Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sind angetreten, um das "Beste aus beiden Welten" umzusetzen.

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Es zeichnet sich ab, dass ein CO2-Preis in Österreich abseits der Industrie, wo es diesen schon gibt, kommt.

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Als die türkis-grüne Koalition präsentiert wurde, stand hinter dem Projekt eine bestechende Logik. Das Ziel beider Parteien sei nicht mehr bloß wie bei vergangenen Regierungen, die kleinste gemeinsame Schnittmenge zu finden. Es gehe vielmehr darum, das "Beste aus beiden Welten" umzusetzen, versprachen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Werner Kogler (Grüne).

In den 21 Monaten, die seither vergangenen sind, haben die Grünen schmerzlich erfahren, was dieses Credo für sie in der Praxis bedeutet. Die frühere Menschenrechtspartei weichte ihre Kernpositionen beim Thema Migration und Zuwanderung auf. Die ÖVP gibt die Linie vor, sei es bei der Nichtaufnahme von Menschen aus Afghanistan und aus Elendslagern in Griechenland oder bei Abschiebungen. Den Grünen blieb die Zuschauerrolle.

Die Grünen sind am Zug

Nun sind die Grünen am Zug. Sie müssen zeigen, wie ihre "Welt" aussieht. Die Koalition steckt in finalen Verhandlungen zur ökosozialen Steuerreform. Am Ergebnis wird sich zeigen, ob der Gang in die Koalition berechtigt war, ja ob die Grünen ohne ihren Einsatz in Migrationsfragen überhaupt noch eine große politische Zukunft haben werden.

Zu bejahen wäre das nur, wenn es der Partei gelingt, eine radikale Wende durchzusetzen. Der CO2-Preis muss vor allem im Verkehr spürbar sein. Auch bei Gebäuden, also Heizungen, besteht Handlungsbedarf. Subventionen für klimaschädliches Verhalten müssen fallen. Ein Liter Diesel ist immer noch um 21 Prozent günstiger besteuert als ein Liter Benzin. Für dieses Dieselprivileg gibt es keine sachliche Rechtfertigung.

Nun zeichnet sich ab, dass ein CO2-Preis in Österreich abseits der Industrie, wo es diesen schon gibt, kommt. Die Frage ist, auf welchem Niveau. Kolportiert werden 35 Euro je Tonne CO2. In Deutschland sind es 30 Euro. Das würde den Sprit um acht Cent pro Liter verteuern. Man kann erahnen, dass die Grünen dies als Erfolg und Start der Wende verkaufen werden.

Aber das reicht nicht. In der Bundesrepublik haben sich auf diesen Preis CDU/CSU und SPD verständigt, also zwei in der Klimapolitik rückwärts gewandte Parteien. Und: Der Spritpreis war dort bereits vor Einführung der CO2-Steuer höher als in Österreich. Inzwischen herrscht europaweit zudem Konsens, dass Emissionen teurer werden müssen. Wenn die Grünen nun also bloß durchsetzen, was ohnehin zu geschehen hätte, wäre das eine krachende Niederlage für sie. 50 Euro je Tonne CO2: Das wäre für den Start ein herzeigbarer Preis.

Erfolge des kleineren Koalitionspartners

Es lässt sich einwenden, dass der kleinere Koalitionspartner schon Erfolge in der Regierung hatte. Die öffentlichen Investitionen in die thermische Gebäudesanierung steigen, es gibt mehr Geld für den Heizkesseltausch. Ein Gesetz schreibt vor, dass Strom ab 2030 nur mehr aus erneuerbaren Quellen kommen soll. Es gibt mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs – und nun diverse Klimatickets.

Aber was genau diese Maßnahmen bringen, ist ungewiss. Das Klimaticket macht Bahn und Bus billiger. Ob Menschen das Auto deshalb stehen lassen, ist fraglich. Mehr Windräder einzuplanen ist auch gut. Das braucht aber Bauflächen und Genehmigungen – ein mühsamer Prozess. Klimaexperten sind sich zudem einig, dass eine echte Wende allein mit Förderungen nicht erreichbar ist ohne Kostenwahrheit bei CO2. Kogler und seine Parteifreunde werden liefern müssen. (András Szigetvari, 2.10.2021)