Österreich setzt jährlich 1,6 Milliarden Getränkeflaschen aus Kunststoff in die Welt. Bei ihrer Entsorgung gibt es reichlich Luft nach oben.

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Wien – Sie sind robust, leicht und für den schnellen Konsum gemacht. Allein die Österreicher setzen jährlich 1,6 Milliarden Getränkeflaschen aus Kunststoff in den Verkehr. Bei ihrer Entsorgung steigt die Nation der ansonst fleißigen Mülltrenner schlecht aus. In Wien landen nur 35 Prozent des PET-Gebindes in den dafür vorgesehenen gelben Tonnen. Rund 70 Prozent sind es österreichweit. Das liegt deutlich unter den Sammelvorgaben der Europäischen Union.

Studien legten den Österreichern nahe, dass sich diese Lücke am effizientesten mit der Einführung eines Pfandsystems schließen ließe. Doch dies scheiterte bisher am erbitterten Widerstand der Wirtschaft. Neben Handelskonzernen wie Spar warnten vor allem Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Handelsverband vor "ausufernden Kosten und unnötigem Aufwand".

Nach und nach begann die Front in den eigenen Reihen aber zu bröckeln. Lidl sprach sich in Österreich als Erster unter den großen Supermärkten für ein Plastikpfand aus. In Deutschland macht der Konzern mit dem Schlupf, jenem Anteil der Flaschen, die trotz Pfands nicht in den Handel zurückkehren, gute Zusatzgeschäfte. Auch gesammelte Gebinde sind Recyclern einiges Geld wert.

Über Novelle hinaus

Rivale Hofer testete kurz darauf ein Pfand auf Einweg in acht Filialen. Nun wird der schrittweise Vorstoß zum Schulterschluss: Lidl, Hofer und Rewe sprechen sich gemeinsam mit der Getränkeindustrie für eine verpflichtende Einführung von Mehrweg aus. Das geht über die geplante Novelle zum österreichischen Abfallwirtschaftsgesetz hinaus, die lediglich eine entsprechende Quote für Lebensmittelhändler vorsieht.

Und sie verpflichten sich zugleich dazu, ein Pfand für Gebinde aus PET und Aluminium einzuheben. Rewe, Hofer und Lidl wollen diese ab 2025 in Filialen mit mehr als 400 Quadratmetern freiwillig zurücknehmen. Es brauche eine Gesamtlösung mit Weitblick, so ihr Tenor. Auch sinke damit die Gefahr von Strafzahlungen. Diese drohen, sollte Österreich die EU-Ziele nicht erreichen.

Harald Hauke, Chef der ARA (Altstoffstoff Recycling Austria), ließ am Pfandsystem seit Jahren kein gutes Haar. Jetzt lobt er die Forderung der Händler, denn es brauche endlich Rechtssicherheit. Was ihn dazu bewog, seine Meinung zu ändern?

Kehrtwende der Recycler

Hauke führt im STANDARD-Gespräch ein neues digitales Anreizsystem ins Treffen, das diesen Sommer in der Steiermark getestet wurde. Über eine App könnten Konsumenten Verpackungen scannen. Deren Entsorgung werde mit Prämien belohnt. Damit ließen sich zwei Millionen gelbe Säcke und Tonnen in Österreich gut einbeziehen.

Spar bleibt Gegner des "unpraktischen, teuren" Einwegpfands und beruft sich auf ein großes Getränkesortiment an Mehrweggebinde. Rainer Will, Chef des Handelsverbands, wartet, ehe er sich neu positioniert, Sondierungsgespräche innerhalb der Branche ab. (Verena Kainrath, 2.10.2021)