Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher bleibt Magistra. Die FH hat für ihre Entscheidung eine Stellungnahme der Kommission der Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI) herangezogen

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Mehr als eine knappe Presseaussendung hat die Öffentlichkeit nicht, um sich ein Bild zur jüngsten Entscheidung in der Causa Aschbacher zu machen. Am Mittwoch gab die Fachhochschule Wiener Neustadt bekannt, dass die Ex-Arbeitsministerin ihren Magistertitel aus dem Jahr 2006 behalten darf. Es seien zwar Mängel bei der Einhaltung wissenschaftlicher Standards festgestellt worden, doch eine "bewusste und gezielte Täuschungsabsicht" sei nicht erkennbar. Die FH gründet die Entscheidung auf eine Stellungnahme der Kommission der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI), die sich wiederum auf externe Gutachten stützt. Stellungnahme samt Gutachten werde jedoch nicht publiziert, auch die Namen der Verfasser werden nicht preisgegeben. So sehen es die ÖAWI-Statuten auch vor.

Gutachten nicht einsehbar

Einziges österreichisches Mitglied der siebenköpfigen ÖAWI-Kommission ist der Wiener Jusprofessor Nikolaus Forgó. Er hält den vertraulichen Umgang mit den ehrenamtlich erstellten Gutachten für sinnvoll, wie er dem STANDARD sagt: "Es ist in der Wissenschaft – etwa beim Peer-Review – üblich, dass die begutachtete Person die Identität der Gutachter nicht kennt." Auch einer anonymisierten Publikation kann Forgó wenig abgewinnen: In prominenten Fällen würden die Gutachten sofort in das aufgeheizte Politklima hineingezogen, fürchtet er. Es sei etwa der sachlichen Auseinandersetzung nicht zuträglich, dass sich der türkise Generalsekretär Axel Melchior sofort bemüßigt sah, eine Entschuldigung der Opposition bei Aschbacher zu fordern, weil nach ÖVP-Darstellung "kein Plagiat" gefunden worden sei.

Tatsächlich ist die Sache komplizierter. Die ÖAWI musste zwei Fragen prüfen: Liegt ein Verstoß gegen die Standards guter wissenschaftlicher Praxis vor? Da die Plagiatssoftware bei Aschbacher offenbar ausschlug und den Verdacht erhärtete, konnte erst die zweite Frage ins Spiel kommen: Waren die Verstöße vorsätzlich, wissentlich oder zumindest grob fahrlässig? Um das zu beantworten, mussten die akademischen Usancen samt Zitierkonventionen an der betroffenen FH zum betreffenden Zeitpunkt herangezogen werden. Außerdem wurde Aschbacher selbst zu den Vorgängen befragt. Nur bei Bejahung der zweiten Frage hätte die ÖAWI ein wissenschaftliches Fehlverhalten festzustellen gehabt, was in der Folge zu einer Titelaberkennung hätte führen können. Dafür fanden sich für die ÖAWI aber eben nicht genügend Belege.

Bis 2020 lasche Rechtslage in Slowakei

Für weitaus mehr Kopfschütteln als Aschbachers Diplomarbeit hatte aber ohnehin ihre Dissertation an der TU Bratislava gesorgt, Stichwort Seepocken. Deren Untersuchung soll bis November abgeschlossen sein. Aufgrund der laschen slowakischen Rechtslage bei Abgabe der Arbeit 2020 dürfte unabhängig vom Ergebnis des Verfahrens keine Aberkennung des Doktortitels drohen. (Theo Anders, 1.10.2021)