Die Geschäfte der Commerzialbank Mattersburg trieben wilde Blüten, auch von ihr unterstützte Unternehmen erfanden Kunden und deren Adressen.

Foto: Matthias Cremer

Die Causa Commerzialbank Mattersburg ist reich an erstaunlichen Facetten, im Rahmen der umfangreichen Aufarbeitung kommen immer noch neue dazu. Das kleine Institut ist unter der Leitung von Martin Pucher und seiner Vorstandskollegin im Sommer 2020 zusammengebrochen. Beide gestanden Malversationen, die trotz vieler Vor-Ort-Prüfungen durch die Aufseher jahrzehntelang nicht aufgeflogen waren. Die Bankchefs haben vor allem Geschäfte mit (zum Teil) fingierten Kunden erfunden, inklusive hunderter Millionen an Euro, die man vorgab, bei Großinstituten veranlagt zu haben. Bei alldem haben sie jede Menge Bartransaktionen durchgeführt.

Die wurden, wohl aus Diskretionsgründen, sehr oft manuell abgewickelt, das beleuchtet Karl Hengstberger, der von der ermittelnden Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beauftragte Gutachter, in einem seiner jüngsten Zwischenberichte.

Milliarden hin- und hergebucht

Ex-Bank-Managerin K. etwa führte von 2013 bis März 2021 fast tausend solcher manuell gerouteter Einzahlungen über ein Konto einer Großbank durch, dazu kamen ebenso viele Auszahlungen. In Summe wurden da im Lauf der Jahre mehr als neun Milliarden (sic) Euro hin- und (taggleich) herbewegt, auch andere Mitarbeiter waren involviert.

Diese höchst ungewöhnlichen Vorgänge fielen den Vor-Ort-Prüfern der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) recht spät auf und lösten am 14. Juli des Vorjahres ein Gespräch mit Bankchef Pucher aus. Daraufhin flog alles auf: Der Banker gestand, dass "bestimmte Zinszahlungen real nicht stattgefunden hatten" und auch große Teile der Aktiva der Bank fingiert seien. Zur Erinnerung: Schon im Februar hatte ein Whistleblower den Aufsehern und Staatsanwälten detailreiche Hinweise für die Vorgänge in der Bank gegeben. In Summe waren die Bilanzen des Instituts ja letztlich um rund sieben Achtel aufgeblasen.

Geldregen für marode Kunden

Der Aufwand von Bankerin K. war enorm, wie der Gutachter u. a. an einem Beispiel für einen fingierten Kredit mit einer fingierten Kundin nachzeichnet. So wurden auf dem Fake-Konto von Frau M. zwischen 2007 und 2010 fast 1900 Überweisungen in der Höhe von rund zwölf Mio. Euro gebucht, wobei K. die Transaktionen taggleich wieder berichtigt habe. All das sei "objektiv auffällig" gewesen, heißt es in dem Bericht, der dem STANDARD vorliegt.

Geldregen gab es aber auch für tatsächlich existierende Kunden, wie man mittlerweile weiß. So kamen marode Unternehmen aus der Region Mattersburg an Geld von der Bank, gegen etliche ihrer Eigentümer laufen inzwischen Ermittlungen. So kam es, dass ein Gewerbebetrieb, an dessen Existenz Pucher gelegen war, von Jänner 2008 bis August 2020 rund 29 Millionen Euro in bar auf sein Konto einzahlen konnte.

Kunde am Parkplatz und Friedhof

In der Buchhaltung des Unternehmens fand sich laut den Ermittlern jede Menge "Fake-Rechnungen", der Schaden, der dem Inhaber vorgeworfen wird, wurde mit 16 Mio. Euro errechnet. Rasend viel Aufwand dürfte bei diesen (an nicht vorhandene Kunden gestellten) Rechnungen nicht getrieben worden sein.

Bei den stichprobenartigen Überprüfungen der Rechnungsadressen stellten die Ermittler fest, dass es manche Adressen schlicht nicht gab. Bei anderen habe es sich "um unbewohnte Objekte, Friedhöfe oder in einem Fall um einen Parkplatz" gehandelt.

Mitarbeiter taten, was angeschafft war

Den mehr als 20 Mitarbeitern in den diversen Commerzialbank-Filialen, die mit den Bargeldeinzahlungen des Unternehmers befasst waren, ist offenbar nichts aufgefallen. Was aber nicht weiter verwundert, glaubt man jenen, die zum Thema Bargeldtransaktionen als Zeugen befragt wurden. "Wir haben einfach unsere Arbeit gemacht, Entscheidungen trafen andere", meinte ein Exmitarbeiter zu den Ermittlern. Ein anderer schilderte, dass Pucher und K. ihn ab und zu anriefen und "mich anwiesen, 100.000 bis 400.000 Euro bar aus der Kasse zu entnehmen", die er ihnen dann im Kuvert gebracht habe. Im Gegenzug habe er einen Barscheck bekommen und eine Scheckauszahlung verbucht.

Der Exfilialleiter zu seiner eigenen Verantwortung: "Man hat Anweisungen einfach befolgt." (Renate Graber, 4.10.2021)