Ich war lange der Meinung, dass Frittieren nichts für den Heimkoch ist. Zu schmutzig, zu stinkig fand ich die Arbeit, und außerdem schmerzte mich die Menge Öl zu sehr, die da für ein paar kleine Happen verheizt und dann, kaum benutzt, weggegossen wird. Zu allem Überfluss war ich mit dem Ergebnis der Fettorgie außerdem nie recht zufrieden.

Lockdown in Neapel hat mich bekehrt und ein wenig frittieren gelehrt. Ich mache mittlerweile regelmäßig zu Hause den Öltopf heiß. Das liegt gar nicht daran, dass Frittiertes hier ein so integraler Bestandteil der kulinarischen Kultur ist. Der Hauptgrund ist, dass es hier einfach zu viele zu verlockende Köstlichkeiten gibt, die frittiert noch einmal besser werden.

Frische Sardinen etwa werden auf keine andere Art so unwiderstehlich knusprig und saftig zugleich, süße kleine Shrimps können nach dem Ölbad problemlos samt ihrer geschmacksintensiven Schale und Kopf geknuspert werden. Bianchetti, winzige, gerade dem Eistadium entsprungene Fische, können mit etwas Ei und Mehl gemischt zu einer Art Fischkuchen gebacken werden, der an seinen thailändischen Verwandten erinnert, bloß mit einer anderen, etwas sandigen Konsistenz und kräftigem Fischgeschmack.

Shrimps, frittiert
Foto: Tobias Müller

Eine meiner liebsten, weil alltagstauglichsten Fritten aber sind Zeppoline con Alghe, kleine, frittierte Teigbällchen, die mit fein gehacktem hellgrünem Seegras (hier gern Herbe di Mare genannt) gewürzt werden. Sie machen nicht nur das herrliche Seegras genießbar, sondern verbinden auf wunderbar knusprig-elegante Weise zwei Dinge, die Neapel ganz wesentlich prägen: das Meer und den Teig. Die Algen verleihen dem Gebäck ein herrlich meerig-jodiges Aroma und einen Geschmack, der mich immer mehr an Asien denn an Europa erinnert (obwohl es natürlich auch hier eine Algen-Esskultur gibt). Sie sind in weniger als zehn aktiven Minuten zubereitet und süchtigmachend gut. In Neapel werden sie vor allem als Antipasto genossen.

Frittierte Sardinen
Foto: Tobias Müller

Algen sind selbstverständlich nicht das Einzige, was sich in die Teigbällchen mischen lässt. Das System Zeppoline, frittiertes Brot, funktioniert mit jeglicher Art von Aromatisierern: Pfefferoni, in feine Ringe geschnitten, fein gehackte Nüsse, in Streifen geschnittener Löwenzahn oder Brennnessel, Tee oder Gewürze, geriebener Käse oder fein gehackte Salami fallen mir spontan und ohne Nachdenken ein.

Sie müssen für Zeppoline nicht mal speziell einkaufen gehen; im Gegenteil sind Zeppoline doch perfekt geeignet, um alles Mögliche zu verwerten, was zwar gut schmeckt, aber weg muss. Das gilt natürlich nicht nur für die Füllung: Heimbäcker finden hier eine perfekte Möglichkeit, überschüssigen Sauerteig zu genießen, Brotteigreste zu verwerten, oder, warum nicht, seinen Brioche-Teig einmal von einer ganz neuen Seite kennenzulernen.

Zeppoline, einmal klassisch, einmal aus Pizzateig (die runderen)
Foto: Tobias Müller

Vorsicht ist nur bei sehr wässrigem Gemüse geboten: Wenn Sie, sagen wir, Zucchini oder Kürbis in den Teig mischen wollen, würde ich sie reiben, gut salzen, etwas stehen lassen, und dann ordentlich ausdrücken, bevor ich sie in den Teig mische.

In Neapel werden Zeppoline meist aus Teig gemacht, der irgendwo zwischen fest und flüssig angesiedelt ist, oder dem, was man auf Englisch als "dough" und "batter" beschreiben kann. Das Ergebnis ist außen zart knusprig und innen besonders luftig leicht. Es lassen sich aber auch festere Teige wunderbar zu (festeren) Zeppoline verarbeiten: Ich habe für diesen Blog zu Testzwecken Pizzateig mit Algen gemischt und frittiert, und es hat wunderbar geklappt.

Falls Sie doch an frisches Seegras kommen: Neapolitaner verwenden die hellgrüne, fast transparente Variante (siehe Foto) – jede andere Art Seegras, die sich mit Genuss kauen lässt, tut’s aber auch. Vor Jahren habe ich im großartigen Lucky Peach eine Seegrasgeschichte gelesen, seit der ich weiß, dass es zwar schlecht schmeckendes, aber kein giftiges Seegras gibt. Wer will, kann also hemmungslos experimentieren.

Frisches Seegras, zum Abtropfen aufgelegt
Foto: Tobias Müller

Zeppoline con Alghe (oder was auch immer Sie sonst zu Hause haben)

Vorweg ein paar Worte zum Frittieren. Ich finde Frittieren auf einem Gasherd leichter als auf einem E-Herd, weil mir das Regulieren der Temperatur leichter fällt. Auf meinem Herd messe ich keine Öltemperatur, sondern weiß, dass die kleinste Flamme, voll aufgedreht, meinen Frittiertopf konstant auf der richtigem Temperatur (Fußnote) hält – experimentieren Sie und lernen Ihren Herd ebenfalls kennen. Ansonsten ein paar Tipps, um das Frittieren so angenehm wie möglich zu gestalten:

– Frittieren Sie nicht für zu viele Personen. Ich rate von mehr als vier Gästen ab.

– Sparen Sie nicht am Öl, auch wenn Ihnen die Menge verschwenderisch vorkommt. Es kostet schließlich echt nicht die Welt. Es sollte den Topfboden mindestens zwei Finger hoch bedecken, drei bis vier Finger ist noch besser.

– Benutzen Sie daher lieber einen eher kleinen Topf und frittieren in mehreren Durchgängen – das hilft, die Ölmenge überschaubar zu halten. Für meinen Frittiertopf mit 16,5 cm Durchmesser ist ein halber Liter ausreichend – eine Menge, mit deren einmaliger Verwendung ich zu leben gelernt habe.

– Wenn Ihnen der Ölverbrauch so wie mir trotzdem ein bissel zuwider ist, servieren Sie gleich mehrere frittierte Speisen an einem Abend: sagen wir, Zeppoline zur Vorspeise und dann noch frittierte Sardinen und Shrimps, dann zahlt sich das Theater mehr aus. Dinge wie frittierten Knoblauch als Garnitur überlasse ich immer noch den Menschen mit Profiküche oder Fritteuse.

– Rütteln Sie den Topf samt Frittiergut während des Frittieren regelmäßig – das hilft, gleichmäßig zu frittieren, weil das Öl an unterschiedlichen Stellen im Topf unterschiedlich erhitzt wird und rund ums Frittiergut schneller abkühlt.

– Wenn Sie können, machen Sie die Fenster auf.

Im Topf
Foto: Tobias Müller

Das war’s. Zeit für die Zeppoline.

Ein guter Zeppoline-Teig ist weder fest noch flüssig, sondern irgendwas dazwischen. Eine gute Methode ist, Mehl und Wasser eins zu eins nach Volumen zu mischen (also eine Tasse Mehl auf eine Tasse Wasser), das Ganze gut durchzurühren und dann etwas Mehl nachzuschütten, bis der Teig eine zähflüssige, nicht mehr formbare, aber auch noch nicht davonrinnende Konsistenz hat. Für zwei Personen als Snack rechnen Sie etwa 50 g Mehl.

Jetzt mischen Sie die kleingeschnittenen Algen (oder was auch immer Sie benutzen), eine Prise Salz und ein wenig Hefe hinein (es gilt wie immer: so viel wie nötig, so wenig wie möglich; für zwei Personen reicht meiner Erfahrung nach eine kleine Ecke frischer Germ) und lassen das Ganze gären, bis es Blasen wirft, bei Zimmertemperatur mindestens zwei Stunden, noch besser im Kühlschrank über Nacht.

Foto: Tobias Müller

Erhitzen Sie ausreichend Öl in einem Topf, bis es bienenwabenartige Schlieren zeigt. Lassen Sie nun nach und nach je einen Löffel Teig hineingleiten, insgesamt nur so viel, wie gemütlich dümpelnd nebeneinander Platz hat. Die Zeppoline werden zunächst auf den Boden sinken, dann aber recht schnell an die Oberfläche steigen.

Frittieren Sie sie unter regelmäßigem Rütteln und eventuellem Wenden, bis sie eine appetitliche Farbe genommen haben. Lassen Sie sich und den Zeppoline ruhig ein bisschen Zeit, sonst riskieren Sie, dass Ihre Zeppoline innen noch teigig sind – kein schönes Ergebnis.

Heben Sie sie mit einem Schaumlöffel heraus, legen Sie sie auf Küchenpapier, salzen Sie gut und lassen Sie sie ein wenig abtropfen. Wenn Sie alles richtig gemacht haben, sollte nicht allzu viel Öl von ihnen ins Papier sickern.

Noch heiß, am besten mit gekühltem, leicht moussierendem Rotwein servieren.

Lunch mit Zeppoline
Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 3.10.2021)