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Diese Woche musste sich bereits Facebook-Sicherheitschefin Antigone Davis virtuell den Fragen der Kongressabgeordneten stellen.

Foto: Tom Brenner/Pool via REUTERS

"Instagram ist die erste Zigarette, die Teenager abhängig machen soll", sagte der demokratische US-Senator Ed Markey vergangene Woche vor dem Untersuchungsausschuss. Der Ausschussvorsitzende, sein Parteikollege Senator Richard Blumenthal, geht noch weiter: Facebook wisse genau um die toxische Wirkung seiner Produkte und nutze die Schwachstellen von Kindern geschickt aus, um diese als Waffe gegen sie selbst zu richten.

Vorbei die Zeiten, in denen Politiker mit Tech-Größen aus dem Silicon Valley für Selfies posierten. Die Fronten sind verhärtet, der Ton in Washington wird von Woche zu Woche rauer. Senatoren und Kongressabgeordnete aus beiden politischen Lagern bezeichnen Tech-Giganten wie Facebook oder Google inzwischen als die "Tabakkonzerne des Digitalzeitalters".

Viel Geld für Lobbying

Der Vergleich ist nicht völlig abwegig. Kein anderes US-Unternehmen hat 2020 mehr Geld in Lobbyismus gesteckt, als Facebook. Zum Vergleich: Mineralöl- oder Tabakkonzerne wie ExxonMobil und Philip Morris haben letztes Jahr nicht einmal halb soviel für ihre Interessenvertreter in Washington ausgegeben. Doch die Skandale, die Facebook laufend produziert, holen das Unternehmen immer wieder ein.

Vor wenigen Tagen hatte das "Wall Street Journal" in einer Reihe von Artikeln Facebooks fragwürdige Geschäftsmethoden offengelegt. Für besonders großes Aufsehen sorgte eine von dem Internetkonzern unter Verschluss gehaltene Studie über die negativen Auswirkungen seiner sozialen Netzwerke auf die Psyche von Teenagern.

Demnach litten vor allem Mädchen unter dem Körperkult, der auf Plattformen wie Instagram propagiert wird. "Jeder fünfte Teenager gibt an, sich durch Instagram schlechter zu fühlen", heißt es in der Studie. Unter suizidgefährdeten Jugendlichen benannte jeder zehnte Betroffene als Ursache für die aufkommenden Gedanken Instagram.

Met-Gala statt Reaktion

Facebook ist seit Wochen bemüht, die Enthüllungen herunterzuspielen. In einem ersten Kommentar spottete Facebook-CEO Mark Zuckerberg süffisant über die verzerrte Berichterstattung der Medien. Adam Mosseri, der seit drei Jahren unter Zuckerberg die bei Jugendlichen beliebte Bilderplattform Instagram leitet, wollte sich zu den Enthüllungen des "Wall Street Journals" gar nicht erst äußern. Stattdessen besuchte der Instagram-Chef die Met-Promigala in New York, medienwirksam gedresst in einem weiß-orange-farbenen Designer-Smoking.

Vor wenigen Jahren wäre Facebook mit solch arrogantem Auftreten vermutlich noch ungeschoren davongekommen. Ob Datenschutz-Skandale, Wahlbeeinflussung durch russische Trolle oder Monopol-Vorwürfe; die Manager aus dem Silicon Valley sind geübt darin, unangenehmen Fragen auszuweichen oder beharrliche Ausschussmitglieder mit nichtssagenden Antworten schriftlich zu vertrösten.

Bislang machten es die Gesetzgeber den Top-Managern von der Westküste leicht. Bei ihren Befragungen glänzten Politiker beider Lager häufig mit erschreckend technologischem Unwissen. So verwechselten Ausschussmitglieder gerne mal Facebook mit Twitter. In einem Fall erkundigte sich ein Volksvertreter bei Mark Zuckerberg, womit der Konzern eigentlich Geld verdiene, wenn die Nutzung von Facebook doch gratis sei. Zuckerberg, halb amüsiert, halb baff: "Mit Werbung, Herr Senator."

Brisante Aussagen erwartet

Doch der eigentliche Sturm steht Facebook offenbar noch bevor. Diese Woche könnte es für das Unternehmen richtig unangenehm werden. Für die nächste Anhörung wurde eine geheimnisvolle Facebook-Insider-Aussage angekündigt, die als wichtiger Baustein vor dem Untersuchungsausschuss dienen soll. Die bislang unbekannte Person, offenbar eine ehemalige Facebook-Mitarbeiterin, soll die Abgeordneten im Vorfeld mit Dokumenten und Interna versorgt haben.

Die neuen Anschuldigungen könnten Erkenntnisse liefern, inwieweit Facebooks Algorithmus Hass in der Bevölkerung geschürt und Falschnachrichten verbreitet hat. Außerdem soll der Konzern unmittelbar nach der US-Präsidentschaftswahl seine Sicherheitsmaßnahmen zu früh gelockert haben, was gewaltbereiten Trump-Anhängern geholfen haben könnte, über Facebooks Kommunikationskanäle die Erstürmung des Kapitols in Washington zu organisieren.

Einen Vorgeschmack auf die neuen Enthüllungen dürfte ein TV-Interview mit der Whistleblowerin liefern, das für Sonntagabend US-Zeit angekündigt wurde. Bei Facebook selbst rechnet man offenbar mit der schlimmsten Krise seit dem Datenschutzskandal von Cambridge Analytica. Wie die "New York Times" berichtet, soll es im Top-Management seit Tagen Krisensitzungen geben, um darüber zu beraten, wie man mit den neuen Vorwürfen umgehen soll. In einem internen Memo schwor Facebooks Cheflobbyist Nick Clegg, einst liberaler britischer Vizepremier, am Wochenende alle Facebook-Mitarbeiter auf harte Zeiten ein. (Richard Gutjahr aus Washington, 3.10.2021)