Fans lieben das Remake von "Diablo 2" – für Newcomer gibt es aber bessere Alternativen.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Es gibt wenige popkulturelle Franchises, die den Namen "Kult" wirklich verdienen – eines von ihnen ist die im Jahr 1997 gestartete Diablo-Spielereihe, in der es um das Erlegen diverser Dämonen und das anschließende Einsammeln mehr oder weniger kultischer Gegenstände geht. Die verschiedenen Teile der Reihe verkauften sich bis 2012 knapp 25 Millionen Mal, Fans verbrachten zig, wenn nicht gar hunderte Stunden ihres Lebens mit dem Abschlachten von Monstern in finsteren Gewölben. Es wurden Comics, Romane und Actionfiguren rund um Diablo veröffentlicht.

Nun ist mit Diablo 2: Resurrected der im Sommer 2000 erschienene zweite Teil der Reihe neu aufgelegt worden. Vor allem PC-Spieler fühlen sich an die guten alten Zeiten erinnert und sind entzückt – doch taugt das Remaster auch, wenn man auf der Konsole spielt und vor 20 Jahren mit dem Teufel recht wenig am Hut hatte? Dies hat DER STANDARD versucht, im Test herauszufinden.

Was bisher geschah

Doch bevor wir in medias res gehen, hier eine kleine Geschichtsstunde. Wie eingangs erwähnt startete das Franchise im Jahr 1997 mit dem ersten Teil, der sich innerhalb eines Jahres eine Million Mal verkaufte. Dies wurde vom im Jahr 2000 veröffentlichten Nachfolger übertroffen, der sich allein im ersten Monat zwei Millionen Mal verkaufte.

Das Gameplay des ersten Teils ...
World of Longplays

Mit den Arbeiten am dritten Teil wurde bereits 2001 begonnen, wenige Jahre später verließen aber einige wichtige Schlüsselfiguten – darunter Diablo-Erfinder David Brevik – das dahinterstehende Unternehmen Blizzard North. Blizzard schloss das Studio im August 2005, das Spiel kam nach Verzögerungen schließlich im Mai 2012 auf den Markt, die letzte Erweiterung dafür erschien 2017.

... und jenes von Teil 2.
FirstPlays HD

Buhrufe bei der "Immortal"-Vorstellung

Ansonsten gab es seitdem vorerst nur Ankündigungen. Darunter für den vierten Teil der Reihe, der 2019 vorgestellt wurde und entgegen ursprünglicher Pläne nicht mehr 2021 erscheinen wird. Und natürlich Diablo Immortal – im Gegensatz zu den anderen Spielen kein PC-, sondern ein Handyspiel, welches 2022 erscheinen soll. Wie reagieren PC-Gamer, wenn man ihr Lieblingsspiel in ein Getippse auf dem Handy-Screen verwandelt? Nicht sonderlich positiv, wie Blizzard bei der hauseigenen Messe Blizzcon 2018 feststellen musste: Man wollte Immortal groß ankündigen, doch der Schuss ging nach hinten los – das Management wurde auf der Bühne ausgebuht.

"Ist das ein verspäteter Aprilscherz?", fragt ein Fan.
Nexius

Für die Bewertung des Spiels per se ist es zwar weniger relevant, aber dennoch sollte an dieser Stelle zudem erwähnt werden, dass der Publisher Activision Blizzard Mitarbeiter kündigt und Niederlassungen in Europa schließt sowie sich in diesem Jahr mit Klagen wegen sexueller Übergriffe konfrontiert sah.

Kritiker sind wohlgesonnen

Während die Fans also auf den vierten Teil der PC-Spiele warten und sich vielleicht irgendwann doch noch zu einer Runde Immortal bewegen lassen, werden sie in der Zwischenzeit mit einem Remaster des erfolgreichen zweiten Teils beglückt, welches sich seit etwa einer Woche auf dem Markt befindet. Die Wertungen dazu sind äußerst positiv.

So erntet das Spiel auf der Metaplattform Opencritic.com von insgesamt 43 Kritikern 82 von 100 möglichen Punkten, 88 Prozent der hier gelisteten Kritiker empfehlen das Spiel. Ähnlich verhält es sich auf der Plattform Metacritic, wo man basierend auf 27 Kritiken 81 von 100 möglichen Punkten vergibt. Dem gegenüber steht allerdings die eher negative Wahrnehmung der User: Insgesamt 817 Bewertungen ergeben einen Score von 4,8 – der Höchstwert würde bei 10 liegen.

Lob wird von den Kritikern vor allem dafür ausgesprochen, dass das Spiel zwar aufgewertet, aber nicht grundlegend verändert wurde – dass also einige Dinge am ursprünglichen Gameplay beibehalten wurden. Herauszulesen ist an vielen Stellen, dass es sich bei den Autoren der Kritiken um Menschen handelt, die schon vor rund 20 Jahren viel Zeit mit dem Originalspiel verbracht hatten. Diese freuen sich, in die alte Welt zurückkehren zu können, indem sie sich einem düsteren Rollenspiel widmen, ohne neue Regeln erlernen zu müssen.

Tipp an Blizzard: Mein Controller hat zwei Sticks

Alles schön und gut. Doch wie fühlt sich das Spiel nun für jemand an, der Diablo zuvor nur daher kannte, dass er als Schüler seinen Kumpels beim Zocken über die Schulter schaute und der sich nun freut, Verpasstes auf einer neu erworbenen Playstation 5 nachzuholen? Schauen wir mal.

Man sagte mir damals, dass das Diablo-Gameplay hautsächlich daraus bestellt, durch aggressives Klicken auf den Maustasten Horden an Gegnern zu erlegen. Wie spiegelt sich dies also auf dem Controller meiner Next-Gen-Konsole wider? Hier die Antwort:

Das Controller-Layout für die Playstation 5.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Die wichtigste Taste im Spiel ist also die X-Taste. Über diese interagiere ich nicht nur mit Menschen und Objekten in der düsteren Welt – ich nutze sie auch, um auf meine Feinde einzudreschen. Und um Sachen einzusammeln. Diese Kombination kann durchaus nervtötend sein – aber mehr dazu später.

Weiters gibt es Tasten, mit denen man auf Objekten im Gürtel – etwa Zaubertränke – zugreift. Und sehr, sehr viele Tasten für diverse Sonderfertigkeiten, von denen man zu Beginn des Spiels aber kaum welche nutzen kann.

Vollkommen unerklärlich ist, wieso zwar der linke Joystick zum Bewegen genutzt wird, der zweite Joystick aber nicht. Das ist alles andere als zeitgemäß, denn immerhin ist es im Genre der "Twin Stick Shooter" Usus, dass man die beiden Sticks etwa nutzen kann, um in eine Richtung zu laufen und in eine andere Richtung zu schießen. Bei Diablo geht das nicht. In diesem epischen Abenteuer kann mein muskelbepackter Barbar seinen Oberkörper nicht drehen. Das führt dazu, dass er alles andere als ein beeindruckender Kämpfer ist, sondern eher an jemanden erinnert, dessen Bewegungsfähigkeit nach 50 Jahren Schreibtischarbeit und fünf Bandscheibenvorfällen nahe an der Invalidität liegt.

Oh, und ein Bug kommt auch noch mit: Laut Anleitung soll man L2 und das Touchpad drücken, um in den Legacy-Modus zu wechseln – also das Spiel so zu sehen, wie es im Original ausgeschaut hat. Das habe ich versucht. Mehrmals. In verschiedenen Teilen des Spiels. Aber es hat einfach nicht funktioniert. Teils zweifelte ich gar an mir selbst und war mir nicht sicher, ob ich nicht ohnehin schon die ganze Zeit in der alten Grafik spiele.

Deutlich in die Jahre gekommen

Wait ... what? Ja, Sie haben richtig gelesen. Denn es mag schon sein, dass die Grafik schöner ist als im Original – aber bahnbrechend ist sie wahrlich nicht. Da ist in den vergangenen 20 Jahren einfach mehr passiert. Das zeigt sich unter anderem in sich oft wiederholenden Texturen in den Wäldern und Dungeons. Ganz abgesehen davon, dass die Bewegungen der Figuren hölzern wirken. Und auch schönere Inventories habe ich in den vergangenen Jahren mehr als genug gesehen.

Das Intro und die ersten 1,5 Stunden meines Gameplays.
VoyageWizard

Aber okay, Aussehen ist nicht alles. Es kommt ja bei Spielen nicht selten mehr auf die Spielprinzipien als auf die Grafik an. Wie hält es sich also damit? Gute Frage! Denn Tutorials sucht man bei Diablo 2: Resurrected vergeblich – das Wissen um die verschiedenen Fähigkeiten, Waffen, Tränke, Rüstungen etc., etc. muss man sich schon mühsam selbst erarbeiten.

Archaische Navigation

Hat man diese Hürde endlich gemeistert, geht es mit Karacho auf zum ersten Quest – oder etwa doch nicht? Leider auch hier Fehlanzeige: Denn die Minimap, die einem eigentlich die Navigation erleichtern sollte, könnte unhandlicher nicht sein. So liegt sie transparent über dem Spielgeschehen und besteht großteils aus weißen Strichen. Logisch wäre, dass die besagten Striche Wände und andere nicht durchdringbare Barrieren darstellen. Aber das stimmt nicht. Manchmal gibt es dort auch Treppen. Die aber nicht oder zumindest nur schwer erkennbar eingezeichnet sind.

Laut Karte stehe ich vor einer Mauer. In Wahrheit ist dort eine Treppe.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Hinzu kommt, dass man bei Diablo 2: Resurrected oft nicht weiß, wo man eigentlich hin soll – auch das steht in starkem Kontrast zu dem, was bei modernen Computerspielen schlichtweg Standard ist. In irgendeiner Form wird dem Spieler angezeigt, wo er als Nächstes hin muss, damit er nicht sinnlos in der Gegend herumirrt.

Wenn Developer dies im Sinne der Authentizität nicht von Beginn an ermöglichen wollen, dann können sie dies zumindest optional für Leute wie mich ermöglichen: erwachsene Menschen, deren Freizeit zu rar ist, als dass sie diese mit der sinnlosen Suche nach dem nächsten Dungeon-Eingang verplempern wollen. Galant gelöst wurde dies etwa in The Elder Scrolls: Skyrim aus dem Jahr 2011. Hier muss zuerst ein Zauberspruch erlernt werden, bevor man den direktesten Weg zum Ziel angezeigt bekommt.

Mein Barbar ist ein Weichei

Erwähnte ich eben, dass ich erwachsen und deswegen in Spielen ungern meine Zeit mit Sinnlosigkeiten verplempere? Nun, hier hat das Spiel noch ein weiteres Schmankerl parat: ein absurd kleines Inventar. Mein Barbar ist ein regelrechtes Muskelpaket, doch er ist schon überfordert, wenn er ein paar Waffen, einen Schild und ein paar Tränke mit sich herumführt. Wer also viele Gegner erledigt und deren Besitz einsammelt, der muss alle paar Minuten zurück zum Händler spazieren, um die Beute zu verkaufen.

Bei der erwähnten Interaktion mit dem Händler und auch beim sonstigen Managen des Inventars wurde übrigens das UI einfach vom PC auf die Konsole portiert. Will heißen: Statt Objekte mit einem Controller-Tastendruck verkaufen zu können, werden sie mit dem Joystick per Drag&Drop zum Händler verschoben. So wie es am PC praktisch ist – aber auf der Konsole eben nicht.

Am PC ist das sicher total stimmig.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

An dieser Stelle sollte auch erwähnt werden, dass dem Barbar seine geringe Tragkraft nicht peinlich ist – sondern dass er dies jedes Mal kommentiert, wenn man über einem Objekt steht und die X-Taste drückt.

Jedes. Mal.

Das kann in Kämpfen mit mehreren Gegnern auch mal bedeuten, dass der Protagonist rund ein dutzend Mal seine eigene Unfähigkeit kommentiert, wenn er eigentlich gerade eine Gruppe aus Skeletten vermöbeln sollte. Ich hatte nachts Albträume von diesen Situationen.

Und trotzdem ...

Okay, und jetzt mal tief durchatmen. Genug geschimpft. Denn trotz all dieser Unannehmlichkeiten habe ich mich selbst dabei erwischt, dass ich die Konsole nachts doch nochmal aufgedreht habe, um eine Runde zu spielen. Das liegt vor allem an der Atmosphäre, die auch beim Remaster von zahlreichen Kritikern gelobt wurde.

Okay, ich gestehe: Das sieht nett aus.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

So wirken die Sprecher äußerst stimmig, der Soundtrack erinnert an seinen besten Stellen an die Instrumentalstücke von Metallicas berühmtem S&M-Album aus dem Jahr 1999. Und die düstere Atmosphäre des Diablo-Franchises ist schließlich in Summe ein unverkennbares Markenzeichen dieses Kulturphänomens, das inzwischen ein Vierteljahrhundert alt ist.

Fazit: Ein Fest für Fans

Vor allem dies dürfte ein Grund sein, warum viele Fans zum Remaster greifen werden – falls sie das nicht schon längst getan haben. Denn sie verstehen das Gameplay, sie kennen die Fehler und haben sie vermutlich schon vor 20 Jahren verziehen. Und so finden sie einen guten Weg, um eine kleine Zeitreise auf ihrer Konsole – oder vermutlich besser ihrem PC – anzutreten.

Newcomern hingegen ist das Spiel nicht zu empfehlen. Einfach, weil es in den 20 Jahren so viele andere Games gegeben hat, die dieses in jeder Hinsicht um Welten übertreffen. Und Konsolenbesitzer sollten ohnehin erwägen, lieber anderes zu spielen – oder auf den PC zu wechseln. (Stefan Mey, 3.10.2021)