Die Maske begleitet die Österreicher seit eineinhalb Jahren beim Einkaufen. Nicht alle machten sie sich zur Gewohnheit.

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Wien – Um Ausreden sind ihre Kunden selten verlegen. Immer wieder diskutiert Irene Pawelka in einer Wiener Supermarktfiliale über Sinn und Unsinn des Einkaufens mit Maske. Die Argumente dagegen reichen von drohenden Hautausschlägen über Atemprobleme bis hin zu schlichtweg fehlender Lust, den Mundschutz zu tragen, erzählt die Handelsangestellte. Im Schnitt einmal die Stunde ersuche sie Leute darum, die Corona-Regeln doch bitte schön ernst zu nehmen.

Doch mittlerweile ist sie der vielen endlosen Debatten müde. Frust und Gereiztheit der Maskengegner seien über die lange Zeit der Pandemie hinweg gewachsen und würden an den Handelsmitarbeitern ausgelassen. "Viele meiner Kollegen, die früher nie krank waren, sind mittlerweile selbst gesundheitlich angeschlagen." Und angesichts grantiger Kunden werde es immer schwieriger, unter der Maske – die während der ganzen Arbeitszeit zu tragen sei und nicht nur für den schnellen Einkauf – die Balance zu finden.

Nicht die Nerven verlieren

"Aggressiv wie Klapperschlangen", seien manche Kunden gewesen, ehe die strenge Maskenpflicht vor dem Sommer gelockert wurde, erinnert sich Peter Hildebrand, der als Chef von Betten Reiter Heimtextilien vertreibt. Die Belastung der Handelsmitarbeiter sei hoch, "ich bewundere sie dafür, nicht die Nerven zu verlieren".

Hildebrand erzählt von zweifelhaften Gutachten für eine Maskenbefreiung, die mitunter gar auf Servietten gekritzelt waren und sich in einzelnen Regionen häuften. Manch Kunde drohte mit Handgreiflichkeiten. In einer Filiale in Kärnten wurde einmal die Polizei gerufen.

Aber auch unter Kunden untereinander grassiere mitunter ein rauer Ton. Zu spüren bekäme man dies vor allem an der Kasse – so schnell könne keiner ohne Maske seine Befreiung aus der Tasche ziehen, als dass er oder sie nicht schon zuvor in die Mangel genommen würde.

Eineinhalb Jahre ist es her, dass Supermärkte die ersten Schutzmasken an ihren Eingängen verteilten. Seither begleiten sie die Österreicher mit kurzen Unterbrechungen durch die Pandemie. Wobei Wien dabei immer wieder strengere Maßstäbe ansetzte als die übrigen Bundesländer. Ab 1. Oktober darf in der Bundeshauptstadt nur noch mit FFP2-Maske eingekauft werden. Damit ist Nährboden für neue Kontroversen geschaffen.

Ungleiche Regeln

Anita Palkovich, Gewerkschafterin der GPA, zweifelt nicht daran, dass mit der Verschärfung die Spannungen im Einzelhandel wieder zunehmen werden. Emotional werde es vor allem dort, wo ungleiche Regeln aufeinandertreffen, sagt sie. In Einkaufszentren etwa, in denen es außerhalb Wiens im Lebensmittelhandel FFP2-Masken braucht, während in den übrigen Geschäften ein einfacher Mund-Nasen-Schutz ausreicht. "Zeigt die Polizei mit stichprobenartigen Kontrollen Präsenz, reißen sich die Leute aber vermehrt zusammen." Je klarer die Maßnahmen, desto einfacher sei es auch für Mitarbeiter. Wenn jedoch zwischen Geimpften und Ungeimpften unterschieden werden müsse, wenn die Vorgaben in den Bundesländern andere seien als in Wien und die Tests unterschiedlich lange gelten, dürfe man sich nicht wundern, wenn sich die Kunden teils weigerten, die Maskenpflicht zu akzeptieren.

Palkovich hat großes Verständnis dafür, dass viele Handelsangestellte nicht länger bereit sind, deswegen Konflikte zu riskieren. "Sie sind angewiesen, Kunden auf Regeln hinzuweisen. Sie sind aber nicht für die Einhaltung der Maßnahmen verantwortlich."

Manche Österreicher hätten es bis heute nicht verstanden, dass Corona kein individuelles Problem sei, sondern ein gemeinschaftliches, sinniert Thomas Saliger, Sprecher des Möbelhändlers Lutz. Als Teil der Gemeinschaft gehöre für diese auch etwas geleistet, "doch anscheinend haben das einige verlernt".

Einsicht überwiegt

Das Gros der Kunden sei aber einsichtig, zieht Saliger mit Blick in die Filialen des Konzerns Bilanz. Treffe man in Ausnahmefällen dennoch auf Unbelehrbare, die sich über die Maskenpflicht beschweren, behalte es sich sein Unternehmen vor, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. Und dieses sehe das Tragen von Mundschutz vor.

Auch Ernst Mayr, Chef des Modehändlers Fussl, sieht die Maskendisziplin hierzulande überwiegen. Über etwaige Polizeieinsätze in seinen Filialen weiß er nichts zu berichten. Was die Impfbereitschaft der Mitarbeiter betrifft, sieht er sich dennoch vielerorts mit rationalen Argumenten gegen Mauern anrennen. Vor allem Jüngere seien zurückhaltend. Sie wählten lieber die FFP2-Maske oder regelmäßige und für die Volkswirtschaft teure Tests.

Spannend werde es, sollte die Regierung Tests letztlich tatsächlich kostenpflichtig machen, sagt er. Der Handel finde derzeit ja kaum Personal. "Was, wenn es die Mitarbeiter in Zeiten wie diesen zur Bedingung machen, dass der Arbeitgeber finanziell dafür aufkommt?" (Verena Kainrath, 1.10.2021)