Lars Eidinger (im Spiegel) mordet im Kieler Tatort "Borowski und der gute Mensch" wieder. Kommissar Borowski (Axel Milberg) kommt ziemlich in die Bredouille und macht beim Ermitteln schwere Fehler.

Foto: NDR/Thorsten Jander

Der Serienmörder Kai Korthals ist zurück. Am Sonntag spielt Lars Eidinger zum dritten Mal im Kieler "Tatort" den verstörenden Paketboten, der in die Wohnungen von Frauen eindringt und Kommissar "Borowski" erneut das Fürchten lehrt.

STANDARD: War für die Jagd auf Kai Korthals von Anfang an eine Trilogie geplant?

Milberg: Es war keineswegs geplant. Ich wurde aber irgendwann gefragt, ob ich mir vorstellen könne, noch einen dritten Teil zu machen. Meine Antwort: "Natürlich. Man muss schauen. Wenn das Drehbuch gut ist." Es ist ja schwierig, etwas Gelungenes und Erfolgreiches noch einmal zu toppen.

STANDARD: Man hat Sie offenbar überzeugt.

Milberg: Sascha Arango, der Autor und die Redaktion des NDR, wir alle dachten: Man darf die Geschichte von Kai Korthals nicht einfach wiederholen, seine Verbrechen fortsetzen, sondern muss ihm ein neues Ziel geben.

STANDARD: Der dritte Teil wird dann zum Duell zwischen Ihnen und dem Serienmörder.

Milberg: Da muten wir den Zusehern einiges zu. Die Polizei ist nicht die souveräne Ordnungsmacht, die die gefährdete Bevölkerung immer beschützen kann. Sondern das Böse da draußen ist schwer zu greifen und hochintelligent. Es weiß, wie die Polizei tickt, und entkommt immer wieder, geht sogar durch Wände. Es ist das, was wir uns in schlaflosen Nächten vorstellen.

STANDARD: Kennen Sie so etwas selbst?

Milberg: Ja, durchaus. Schlaflose Nächte kenne ich. Aber vor allem Zuseherinnen haben mir nach den ersten beiden Teilen gesagt: Das ist der Albtraum: Jemand kommt in meine Wohnung, hinterlässt Spuren, aber bleibt selber unsichtbar, ist nicht zu fassen. Kai Korthals benutzt ja etwa die Zahnbürsten in den Wohnungen, in die er einsteigt.

STANDARD: Ihr Kommissar Borowski lässt sich aus der Fassung bringen und wird unprofessionell.

Milberg: Normalerweise wissen erfahrene Ermittlerteams, wie man mit solchen Tätern umgeht – wie ein Arzt, der einen nicht heilbaren Patienten betreut. Der Hintergrund ähnelt sich oft, auch die psychische Störung: Es geht um Narzissmus, Macht, Missbrauch. Aber es gibt Serientäter, die eine persönliche Beziehung zu den Ermittlern aufbauen, die sie zur Strecke bringen. Der Täter will nach dem Gerichtsverfahren Freundschaft – also etwas, was Borowski nicht leisten kann und will.

STANDARD: Können Sie persönlich so etwas nachvollziehen?

Milberg: Ja. Aber ich kann nur schwer nachvollziehen, dass Intensivtäter Fans haben und Liebesbriefe ins Gefängnis bekommen, wie das ja auch in unserem "Tatort" vorkommt. Das ist schrecklich und unvorstellbar.

STANDARD: Für viele ist unvorstellbar, was Kommissar Borowski alles mit sich anstellen lässt von diesem Kai Korthals. Er wird sogar wie die Hexe in den Ofen gesteckt.

Milberg: Borowski will, dass dieser Mann seine Schuld anerkennt und sich selbst der Justiz stellt. Er will das in dessen Kopf reinzwingen und nimmt dafür manches in Kauf.

STANDARD: Der Fall am Sonntag ist Ihr 37. Borowski hat sich im Lauf der Zeit entwickelt und ist nicht mehr ganz so skurril. Freut Sie das persönlich?

Milberg: Uns geht es gut. Und es steht ja jeder Kieler "Tatort" für sich. Dadurch verbraucht sich der Charakter nicht, es kommt keine Routine auf. Wir kämpfen immer um Qualität. Und es stimmt: Der soziopathische Einzelgänger Borowski ist teamfähiger, freundlich und heller geworden. Es steht jetzt mehr der Fall selbst im Mittelpunkt, die Figur ist nicht mehr das Hauptspektakel. Das finde ich gut.

STANDARD: Welcher Ihrer Fälle ging Ihnen persönlich nahe?

Milberg: In einem Fall spielte Katharina Wackernagel eine verzweifelte und verstummte Mutter, die ihre Tochter verloren hatte. Da setzte ich mich mit feuchten Augen neben sie auf den Teppich. Die Drehbücher erzählen die Opfer und die Angehörigen aus der Nähe, aber auch die Täter. Mich interessieren, wie sie ticken und sich vorbereiten.

STANDARD: Gibt es zwischen Ihnen und Borowski Gemeinsamkeiten?

Milberg: Wie er finde ich, dass man reich belohnt wird, wenn man nicht immer gleich ein Urteil fällt, sondern erst mal zuhört.

STANDARD: Sie melden sich aber privat nicht mit "Ich höre" am Handy?

Milberg: Nein. Ich habe immer Wert darauf gelegt, dass Borowski und ich uns unterscheiden. Im Gegensatz zu ihm bin ich nicht einsilbig oder streng. Und ich wäre auch nicht bereit – wie Borowski –, wegen des Berufs auf Privatleben zu verzichten.

STANDARD: Wünschen Sie Borowski einmal eine schöne Beziehung?

Milberg: Ich würde es ihm von Herzen gönnen. Aber es ist der Dramaturgie geschuldet. In dem Moment, in dem eine Beziehung glücklich ist, ist sie nicht mehr erzählbar. Wären Romeo und Julia zusammengekommen, hätte es keinen weiter interessiert. (Birgit Baumann, 1.10.2021)