Man stelle sich vor: Ein Abgeordneter der FPÖ reist dieser Tage nach Belarus. Er macht sich ein Bild von der politischen Lage, sucht Antworten auf Fragen, ob unter Staatschef Alexander Lukaschenko Wahlen gefälscht wurden, wie es generell um die Demokratie steht. Dazu trifft er sich nur mit Vertretern des Regimes. Seine Visite krönt er mit einem Auftritt im Staatsfernsehen, wo er festhält, dass in Belarus Stabilität und Ordnung herrschten.

Von der Opposition, von Bürgerrechtlern, die von Polizei, Geheimdiensten und Lukaschenko gefügigen Richtern verfolgt, gefoltert und zu langen Haftstrafen verurteilt werden, spricht er nicht. Stattdessen zweifelt er westliche Medienberichte an. Und stuft die von den EU-Mitgliedsstaaten gegen das Regime Lukaschenko verhängten Sanktionen als "Krieg" gegen Kritiker ein.

Würde ein FPÖ-Politiker das machen und der Vorfall bekannt werden, wäre in Österreich die Empörung bei Menschenrechtsorganisationen und verfassungstreuen Parteien groß. Zu Recht. Penetranter kann ein Politiker im Jahr 2021 nicht demonstrieren, dass er weit jenseits europäischer Werte und Normen steht. Forderungen nach einem Rücktritt des Politikers wären das Mindeste.

Werner Murgg ist seit Jahrzehnten Mitglied der KPÖ.
Foto: Youtube / ATN: Nowosti Belarusi i Mira

Tatsächlich hat eine solche Visite samt TV-Auftritt im August stattgefunden. Absolviert hat sie aber nicht jemand aus den Reihen der Freiheitlichen, die sonst gerne mit russischen Autokraten kuscheln, sondern ein Mitglied der steirischen KPÖ. Er heißt Werner Murgg, ist seit 2005 Landtagsabgeordneter, seit Jahrzehnten Mitglied seiner Landespartei, die ihren Namen auch 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion stolz weiterträgt.

Kurioses Überbleibsel

Sein Ausritt führte kaum zu Reaktionen. Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass die Kommunisten von vielen als kurioses Überbleibsel der Geschichte betrachtet werden, dass an sie ein anderes Maß angelegt wird als bei den Blauen, wenn sie ins Extreme abdriften.

Nach dem spektakulären Wahlsieg der Grazer KPÖ am Sonntag, die bei fast 30 Prozent Wählerzustimmung mit Elke Kahr die künftige Bürgermeisterin stellen darf, sollte sich das ändern. Es wird vor allem für die Grünen als Europapartei Zeit, sich genauer anzuschauen, was die KPÖ ist und wofür genau sie steht, bevor sie einen Regierungspakt eingehen. Der Skandalfall Murgg hat erstaunlich schnell gezeigt, dass die KPÖ-Spitze ein Glaubwürdigkeitsproblem hat.

Die Belarus-Reise wurde "als privat" runtergespielt, man sei überrascht. Das ist eine schwache Ausrede bei einem Parteifreund, den man seit Jahrzehnten gut kennt – und mit dem man schon im Jahr 1994 eine Kampagne gegen den Beitritt Österreichs zur EU fuhr mit dem Slogan: gegen den "EU-Anschluss".

Ein dubioses Verhältnis zu EU-Grundwerten sollte nicht weggewischt werden mit dem Hinweis, dass das alles in der Kommunalpolitik keine Rolle spiele. Die KPÖ ist für den EU-Austritt.

Kahr und Co argumentieren gerne damit, dass ihr Erfolg vor allem auf humanitäre und populäre Aktivitäten wie Nothilfen, vor allem für Grazer mit Wohnungsproblemen, aufbaue. Das ist richtig und ringt einem – nicht nur wegen des freiwilligen Gehaltsverzichts der KPÖ-Politiker – Respekt ab. Aber letztlich ist das Sozialarbeit nach dem Vorbild der Caritas. Jenseits der städtischen Sozialfonds Geld an Bürger zu verschenken ist letztlich Populismus und ersetzt nicht politisches Handeln. Marx hätte es Almosen genannt. (Thomas Mayer, 30.9.2021)