Ich habe jetzt einen neuen Komposthaufen. Drei Kubikmeter groß. Das war nicht meine Idee. Obwohl, nach meiner aktiven Rennfahrerunkarriere hätte ich eigentlich noch wissen müssen, dass Hubraum durch nichts zu ersetzen ist. Das gilt anscheinend auch beim Komposthaufen. Je größer das Volumen ist, in dem der Arbeitstakt passiert, umso effizienter rennt das Werkl. Doch es war ein langer Weg, um zu diesem Schluss zu kommen.

Uschi Zezelitsch und Rauno Aaltonen. Weil Sie die Bildunterschrift nicht gleich verstehen können, müssen Sie sich leider durch den ganzen Text quälen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Wildes Paradies

Darum lassen Sie mich von vorn anfangen. Zumindest vor sechs Jahren, als wir ein Grundstück im Burgenland kauften. Darauf war nicht nur für uns was zum Wohnen, sondern auch ein herrlicher Garten mit vielen alten Bäumen, Sträuchern und zum Teil auch dem, was sich einfach von selbst angesiedelt hat. Ein wildes Paradies, wenn man so möchte. Wir waren vom ersten Augenblick an verzaubert. Doch die Ernüchterung folgte bald.

Auf einer Seite des Grundstücks mussten wir alle Bäume fällen. Riesige, alte Schönheiten. Aber sie warfen Schatten auf das Nachbargrundstück. Und wie das auf dem Land so ist – vorm Zsammraufen kommt einmal das Raufen. In dem Fall hat man dem Zuagroasten einmal gezeigt, wie das hier auf dem Land läuft und wer das Reden hat. Und wenn dafür 60 Jahre alte Bäume fallen müssen, dann ist das halt so. Aber so leicht lassen wir uns dann doch nicht unterkriegen.

Der kleine Zoo im Garten

Inzwischen wächst dort, wo die Bäume waren, eine zaunhohe Hecke, in der sich Igel, Eidaxln, Vögel und Insekten wohlfühlen. Wir haben überhaupt viele Viecher. Fledermäuse, zig Vogelarten, von Meiserln bis zu Kleibern, von Buntspechten bis zu Rotkehlchen, Eichhörnchen, Ameisen, Wildbienen, Wespen – ja auch die Wespen dürfen bei uns brüten. Dafür haben wir keine Gelsen, die dürften die Vespas mit den Batmännern gemeinsam so dezimieren, dass ich heuer im Sommer überhaupt nur zwei Plageflieger gesehen hab. Tja, und Schnecken haben wir auch. Jede Menge. Und da kommt der Punkt, wo ich mich frage, ob dieser wilde Garten nun ein Segen für die Natur ist, oder ob ich einfach nur ein fauler Hund bin. Um die Frage zu klären, hab ich mir professionelle Hilfe geholt.

Der Rote Ahorn und der Apfelbaum heißen ab nun Mikko Hirvonen und Jari-Matti Latvala. Uschi kennen Sie ja schon.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Uschi Zezelitsch – Sie kennen sie vermutlich aus dem Fernsehen – sie hat auf ORF-Burgenland ihre eigene Gartensendung hat, oder ist oft an der Seite von Karl Ploberger zu sehen – wohnt ja nicht allzu weit von mir weg und kennt sich mit allem, was mit Garten zu tun hat, perfekt aus, also hab ich sie gebeten, mit mir eine Gartenrunde zu machen und ein gerechtes Urteil zu fällen. Die Entscheidung war gar nicht so leicht, wie das vielleicht im ersten Moment klingen mag. Denn wer lädt sich schon eine Expertin ein, damit die einen dann als Taugenichts beschimpft. Aber da muss ich durch. Und der erste Eindruck, den der Garten machte, war anscheinend gar nicht so schlecht.

Rasen statt Wiese

Schon nach wenigen Schritten hockerlte sich Uschi nieder, nahm eine Blüte in die Hand, sagte deren Namen und welche Viecher damit die größte Freude haben. Ich glaube, es waren Schmetterlinge und Wildbienen. Keine Ahnung, wie der Buschgawedl selbst hieß. Ich glaub, es war eine Königskerze. "Schön, dass ihr eine Wiese und keinen Rasen habt", meinte sie. Das nahm ich ihr wohlwollend ab, erklärte aber nicht, dass wir ursprünglich sogar daran dachten, einen schönen Rasen zu wollen. Aber die Wiese war recht selbstbewusst und hat sich von den paar Grassamen, die wir gesät haben, nicht unterkriegen lassen. Dann aber gleich die erste Rüge von der Uschi.

"Ein bisserl länger könntest du die Wiese schon stehen lassen", meinte sie. Himmel, ich hab erst gestern ihretwegen gemäht. Sie hätte alles vorgestern sehen sollen, denk ich mir und freue mich, ab nun weniger oft mähen zu müssen. Ich mähe übrigens mit einem elektrischen Rasenmäher. Den Benziner, der beim Hauskauf schon im Schuppen stand, die stinkende Lärmmaschine, habe ich verschenkt. Der nervt inzwischen andere Nachbarn als meine. Und ein Mähroboter kam nie infrage – sonst hätten wir keine Igel. Zumindest nicht im Ganzen. Weil die sich bei Gefahr zusammenrollen, statt wegzulaufen, werden jedes Jahr eine Vielzahl von Igeln schwerst verletzt und getötet. Darum haben wir auch den Laubhaufen. Nein, der ist ganz bestimmt nicht deswegen, weil ich zu faul bin, jedes Jahr im Herbst die alten Blätter wegzubringen.

Blätter und Grünschnitt fällt bei uns jede Menge an. Nicht immer entsorge ich sie gleich, sondern häufe sie in einem Winkel des Gartens auf.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Igelhotel ****+

Die Uschi hält es sogar für die bessere Idee, das Laub so zu sammeln. "So ein Laubhaufen bietet ja nicht nur Igeln einen schönen Unterschlupf. Auch viele Insekten fühlen sich darin wohl. Und der Totholzstapel gleich daneben ist ein weiteres Paradies für Wildtiere." Ja, mein Totholzstapel. Asteln, die ich noch nicht weggeführt habe, nannte ich ihn bislang. Heißt er nun eben anders. Noch zwei Schritte weiter findet Uschi dann aber etwas, was gar nicht in einen Naturgarten gehört.

Zwischen einem noch ganz jungen Nussbaum und von selbst aufgegangenem Flieder steht ein alter Flügel, schon ziemlich verwittert. Nachdem der nicht mehr zu stimmen war, mussten wir ein neues Klavier kaufen und stellten das alte als Dekoelement in den Garten. Und während ich das so erzähle, sitzt die Uschi auch schon drauf und erzählt von ihrer Band Serafina. Übrigens, wie ich inzwischen weiß, sollte man sich ihre Auftritte nicht entgehen lassen. Die Frau Zezelitsch ist ein Multitalent, das glaubt man nicht. Als sie den Kopf hebt, glaubt aber sie was nicht.

Ein ungewöhnliches Sitzbankerl haben wir auch im Garten.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

"Du weißt, dass der Baum da tot ist?", fragt sie und zeigt auf einen mehrere Meter hohen Stamm, von dem noch zwei dicke Äste weggehen. Ja, stimmt. Aber in den Ästen sind Löcher, und dort nisten manchmal die Meiserln drinnen. Darum steht er noch. "Dort könnten auch die Fledermäuse ihr Quartier aufgeschlagen haben", sagt sie. Gut möglich. Raufgeklettert bin ich nie – ich will die Tiere, so welche drin sind, ja nicht stören. Was mich aber stört, das ist die Feige.

Licht und Schatten

Sie ist zwar wunderschön, an die sieben Meter hoch, und nimmt inzwischen einen riesigen Teil des Gartens ein. Und nicht nur das, sie nimmt einem ganzen Teil des Hauses das Licht. Das ist jetzt nicht so dramatisch, wie es sich anhört, denn im Sommer ist der Schatten eh ganz gut, und im Winter sind ja keine Blätter drauf. Weil die Feige aber eine WG mit einer Eibe gebildet hat, gibt es auch im Winter kein Licht in der Küche und dem Speisezimmer. "Die Eibe kannst im Grunde immer zurückschneiden", erklärt mir dir Uschi, "aber in dem Fall würde ich es im Frühjahr machen. Weil die Äste der Feige und der Eibe ineinander verschlungen sind, würde die Feige ohne die Eibe wohl nicht mehr stehen bleiben – und die Feige ist extrem sensibel, die verträgt den Schnitt nur im Frühjahr." Nach dem Schnitt dauert es wohl wieder zwei Jahre, bis sie wieder schöne Früchte trägt. Und auf einmal war die Uschi weg, ist rübergelaufen zum Gestrüpp und macht was? Seh ich richtig?

Uschi und Brennnesseln – eine erstaunlich liebevolle Beziehung.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Sie streichelt Brennnesseln. Zärtlich und begeistert. "Brennnesseln sind die besten Futterpflanzen für Schmetterlingsraupen. Die schönsten Tagfalter haben sie zum Fressen gern. Ich auch. Am liebsten als Pesto und die gerösteten Samen auf einem Butterbrot", sagt Uschi. Wir haben zwar ein Pesto schon angedacht, sie aber stehen gelassen – und wir haben recht viele im Garten –, weil wir gehört haben, dass Schmetterlinge sie gernhaben. Während der Schmetterlingsflieder, wie die Uschi erklärt, eher ein Reinfall ist. "Der heißt zwar so, ist aber in Wirklichkeit ein Blender. Erstens ernährt er nur eine verschwindend kleine Anzahl an Schmetterlingen, und außerdem ist er unausstehlich invasiv."

Versteckenspielen in der Feige.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Langsam zum Punkt ...

Ich könnte Ihnen jetzt noch stundenlang von diesem Nachmittag erzählen. Uschi hat mir erklärt, wie ich den Lavendel schneiden muss, damit er nicht so zerrupft ausschaut und nächstes Jahr wieder schön austreibt, nämlich einmal nach der Blüte Ende August und ein zweites Mal nach den Frösten im Frühling. Oder wie wir uns darauf geeinigt haben, den diversen Pflanzen die Namen finnischer Rallyefahrer zu geben, weil die Uschi ganz andere Bezeichnungen für die Bäume hat, die ich mir nicht merken kann, und sie mein "der da" und "der dort" nicht ausreichend präzise fand. Oder wie sie mir ans Herz legte, die vielen Eiben, von denen es jedes Jahr mehr gibt, vielleicht doch ein wenig zu dezimieren, unter anderem, weil die ja giftig sind. Oder vom Stefan Zwickl und seinem Steppenduft – von dem ich hier eh schon erzählte. Oder den Ponzichtern – von denen ich demnächst erzählen werde. Oder von den Wortspielen, in denen wir uns verloren haben. Die erspar ich Ihnen erst einmal. Ich erzähle Ihnen stattdessen lieber von dem fast verzweifelten Gesicht, das sie machte, als sie meinen Komposthaufen sah.

Der ist nämlich ein hässlicher, kleiner Plastikgupf aus dem Baumarkt, rundherum zu, versteckt im letzten Winkel des Gartens. Nein, um genau zu sein, er war. "Sag nicht, du führst deinen Grünschnitt immer weg!" Was mit viel Wohlwollen noch als Frage – eine rhetorische zwar, aber dennoch – durchgehen mag, war im tiefsten Inneren ihres Herzens wirklich ein Befehl. "Ich hab gesehen, du hast einen Häcksler. Benutz lieber den als den Anhänger!" Der kleine Knatsch ist inzwischen ausgestanden. Ich hab mir vergangene Woche aus Holzlatten einen riesigen Komposthaufen gemacht und ihn auch schon stolz der Uschi gezeigt. "Jetzt bist du ein Goldgräber", hat sie mich geadelt, weil der Kompost des Gärtners Gold sei. Na ja, wenn weniger Rasen mähen, nie mehr wieder Grünschnitt auf den Bauhof führen und stattdessen mit einem Glasl Wein auf der Terrasse sitzen und der Natur beim Wildern zuschauen ab nun meine Freizeitbeschäftigung ist, dann bin ich ab jetzt halt Gärtner. (Guido Gluschitsch, 3.10.2021)