In absehbarer Zeit dürften Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vize Werner Kogler (Grüne) das türkis-grüne Prestigeprojekt gemeinsam mit ihren Fachministern präsentieren.

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Noch am Samstag war ein Scheitern der Verhandlungen nicht ausgeschlossen, am Sonntag konnten sich ÖVP und Grüne dann doch einigen: Um 14 Uhr wird die ökosoziale Steuerreform, das Prestigeprojekt der türkis-grünen Regierung, präsentiert. Zuvor sei "relativ viel offen" gewesen, die Rede war von "verhärteten Fronten", wie ein Verhandler gegenüber dem STANDARD sagte.

Bis in die Morgenstunden des Sonntags wurde verhandelt, erst um halb acht Uhr früh standen die Beteiligten vom Tisch auf. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte seine Reise zum Parteitag der spanischen Volkspartei (Partido Popular/PP) in Valencia abgesagt und blieb in Wien. Am frühen Nachmittag präsentieren nun Kanzler Kurz, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) die Details der Einigung. Davor wollten die Verhandler inhaltlich nichts kundtun.

Streitfrage "Klimabonus"

Zu den Knackpunkten zählten die Abschaffung des Dieselprivilegs und der von der ÖVP geforderten Unterschied beim Klimabonus zwischen Stadt und Land. Eine Entscheidung rund um die Abschaffung des Dieselprivilegs dürfte vorerst verschoben werden, erklärten Verhandler gegenüber dem STANDARD. Die ÖVP legt zudem Wert darauf, dass Menschen, die am Land wohnen und aufs Auto angewiesen sind, durch die CO2-Bepreisung nicht überproportional getroffen werden. Schließlich sei es in der Stadt wesentlich leichter, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, lautet die Argumentation. Daher brauche es beim Klimabonus einen entsprechenden Unterschied zwischen Stadt und Land, hieß es aus ÖVP-Verhandlerkreisen

Und auch die Höhe des CO2-Preises ist noch nicht fixiert. Die ÖVP will sich am deutschen Modell orientieren; der dortige Preis von 25 Euro je Tonne ist den Grünen deutlich zu wenig. Offen ist auch noch das Modell, nach wie vor sind ein nationales Emissionshandelssystem und eine CO2-Steuer im Gespräch – beziehungsweise eine Kombination aus beidem.

Laut "Krone" verspricht sich die Regierung in den kommenden vier Jahren jedenfalls stattliche fünf Milliarden Euro durch den CO2-Preis. 2022 sollen dadurch rund 800 Millionen Euro eingenommen werden. Der Preis dürfte dann sukzessive steigen, denn die erwarteten Steuereinnahmen pro Jahr unter dem Titel "CO2" sollen sich jährlich bis zu 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2025 erhöhen.

Ein Hauptstreitpunkt lag, wie zu hören ist, vor allem bei dem geplanten Klimabonus, der den Namen "Klimageld" bekommen soll. Aus Sicht des Juniorpartners sollen demnach auch Mindestsicherungsbezieher mit einbezogen werden. Die ÖVP wollte den Bonus offenbar nur für jene, die auch Lohn- und Einkommenssteuer zahlen, wie kolportiert wurde. Für die Grünen eine rote Linie.

Erhöhung des Familienbonus

Abgesehen von der Ökologisierung wird es auch Steuersenkungen geben: Geplant ist die Senkung der zweiten und dritten Stufe bei der Lohn- und Einkommenssteuer, zudem dürfte es – wie angekündigt – auch zu einer Erhöhung des Familienbonus kommen. Stark umstritten war die von der ÖVP geforderte Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen von 25 auf 21 Prozent. Hier zeichnete sich ein Kompromiss ab.

Kanzler Kurz sagte in einem gemeinsam Interview mit "Kurier", "Krone" und "profil", dass "jeder, der in unserem Land arbeiten geht, der einen Beitrag leistet", im Zuge dieser Reform besser aussteigen werde. "Jeder, der Kinder großzieht und arbeiten geht, wird noch besser aussteigen." Im Gegenzug werde man "immer druckvoller" gegenüber jungen Menschen werden, die keinen Job annehmen, obwohl sie könnten. "Wenn wer jung, fit und gesund ist, dann soll er auch arbeiten", erklärte Kurz. "Ich habe überhaupt kein Verständnis für junge Leute, die nicht bereit sind, ihren Beitrag zu leisten." Wer gesund sei, einen Job angeboten bekomme, "und den nicht annehmen möchte, der darf auch keine Leistungen bekommen, dem müssen die Leistungen gekürzt werden".

Umweltorganisationen fordern "großen Wurf"

Der kolportierte CO2-Preis von 35 Euro pro Tonne würde den Umweltorganisationen Global 2000, VCÖ und WWF jedenfalls nicht weit genug gehen. Sie fordern einen Einstiegspreis von zumindest 50 Euro pro Tonne CO2, der bis 2025 auf 150 Euro pro Tonne CO2 ansteigt und auch dann noch weiter ansteigt. Kostenwahrheit gebe es nur mit einer steigenden CO2-Bepreisung und dem Abbau umweltschädlicher Subventionen von bis zu 4,7 Milliarden Euro pro Jahr, betont man beim WWF. "Denn mit der Finanzierung von Umweltzerstörung befeuert die Politik derzeit nicht nur die Klimakrise, sondern auch den viel zu hohen Natur- und Bodenverbrauch", führte Volker Hollenstein, Politischer Leiter beim WWF Österreich, aus. "Jede ausgestoßene Tonne CO2 verursacht große Schäden, die bisher auf keiner Rechnung auftauchen."

Der SPÖ missfielen jedenfalls die kursierenden Details der Steuerreform. Vor allem vermissten die Sozialdemokraten darin die Mittel für die Pflege: "Null Euro mehr für die Pflege, 1,5 Milliarden Euro mehr für die größten Konzerne – ÖVP und Grünen zeigen mit ihrem Budget, was ihnen wichtig", kritisierte etwa Budgetsprecher Jan Krainer. In das selbe Horn stieß auch Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, der in den Plänen die "in Zahlen gegossene Eiseskälte der Regierung" ortete. Und auch der SPÖ-Pensionistenverband forderte mehr Mittel für die Pflege.

Kritik an den bisher kolportierten Details kam auch von den Neos. Deren Klimasprecher Michael Bernhard hält einen möglichen CO2-Preis in der Höhe von 35 Euro für ein "fatales Signal". Dieser hätte "kaum Auswirkung auf die Emissionen" und wäre "eine glückliche Ausrede für die ÖVP um weitere Maßnahmen zu verhindern", schrieb Bernhard auf der Kurznachrichtenplattform Twitter. (brun, jan, jo, lauf, APA, 2.10.2021)