Sowohl Olaf Scholz (SPD) als auch Armin Laschet (CDU) wollen ins Kanzleramt einziehen. Beide müssen sich aber noch um die Grünen und die FDP bemühen.

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Ob ein solcher Coup Grünen und FDP noch einmal gelingen kann? Als deren Spitzenpersonal am Dienstagabend zum ersten Mal sondierte, waren keine Medienvertreter dabei. Es gab danach von Annalena Baerbock, Robert Habeck, Christian Linder und Volker Wissing nur ein Selfie, das bereits Kultstatus erlangt hat.

Doch das war nur der Auftakt im kleinen Kreis. Nun nimmt das Drehbuch für Sondierungen im größeren Kreis Gestalt an. Ab Freitag sind bei den Grünen zehn Vertreter am Verhandeln. Neben Partei- und Fraktionsspitzen sind auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die bisherige Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth im Team.

Von der SPD werden sie schon umworben. "Wir wollen eine Koalition auf Augenhöhe, alle sind gleich viel wert, und das wird sich natürlich in den Koalitionsgesprächen abbilden ", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider.

"Die Menschen wollen Olaf Scholz als Kanzler und eine stabile Regierung, die Digitalisierung und Klimaschutz anpackt", betont SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

SPD hat keinen Plan B

Die neue Regierung müsse auch die Interessen der Jungen vertreten. "Die wollen eher Ampel als Jamaika", so Klingbeil. Er sagt auch: "Wir haben keinen Plan B." Man ist in der SPD offensichtlich recht zuversichtlich, dass am Ende des Verhandlungsmarathons ein Ampelbündnis aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP herauskommt.

Dazu trägt auch ein Interview bei, das, das die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Funke-Mediengruppe gegeben hat. "Ich sehe im Moment nicht, dass man die Union für sondierungsfähig halten könnte, geschweige denn für regierungsfähig", sagte sie. Und: "Der ganze Laden ist offensichtlich null vorbereitet auf die Zeit nach Merkel." Dort müsse "jetzt erst mal für Ordnung gesorgt werden".

Allerdings, so ihr Co-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter, sei es nicht Aufgabe der Grünen, "sich um die Machtverhältnisse in der Union zu kümmern". Von CDU-Chef Armin Laschet hat man seit Montag übrigens nichts mehr offiziell gehört.

Zu vernehmen ist, dass Union und FDP Schwierigkeiten hatten, einen Termin zu finden. Zwar gab es den Wunsch, dass Schwarze und Liberale noch zusammenkommen, bevor die FDP mit der SPD spricht. Damit wollte man schon einmal ein Zeichen Richtung Jamaika setzen. Doch CSU-Chef Markus Söder muss am Freitagabend zum Festakt für den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU). Der feiert seinen Achtziger. Und am Samstag sind bei der CSU Regionalkonferenzen zur Aufarbeitung der Wahlmisere geplant.

Also trifft sich die SPD nun am Sonntag hintereinander mit FDP und Grünen. Am Abend wechselt die FDP dann zur Union. Grüne und CDU/CSU reden am Dienstag.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak versuchte am Donnerstag in Berlin dem Eindruck entgegenzutreten, als schlage das Pendel schon deutlich Richtung Ampel. Er sieht die Union nach wie vor gleichberechtigt im Rennen: "Wir haben ein Angebot. Die anderen haben auch ein Angebot." Mit "den anderen" meint er die SPD.

Keine Einstimmigkeit

Das CDU-Präsidium hat sich zwar mehrheitlich, aber nicht einstimmig für die Aufnahme von Jamaika-Sondierungen ausgesprochen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer findet, man solle erst Wahlsieger Scholz die Bühne überlassen.

Während sich die Parteien für Sondierungen rüsten, formieren sich im neuen Bundestag die Fraktionen. Aufregung gab es gleich einmal bei der AfD, die bei der Wahl nicht mehr so stark abschnitt wie 2017. Damals hatte sie 12,6 Prozent erhalten, jetzt kam sie auf 10,3 Prozent.

Es gab heftige Diskussionen über den neuen Abgeordneten Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen. Der hatte sich als "freundliches Gesicht des NS" bezeichnet. Bei der ersten Sitzung im Bundestag erklärte er dann, nicht der AfD-Fraktion angehören zu wollen.
(Birgit Baumann aus Berlin, 30.9.2021)