O-N-R-B in großen Buchstaben, dahinter die Silhouette aus Festung Spielberg, Kathedrale St. Peter und Paul, Bürohochhäusern. Die Rückseite von Brno. Ein Plateau aus Betonplatten, ein Stück hinter dem Bahnhof. Architekt Michal Kristof steht auf dem Oberdeck des Busbahnhofs Zvonařka, den er mit seinem Büropartner Ondřej Chybik renoviert hat.

Ehrlich gesagt sieht man von dieser Veränderung auf dem Oberdeck nicht viel – früher reine Abstellfläche für Reisebusse, dürfen heute auch Normalbürger hier parken. Kein bahnbrechender Unterschied, sagt Kristof, aber eine kleine Verbesserung, denn jetzt kann man von hier erstmals das Stadtpanorama von Süden sehen. Sechs Meter tiefer tut sich schon mehr. Auch wenn man für dieses Vorher-Nachher-Bild das "Vorher" kennen muss.

Licht an! Ondřej Chybik und Michal Kristof verwandelten den heruntergekommenen Busbahnhof Zvonařka...
Foto: alex shoots buildings

Die Geschichte des Busbahnhofs Zvonařka ist eine Geschichte des Wartens. Sie beginnt mit dem Warten auf einen neuen Hauptbahnhof, das damals schon Jahrzehnte angedauert hatte. Der 1839 eröffnete Brno hlavní nádraží ist zwar nahe an der Altstadt, aber dementsprechend beengt. In den 1970er-Jahren gab es wieder einmal Pläne, Bahnhof und Stadtzentrum nach Süden zu verschieben, also fing man in der ruinösen Gegend schon einmal mit einem Parkplatz für Reisebusse an.

Von 1981 bis 1985 bekam der Parkplatz sein ausladendes, rund 10.000 Quadratmeter großes Dach. Architekt Radúz Russ konzipierte es als filigrane Stahlkonstruktion, deren schlanken Stützen man kaum zutraut, die schweren Busse auf dem Oberdeck tragen zu können. Außen ist es kranzartig eingerahmt mit Betonelementen, eine Kombination, die wirkt, als trüge die kurz vor dem Durchbruch stehende Hightech-Architektur der 1980er-Jahre noch eine brutalistische Frisur aus den 1970er-Jahren, die sie eigentlich lieber abrasieren wollte. So statisch raffiniert war das Stabtragwerk, dass Ingenieure aus ganz Europa anreisten, um sich die Tricks abzuschauen.

Insel im Nichts

Wer hier ankam und abfuhr, waren vor allem Pendler aus den umliegenden Dörfern und Städten, die in der mährischen Industriemetropole arbeiteten, aber auch Fernreisende aus der Ukraine oder Bulgarien. Noch heute benutzen täglich 17.000 Passagiere die Zvonařka, 820 Verbindungen starten von hier.

"Ich bin jahrelang von hier nach Hause gefahren", sagt Michal Kristof, gebürtiger Slowake. "Immer ein besonderes Erlebnis." Aber kein schönes. Denn der neue Hauptbahnhof kam nie, und der Busbahnhof blieb eine Insel in einem unwirtlichen Nichts. Für Passagiere ein mühsamer Hürdenlauf: Hatte man die vierspurige Straße überwunden und die Fastfood-Pavillons umrundet, die die Busbahnsteige bald umwucherten, musste auf dem Weg zum Ticketschalter auch noch der ganze Busbahnhof durchquert werden. Dessen orange-blaues Stahlgerüst war schwarz geworden, die Halle in ewige Finsternis getaucht. "In den 1990er-Jahren galt Zvonařka als der dunkelste Ort der Republik", sagt Michal Kristof, "und wurde mehrmals zum hässlichsten Ort in Brno gewählt."

...mit wenigen, aber gezielten Eingriffen in eine einladende Halle.
Foto: alex shoots buildings

An diesem Punkt der Geschichte kommen Chybik und Kristof ins Spiel. 2010 hatten sie ihr Büro in Brno gegründet und sahen schnell, dass unter dem dunklen Dach etwas zu tun war. "Wir fragten bei der Stadt nach, was hier geplant war, die verwies uns an den Eigentümer."

Dieser hatte das Areal in den 1990er-Jahren gekauft, auf eine Stadtentwicklung spekulierend, die sich nicht eingestellt hatte. Eine weitere lange Episode des Wartens. Was bedeutete, dass der Eigentümer kein Geld hatte, um die heruntergekommene Halle zu modernisieren.

Andere Architekten hätten sich an dieser Stelle abgewandt, doch Chybik + Kristof nahmen die Finanzierung selbst in die Hand und sammelten Fördergelder, bis vier Millionen beisammen waren. Nicht viel, aber genug für erste Schritte. Die Hälfte des kleinen Budgets ging in die Reinigung des Stahltragwerks, das weiß lackiert wurde, um die Dunkelheit zu vertreiben. Die Pavillons an der Straße wurden beseitigt, jetzt sieht man den Busbahnhof, wenn man von der Stadt kommt.

Ein verglaster Bauteil mit Ticketschalter, Wartesaal und Café, dessen leuchtender Rahmen sich beidseits wie ein roter Teppich zu Boden schwingt, wurde stadtseitig unter das Dach geschoben.

Anstatt sich auf dem Weg zum Fahrschein zwischen Bussen und Abgasen durchzuschlängeln, wird man jetzt mit einer Willkommensgeste begrüßt. In der Halle selbst wurden die Bussteige verbreitert, die Beleuchtung verbessert, ein breiter barrierefreier Fußweg angelegt. Die alten Sitzbänke wurden gereinigt aber belassen, weil ihr Design so einfach wie effektiv war. "Da gab es nichts zu verbessern", sagt Kristof.

Der Zustand vorher.
Foto: alex shoots buildings

Die Diskussion über den Umgang mit Spätmoderne und Brutalismus ist seit Jahren im Gange, zahlreiche herausragende Bauten der Zeit wurden und werden immer noch demoliert. Vielleicht ist Brno anders, denn kaum eine europäische Stadt hat ein so gut gepflegtes Erbe aller Spielarten der Moderne. Sie gehört hier zur Identität, sagt Kristof. "Wenn Kinder ein Haus zeichnen, hat es meistens ein Satteldach. Kinder aus Brno zeichnen ein Flachdach." Auch das Vorurteil, dass Bauten aus dem Sozialismus weniger wert seien, ist für die junge Architektengeneration irrelevant. "Jeder Architekt versucht, das Beste aus der Zeit, in der er lebt, zu machen."

Neuer Hauptbahnhof

Zehn Jahre Planung, kleines Budget. Geld verdient man als Architekt damit nicht. Warum tut man sich das an? "Uns war es wichtig, den ersten Schritt zu setzen. Das ist vielleicht typisch für unsere Generation", sagt der Mittdreißiger. "Wir wollen nicht im Wartesaal sitzen bleiben, sondern jetzt etwas verbessern. Architektur ist permanenter Umbau. Man muss sich um Bausubstanz kümmern, sie pflegen und reparieren." Generation Ungeduld.

Was auf lange Sicht mit der Zvonařka passiert, weiß niemand, aber es sieht so aus, als ob sie nach 40 Jahren doch noch ins Zentrum des Geschehens rücken könnte. Denn im Juli wurde der Wettbewerb für den neuen Hauptbahnhof Brno entschieden, der nach 100 Jahren nun aber wirklich den alten ersetzen soll, an einem Standort direkt neben dem Busbahnhof. Der siegreiche Entwurf der Niederländer Benthem Crouwel und West 8 sieht über den Gleisen ein flaches filigranes Stahlgeflecht vor, das man fast als heimliche Hommage an Radúz Russ interpretieren kann. Eröffnet werden soll das 1,8-Milliarden-Euro-Projekt zwischen 2032 und 2035. Eine lange Wartezeit. Bis es so weit ist, wird die Generation Ungeduld schon längst viel weiter sein. (Maik Novotny, 03.10.2021)