Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher.

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In diesen schweren Zeiten ist man für jede gute Nachricht dankbar. Und da ist sie. Ex-Arbeitsministerin Aschbacher ist keine "Titel-Schummlerin", konnte Donnerstag die "Kronen Zeitung" aufatmen. Der umstrittene Plagiats-Jäger Stefan Weber hat sich offenbar völlig verschaut, als er frech Abgeschriebenes erkennen wollte, wo die ÖVP-Politikerin doch klargestellt hatte, sie habe "nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben", sei dafür mit einem "Sehr gut" beurteilt worden. Voreilig legte Frau Aschbacher wegen einer solchen Lappalie ihr Amt nieder. Erst jetzt, wo ein wenig Gras über die Angelegenheit gewachsen ist, ist das erste externe Gutachten von der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität da. Die zeigte dem Herrn Weber, was wissenschaftliche Integrität ist. Die Experten waschen die Ex-Arbeitsministerin von den Vorwürfen rein! Bei dem Werk handelt es sich um kein Plagiat. Damit kann Aschbacher den Magistertitel behalten, und an dem "Sehr gut" ist nicht zu rütteln.

Es wäre nur gerecht, kehrte sie als Ministerin an die Arbeit zurück, aber offen ist freilich noch das Gutachten der Uni Bratislava, was den Doktor angeht. Bei dieser wissenschaftlichen Arbeit hatte auch der Satz "Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes, sie verlangsamen uns" für Wirbel gesorgt. Obwohl an dessen Wissenschaftlichkeit nicht zu zweifeln ist, ist eine Rückkehr in die Politik definitiv ausgeschlossen.

Diesen Verlust hat die Politik Stefan Weber zu verdanken. Er ist umso größer, als der "Kurier" an dem "Sehr gut" insofern kratzte, indem er ausführlicher aus dem Gutachten der "Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität" zitierte. Diese hat "unter Berücksichtigung aller damaligen Rahmenbedingungen zwar Mängel bei der Einhaltung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis festgestellt, aber – und darauf kommt es letztlich an – "eine bewusste und gezielte Täuschungsabsicht wurde jedoch nicht nachgewiesen. Es spricht für die Agentur, dass sie tief genug in das Bewusstsein einer Studierenden hineinschauen kann, um zu erkennen, dass es in einer wissenschaftlichen Arbeit mit "Sehr gut" auf ein paar Mängel nicht ankommt, wenn die Reinheit des Herzens gewahrt ist. Das ist es, was Stefan Weber nicht verstehen will.

Das Grazer Wahlergebnis hat einiges aufgewühlt, nicht zuletzt in der seit längerem völlig unaufgewühlten SPÖ. Bei Fellner Live wollte der legendäre SPÖ-Ex-Finanzminister Hannes Androsch über die Lage der SPÖ zuerst eigentlich gar nichts sagen, machte dann aber aus seinem Herzen keine Mördergrube. Und zwar laut "Österreich" folgendermaßen. "Die Stärke des einen ist die Schwäche der anderen. Dass 1972 die SPÖ noch 52% hatte und jetzt unter 10, ist eine Schwäche." Generell sei es "ratsam, nachzudenken, worin Schwächen bestehen. Wie man sie inhaltlich und personell überwinden kann."

Davon beflügelt, riskierte auch der burgenländische Landeshauptmann Doskozil einen Sprung in die Mördergrube seines Herzens. Er forderte nicht mehr und nicht weniger als die SPÖ soll vom Schmiedl zum Schmied umgebaut werden. Wen er für diese Arbeit geeignet hält, sprach er nicht aus. War aber auch nicht nötig.

Ratschläge, was aus Graz zu lernen sei, gab es auch von anderer Seite. "Die Presse" glänzte Mittwoch mit der Erkenntnis: Die Leute wollen keinen Kommunismus, sondern einen Kümmerismus. Sie brauchen das Gefühl, ernst genommen zu werden. Ob das Umschalten vom Kommunismus auf Kümmerismus mit dem Umbau vom Schmiedl zum Schmied irgendwie in Einklang zu bringen wäre, bleibt zunächst ungeklärt, aber man soll wertvolle Ratschläge, die das Land auf gesunde Weise weiterbringen, nie ausschlagen.

Leider wartete "Die Presse" schon am nächsten Tag mit einer anderen Weisheit auf. Nicht mehr Kümmerismus war die Erlösung, vielmehr: It’s the Spitzenkandidat, stupid! Die gute Nachricht ist: Wer einen langen Atem hat, siehe Olaf Scholz und Elke Kahr, kann irgendwann, wenn die Umstände passen, auf dem Siegertreppchen ganz oben stehen. Und einen langen Atem, Beharrungsvermögen und Unbeirrbarkeit hat Pamela Rendi-Wagner auf jeden Fall. Das ist – Stand jetzt – sogar ihr größtes Asset. Vielleicht ist "Die Presse" klüger als die Sozialdemokratie. Androsch stellt Rendi infrage, wollte "Österreich" den legendären SPÖ-Ex-Finanzminister verstanden haben. Ein legendärer SPÖ-Bundeskanzler hatte ganz recht: Es ist alles so kompliziert. (Günter Traxler, 2.10.2021)