Schwerelosigkeit und der Ausblick, den man da hat, haben mich extrem beeindruckt: Die Erde aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen und hinaus ins Weltall zu schauen war faszinierend.

STANDARD: Die Erde aus der Ferne zu sehen – verändert das den Bezug zu unserem Planeten?

Viehböck: Auf alle Fälle. Die Schönheit, aber auch die Fragilität haben mein Umweltbewusstsein sehr stark sensibilisiert. Ich bin seit damals aktiv im Umweltschutz.

STANDARD: Sie haben auf der Mir von der Geburt Ihrer Tochter erfahren. Wie geht man mit so einem emotionalen Ereignis um, wenn man so weit weg ist und nicht einfach zurückkann?

Viehböck: Es war nicht geplant, dass meine Tochter genau da zur Welt kommt, der Termin wäre drei Wochen später gewesen. Da kann man dann nicht viel machen – ich habe mich auf meine Aufgaben fokussiert. Von der Geburt habe ich erst mit Verspätung erfahren. In Österreich war das zwar schon in den Nachrichten, aber bis die Information im Kontrollzentrum und dann bei mir oben auf der Mir ankam, war schon der nächste Tag. Da wurde ich dann in der Früh mit der freudigen Botschaft aufgeweckt.

STANDARD: Die Vorbereitung auf die Mission dauerte zwei Jahre, Sie haben aber erst zwei Tage vor dem Start erfahren, dass Sie und nicht Ihr Kollege Clemens Lothaller fliegen werden. Haben Sie manchmal an der Entscheidung gezweifelt, sich für den Job zu bewerben?

Viehböck: Nein, nie. Natürlich habe ich gehofft, dass ich wirklich fliegen kann. Aber wenn nicht ich zum Zug gekommen wäre, hätte ich es trotzdem nicht bereut – die Ausbildungszeit war so eine Bereicherung, die es für sich genommen wert gewesen wäre.

STANDARD: Wie haben sich aus Ihrer Sicht die österreichischen Raumfahrtaktivitäten in den vergangenen Jahrzehnten, auch durch die Mission Austromir, entwickelt?

Viehböck: Ich bin überzeugt, dass durch die Mission der Stellenwert von Weltraumaktivitäten in Österreich ein anderer geworden ist. Seither ist sehr viel passiert, es gibt mittlerweile eine große Anzahl an österreichischen Firmen, die im Weltraum sehr erfolgreich tätig sind. Auf der wissenschaftlichen Seite gibt es viel exzellente Arbeit. Aber man soll auch nicht verschweigen, dass Österreich als Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation in Relation zu anderen Ländern mit seinen Beiträgen weit hinten ist. Mehr öffentliche Investitionen in die Raumfahrt wären wünschenswert, das Land profitiert ja auch direkt davon: Das Geld kommt in Form von Entwicklungs- und Technologieprojekten zurück.

STANDARD: Einer Ihrer Mitbewerber für Austromir ist heute Chef der Esa. Josef Aschbacher ist damals nicht zum Zug gekommen, wird aber bald über die nächste Generation europäischer Raumfahrer mitentscheiden. Würden Sie Ihren Kindern eine Bewerbung empfehlen?

Viehböck: Das überlasse ich ganz meinen Kindern, ich werde niemanden zu etwas drängen. Wenn das jemand machen will, unterstütze ich das natürlich – und kann vielleicht auch den einen oder anderen Rat geben.

STANDARD: Glauben Sie, dass Menschen in absehbarer Zeit auf dem Mars landen werden?

Viehböck: Das kommt darauf an, was Sie unter absehbar verstehen. In zehn, fünfzehn Jahren kann ich mir das durchaus vorstellen. Ich finde solche ambitionierten Pläne gut, weil herausfordernde Ziele in sehr vielen Bereichen große Entwicklungen mit sich bringen und Innovationen anstoßen können. Höchstleistungen bringen uns weiter, das war auch in der Vergangenheit so.

(David Rennert, 2.10.2021)