Die Kunden sind die Gewinner, vor allem wenn sie dank Klimaticket komplett auf ihr Auto verzichten können. Doch das geht nicht so leicht. Schwierig wird die Situation auch für die Länder und Verkehrsverbünde.

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Links die Tasse Kaffee, rechts die Maus, direkt davor der Bildschirm, der zu leuchten beginnt. So begann für die Öffi-Fans der Freitag. Denn das Erste, was auf deren Agenda stand, war der Kauf des Klimatickets. Früh am Morgen ging das auch noch ganz gut, im Laufe des Tages, machten die Zugriffe den Servern langsam, aber sicher zu schaffen. 6.646 Fahrkarten wurden am ersten Vorverkaufstag insgesamt verkauft.

Doch ruhig Blut – das Klimaticket gilt ohnedies erst ab 26. Oktober. Bis dahin ist nicht nur noch ausreichend Zeit, der erste Ansturm wird wohl eher schnell abflauen. An die 100.000 Klimaticket-Besitzer wünscht sich das Umweltministerium im ersten Volljahr. Eine bescheiden festgelegte Zahl, wie Experten sagen – möglicherweise will man die Erwartungen niedrig halten, um einem Flop vorzubeugen.

Doch einen solchen wird es ziemlich sicher nicht geben, wenn man sich vor Augen führt, dass beinah alle, die heute schon mit den Öffis pendeln, profitieren werden. Fast alle.

Von Perchtoldsdorf nach Wien

Nicht so der Angestellte, der mitten in Wien arbeitet und in Perchtoldsdorf wohnt. Bisher musste er für sein Jahresticket bei Einmalzahlung 626 Euro ausgeben – da ist die Kernzone Wien dann schon mit dabei. Künftig wird er bei dem Ticket bleiben, wenn er die Öffis nicht für weitere Reisen nutzen möchte, denn das VOR-Klimaticket-Metropolregion des Verkehrsverbund Ostregion, bei dem Wien, Niederösterreich und das Burgenland dabei sind, käme auf 915 Euro.

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Stattdessen wäre gleich das Klimaticket für ganz Österreich anzudenken, es kostet im Vorverkauf bis 31. Oktober im ersten Jahr nur 949 Euro, erst danach die 1.095 Euro.

Würde er mit dem Auto fahren, würde allein die Pendlerei – wir haben 225 Arbeitstage angenommen und das amtliche Kilometergeld für die Strecke zugrunde gelegt – 3.969 Euro kosten. Da sind Wertverfall, Reparaturen, Versicherung und Steuern ebenso eingerechnet wie der Sprit, der in dem Fall 567 Euro kosten würde (bei einem Verbrauch von im Schnitt fünf Liter Diesel auf 100 Kilometer bei einem Preis von 1,2 Euro pro Liter – so haben wir das für die Berechnung veranschlagt).

Burgenland-Pendler

Ganz anders schaut es für die Laborkraft im Donauspital aus, die täglich von Hornstein im Burgenland nach und durch ganz Wien pendeln muss. Sie bezahlt mit dem Auto im Jahr etwas mehr als 10.000 Euro, die aktuelle Jahreskarte für die Strecke kommt auf 1.478,4 Euro, künftig würde sie mit dem VOR-Klimaticket 915 Euro bezahlen.

Würde. Denn die öffentliche Anbindung ist so schlecht, dass sie selbst bei einem ordentlichen Stau auf der Tangente schneller mit dem Auto wäre als mit den Öffis. Und so schlimm ist es dann doch selten.

Aufgrund der großen Distanz gibt es eher wenige Pendler von Pinkafeld nach Wien. Diese Strecke kostet, nach der Berechnung mit dem Kilometergeld von 0,42 Euro, mit dem Auto pro Jahr mehr als 22.000 Euro, allein 3.100 Euro sind dabei für Sprit fällig. Die aktuelle Jahreskarte mit den Öffis kostet 2.090 Euro.

Das Klimaticket wäre hier also ein voller Gewinn, und das nicht nur aus Kostengründen. Durch die gute Anbindung dauert die Fahrt mit den Öffis nur unwesentlich länger als mit dem eigenen Auto.

Was man in der Rechnung trotzdem nicht vergessen darf: Ohne eigenes Auto wird man in Pinkafeld aber auch nicht leben wollen. Diese Kosten müssen also noch addiert werden. Für ein kompaktes Auto mit Verbrennungsmotor mit einer Laufleistung von 20.000 Kilometern pro Jahr, so hat es das Vergleichsportal Durchblicker berechnet, sind das etwa 6500 Euro – und damit weniger, als es das amtliche Kilometergeld angeben würde.

Wer am Wochenende von Linz mit der Familie zu seinem Zweithaus am Attersee fahren möchte, kommt um das Auto auch nicht herum. Das ist dann nicht nur deutlich billiger, sondern auch viel komfortabler.

Komfort ist auch für einige Menschen Argument genug, um auf das Klimaticket umzusteigen. Schließlich muss man sich nicht mehr ständig um den Fahrschein kümmern.

Auf der anderen Seite

Weniger gut stellt sich der Erfolg des Klimatickets für die einzelnen Verkehrsverbünde und die Länder selbst dar. Auf diese kommen nämlich geringere Einnahmen zu. Geld, das wohl oder übel an anderer Seite eingespart – oder eingenommen werden muss.

Zudem fürchtet man den Unmut der Reisenden, wenn an starken Reisetagen die Züge so voll sind, dass die Sitzplätze nicht mehr ausreichen und die Passagiere im Gang stehen müssen. Zudem muss an der gesamten Infrastruktur, dem Takt und dem Ausbau der Linien, dringend gearbeitet werden – doch genau dafür könnte am Ende der harten Verhandlungen nun das Geld fehlen. (Luise Ungerboeck, Guido Gluschitsch, 2.10.2021)