Der 47-jährige langjährige Partner der Trafikantin Nadine suchte die Schuld bis zum Schluss bei ihr.

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Geschlagen, gewürgt, angezündet: Wie die Trafikantin Nadine in Wien-Alsergrund sterben musste, erschütterte das ganze Land. Noch immer liegen Blumen vor der ehemaligen Arbeitsstätte der damals 35-jährigen Niederösterreicherin, die knapp einen Monat nach der Tat ihren schweren Verletzungen erlag.

Wer ihr das alles angetan hatte, konnte Nadine schwerstverletzt selbst noch sagen, weil couragierte Passanten die Tür zum Geschäft einschlugen und sie hinausbrachten: ihr langjähriger Partner. Wenige Stunden nach der Tat stellte er sich der Polizei. Am Freitag, fast sieben Monate später, wurde er nun rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt.

Es war nicht der einzige Frauenmordprozess diese Woche, zwei andere Männer wurden ebenfalls verurteilt. In Salzburg ein 26-jähriger Serbe, der seine 22-jährige Frau mit acht Messerstichen getötet hat – die gemeinsamen Kinder schliefen während der Tat im Nebenzimmer.

Nur einen Monat vorher wurde der Mann wegen fortgesetzter Gewaltausübung zu zwölf Monaten teilbedingter Haft verurteilt. Durch Anrechnung der U-Haft wurde er aber noch am Tag der Verhandlung enthaftet, mit der Auflage, den Kontakt zu seiner Frau zu unterlassen.

Noch immer liegen Blumen am Tatort, vor der Trafik der 35-Jährigen.
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Der Mann legte im Prozess ein Geständnis ab. Am Montag wurde er nicht rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt.

In Feldkirch wurde ein 37-jähriger Deutscher wegen Mordes nicht rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der Mann hat vergangenen November seine Freundin so schwer mit Händen und Füßen am Kopf verletzt, dass sie nach zehntägiger Behandlung auf der Intensivstation verstarb. Er bestritt die Tat, die Frau sei gestürzt. Das Geschworenenurteil ging mit fünf zu drei knapp aus.

Vor dem Hintergrund der hohen Zahl an Tötungen von Frauen beschloss die Regierung Anfang Mai ein großes Gewaltschutzpaket mit zusätzlichen 24,6 Millionen Euro Budget für Opferschutz und Täterarbeit. Am Freitag wurde bekanntgegeben, dass die Verhandlungen zu einem Ende gekommen und erste Gelder bereits geflossen seien.

Schuldsuche beim Todesopfer

Der langjährige Partner von Nadine, der Trafikantin, betonte während des zweitägigen Prozesses mehrmals, dass er sie nicht habe töten wollen. "Niemals" habe er an so etwas auch nur gedacht. Ihr Angst machen, das sei sein Ziel gewesen. Auf Nachfrage der Richterin und im Gespräch mit dem psychiatrischen Sachverständigen gibt er auch zu, dass "ein bisschen" leiden im Spital seines Ermessens auch noch in Ordnung gewesen wäre.

Denn der gebürtige Ägypter, der die österreichische Staatsbürgerschaft hat, ist überzeugt davon, dass es vor allem Nadine selbst ist, die für seine brutale Tat verantwortlich ist. Sie habe für andere Männer geschwärmt, sei mit Kunden über ihn hergezogen, und schließlich habe sie ihn mithilfe eines Privatdetektivs ins Gefängnis bringen wollen, ist der Mann überzeugt.

Vor allem am ersten Prozesstag fällt er der Richterin, der Staatsanwältin, aber auch Zeugen und dem eigenen Verteidiger oft ins Wort, erzählt aufgebracht Episoden aus der schwierigen Beziehung, als ob es für die unfassbare Tat eine rationale Erklärung gäbe. Am Freitag tut er es mit ruhiger Stimme.

Hinrichtung

Seine Ausführungen zeugen von der zuletzt zerrütteten Beziehung zwischen den beiden. Wüste Beschimpfungen standen auf der Tagesordnung. Und auch, dass er Nadine eineinhalb Jahre lang mit einem Abhörgerät überwachte, erzählt der Mann mit einer Selbstverständlichkeit, die Zuhörer fassungslos zurücklässt. Als ganz normal bezeichnet der Mann auch seine Eifersucht. Aber bei Nadine sei diese "krankhaft" gewesen, meint der Mann, der zuletzt als Küchenhilfe gearbeitet hatte.

Diejenige, die sich zu diesen Vorwürfen äußern könnte, ist am Donnerstag und am Freitag nicht im Großen Schwurgerichtssaal. Zu sehen ist Nadine trotzdem: Überwachungskameras haben die gesamte Tat aufgezeichnet. Hinterbliebene, die auf der Galerie Platz genommen haben, verlassen den Saal teilweise, sie wollen, können die Bilder nicht sehen.

Die restlichen Zuhörer sehen das, was der psychiatrische Sachverständige als "inszenierte Hinrichtung" beschreibt – es sind kaum aushaltbare vier Minuten. Währenddessen ist es mucksmäuschenstill im Raum, Köpfe werden geschüttelt, es wird geweint. Der Angeklagte selbst sieht nicht hin, er habe das Video schon oft gesehen, es sei nicht einfach.

Dabei muss er offenbar etwas anderes gesehen haben, denn in seiner Befragung meinte er, er habe Nadine "ein paar Sekunden" gewürgt, keine zwei Minuten. Genau das ist aber im Video zu sehen. Als sich Nadine nochmals bewegt, würgt er sie erneut, etwas mehr als eine Minute – eine gefühlte Ewigkeit. Am Ende bewegt sie sich nicht mehr. Er schüttet eine brennbare Flüssigkeit über sie, entzündet ein Feuer und geht.

Psychische Störungen

Wie kann man hier eine Tötungsabsicht bestreiten? Auch hier hat der Mann eine ganz eigene Wahrnehmung: Nadine habe sich noch bewegt, als er gegangen sei – und dabei von außen die Tür verschloss. Sie hätte ja noch aufstehen und auf die Straße gehen können, meint der Mann.

Der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann erklärt es so: Der Mann leide unter einer narzisstischen Störung, einer enormen Zwanghaftigkeit, außerdem sei er "vollkommen befreit" von Empathie. Auch habe der Mann ein ausgeprägtes Bedürfnis, Macht zu demonstrieren. "Du bist unter mir" hat er Nadine einmal geschrieben. Hofmann schätzt den 47-Jährigen deswegen als gefährlich ein und empfahl die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, die Richterin stimmte zu, weil sie selten einen empathieloseren Menschen gesehen habe.

Wie wichtig ein Schuldeingeständnis für die Familie von Nadine gewesen wäre, führte deren Anwalt aus. "Ein Geständnis wäre erlösend für sie gewesen. Ein Tropfen Trost, wo es kaum Trost gibt."

Grausam

In der Beziehung mit Nadine soll es laut mehreren Zeugenaussagen Gewalt gegeben haben. Eine gemeinsame Freundin des Paares schrieb Nadine im Jänner, nachdem sie einen Streit mithörte: "Du bist in großer Gefahr", Nadine antwortete, sie solle sich nicht einmischen. Der Empfehlung, ihren Partner wegen Drohungen bei der Polizei anzuzeigen, kam die 35-Jährige nicht nach.

Zwei Tage vor ihrem Tod kontaktierte sie dann aber den Privatdetektiv. Ihr Freund sei in letzter Zeit krankhaft eifersüchtig, sie fühle sich nicht mehr wohl, schrieb sie ihm. "Ich glaube, dass sie aus der Beziehung rauswollte und einen handfesten Grund dafür suchte", sagte der Detektiv vor Gericht.

Man einigte sich auf eine Überwachung des Autos ihres Freundes, die noch in der Tatnacht hätte starten sollen. Dazu kam es nicht mehr. Nachdem ihr Partner das Gespräch mitgehört hatte, fuhr er zur Trafik, trat durch die Tür – und beging in aller Ruhe seinen brutalen Mord. Ein Mord, der laut der Richterin "heraussticht, weil er an Grausamkeit nicht zu übertreffen ist". (Lara Hagen, 2.10.2021)