Der Auftritt des steirischen KPÖ-Landtagsabgeordneten und Leobner Stadtrats Werner Murgg im belarussischen Staatsfernsehen ist indiskutabel. Dass mehre Parteien nun seinen Rücktritt fordern, ist nur verständlich. Distanzierung allein ist da nicht sehr glaubwürdig.

Es geht um ein Regime, das Menschenrechte mit Füßen tritt. Murggs Erklärungen, dass man mit Sanktionen nur die arme Bevölkerung dort treffe, überzeugen heute genauso wenig wie im Juni, als Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) meinte, man wolle "nicht die Menschen in Weißrussland, in Belarus bestrafen", als es um Wirtschaftssanktionen der EU und das Engagement der Raiffeisenbank ebendort ging.

Mit demokratiefeindlichen Regimen sollte man keine gemeinsame Sache machen. Ein öffentlicher Aufschrei ist daher notwendig und erfreulich. Noch erfreulicher wäre es aber, wenn tatsächlich Menschenrechte und "europäische Werte" der Grund dafür wären.

Doch der schnöde Mammon und Macht sind bei den allermeisten Angriffen auf die KPÖ derzeit die politische Triebfeder.

Die wahren Gründe

Die ÖVP Graz etwa hat einst ihr Arbeitsübereinkommen mit der KPÖ in der Stadtregierung nicht aufgekündigt, weil die Partei eine umstrittene Haltung zum Brexit hatte oder den falschen Namen trug. Die KPÖ wollte bei Privatisierungen nicht mitmachen und lehnte Siegfried Nagls Murkraftwerk ebenso ab wie die Grünen. Übrig blieb also eine Stadt-FPÖ mit engen Verknüpfungen mit den Identitären, Rechtsextremisten und EU-feindlichen Ansichten. Alles kein Problem.

Im Bund ging Sebastian Kurz im selben Jahr eine Koalition mit der FPÖ ein, nachdem längst bekannt war, dass Granden der Partei dem Diktatur Ramsan Kadyrow den Hof machten und mit Wladimir Putin schon vor einer Hochzeit in der Südsteiermark kooperierten.

Die Bündnisse Schwarz-Blau in Graz und Türkis-Blau im Bund wurden übrigens beide 2017 geschmiedet. Das war das Jahr, als die ÖVP in ihrem Klubraum im Parlament das Bild des Austrofaschisten Engelbert Dollfuß von der Wand nahm. Es hätte im Container am Heldenplatz sowieso keinen Platz gehabt.

Das politische Framing der KPÖ als rote Diktatur hat natürlich durch Murggs Äußerungen zusätzliches Futter bekommen. Weniger gern thematisiert der politische Mitbewerber hingegen die Sozial- und Verkehrspolitik der KPÖ. Die Ergebnisse der Wahl in Graz dürften einigen ÖVP-nahen Investoren und Anlegern vermutlich unruhigere Nächte beschert haben – und das eher nicht aus Sorge ums Gemeinwohl.

Auf dünnem Eis

Die Grünen hatten in Sachen Menschenrechte immer eine glaubwürdige Position, da sie sich seit Jahrzehnten für ebendiese auf allen Ebenen engagierten. Seit sie mit Sebastian Kurz in einer Koalition sind, bewegen aber auch sie sich auf etwas dünnerem Eis.

Vielleicht könnte der Problemgenosse Murgg ein Anstoß sein, wieder offensiver und ehrlicher Menschenrechte einzufordern. Nicht nur dort, wo es opportun ist. (Colette M. Schmidt, 1.10.2021)