The Specials zeigen den Brexiters den Finger – mit einem Dutzend Protestsongs aus den letzten hundert Jahren.

Foto: thespecials.com

Der Zeitpunkt könnte besser nicht gewählt sein. Während England alias Little Britain die Auswirkungen des selbst herbeigeführten Brexits in jedem Supermarkt und den Tankstellen spürt, veröffentlicht die Band The Specials ein Album mit Protestliedern: Protest Songs 1924–2012 heißt es und umfasst ein Dutzend Lieder zum Thema. Dass die Perspektive darauf eine der Linken, eine der Arbeiterklasse ist, führt das fahnenrote Cover des Albums vor Augen.

Die Gruppe um Terry Hall war vor zwei Jahren mit dem Album Encore so unerwartet wie eindrucksvoll wiedergekehrt. Im englischen Pop zählen The Specials mit ihrem einstigen Mastermind Jerry Dammers zu den Säulenheiligen. Mit nur zwei Studioalben 1979 und 1980 sicherten sie sich diesen Platz, spielten auf dem Two-Tone-Label einen linksdrehenden Ska, dessen kritische Euphorie sogar die Nazis ansteckte, die von den Specials jedoch nur von den "Specials by four" sprachen. Die farbigen Mitglieder der Band waren auf diese Art ausgeblendet. Nur für den Fall, dass sich jemand fragt, wie deppert Nazis sein können.

The Specials - Topic

Sie saßen mit Songs wie A Message To You Rudy oder Ghost Town in vielen Hitparaden und galten als eine der besten Live-Bands ihrer Zeit, was sich in etlichen Live-Dokumenten niederschlug.

Wieder hungrig

Encore und dessen Erfolg dürfte die Band wieder hungrig gemacht haben, geplant war ein Roots-Reggae-Album, doch dann kamen Corona und der Brexit-Vollzug, und das zeitigt nun ein Werk im Zeichen des Widerstands aus fremden Federn. Zwölf Coverversionen – darunter weniger gelungene wie der Bob-Marley-Peter-Tosh-Klassiker Get Up Stand Up, darunter unerwartete wie Listening Wind von den Talking Heads, das zu den Höhepunkten des Albums zählt.

The Specials - Topic

Everybody Knows von Leonard Cohen gebricht es im abgebremsten Ska-Kostüm jedoch an Autorität, Black, Brown and White des Bluesers Big Bill Broonzy besitzt dafür als folkige Sichtung reichlich Charme. Insgesamt ergibt das ein sympathisches Zwischenwerk von variabler Qualität. Dass sich die Band selbst mit fast 100 Jahren alten Songs auf der Höhe der Zeit befindet, spricht Bände für ihre Klasse – und leider auch den Zustand der Welt. (Karl Fluch, 3.10.2021)