Und sie bewegt sich doch. Der Druck von Verkehrsministerin Leonore Gewessler auf die drei Bundesländer in der Ostregion hat gewirkt. Wien, Niederösterreich und das Burgenland haben sich zusammengerauft und den Unterbau für das bundesweite Billigticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel aufgestellt. In Österreichs größter Pendlerregion wird es ab 26. Oktober regionale Netzkarten geben, die – zumindest aus preislicher Sicht – kaum mehr Ausreden zulassen, warum jemand nicht mit Bahn, Bus oder Bim fährt, sondern mit dem Pkw.

Gelohnt hat sich, das sollte bei allem Jubel nicht unter den Tisch fallen, auch die föderale Sturheit der Bundesländer. Denn das Ansinnen, mit einer Lösung aus einem Guss zu starten statt mit einem Fleckerlteppich, ist in der Region rund um die Bundeshauptstadt, in der immerhin mehr als die Hälfte aller Berufspendler in Österreich tagtäglich unterwegs sind, war keine übertriebene Forderung. Dass man das in topografisch einheitlicheren Gegenden bisweilen anders sieht, ist Teil der Verhandlungen. Klar ist: Ein Verkehrssystem für rund vier Millionen Menschen auf einer Fläche von etwas mehr als 20.000 Quadratkilometern hat andere Voraussetzungen als auf dichte Siedlungsgebiete mit überschaubaren Ausläufern beschränkte Länder wie Tirol oder Vorarlberg. Ideologische Argumente bringen diesbezüglich kaum Erfolg.

Der Druck der Verkehrsministerin Leonore Gewessler auf die Ostregion hat gewirkt.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Fleckerlteppich

Das scheint sich inzwischen auch im Klimaschutzministerium herumgesprochen zu haben. Auch dort wurde so manch naive Vorstellung über Bord geworfen. Herausgekommen ist dabei zwar nicht der Wahlkampfschlager 1-2-3-Ticket – um 365 Euro kann man nur in ausgewählten Bundesländern wie Vorarlberg oder Wien unterwegs sein, das Zweierticket für zwei Bundesländer um 730 Euro gibt es fast nirgends –, sondern ein Fleckerlteppich. Der ist zwar nicht annähernd so unübersichtlich wie die derzeitige Tarifstruktur. Von der Idee ein, zwei oder drei Euro pro Tag ist aber nicht viel übrig. Einzig das österreichweite Klimaticket folgt dieser Logik.

Jetzt muss der geneigte Steuerzahler hoffen, dass die allseits als großer Wurf bejubelte "Revolution im öffentlichen Verkehr" mehr als die bestehenden Öffi-Fahrer in Bahn und Bus befördert. Kann die Billignetzkarte diese Wirkung nicht entfalten, dann bleibt die öffentliche Hand auf den immensen Kosten sitzen. Die jährlichen Zuschüsse werden stetig steigen, bereits jetzt kostet das Klimaticket Millionen.

Zweifel am Erfolg sind angebracht, denn alle Umfragen der vergangenen Jahre kamen zum gleichen Ergebnis: Nur ein Fünftel der Befragten lässt sich von einer Preissenkung locken. Die Mehrheit sieht nur einen Anreiz, mit Öffis in die Arbeit zu fahren, wenn Verkehrsverbindungen verbessert, Intervalle und Fahrzeiten kürzer werden. Den größten Schub brachte in Wien die Verteuerung der Parkplätze: Dauerparken für Auswärtige geht ins Geld. Ohne weitere Maßnahmen wird der nun eingeführte Dumpingpreis kein Erfolg. Die Millionen, ja Milliarden sind dann allerdings längst versenkt. (Luise Ungerboeck, 30.9.2021)