Autoren, Komponisten und Musiker, deren Werke im ORF-Programm ausgestrahlt werden, bekommen von Kabelbetreibern dafür kein Geld. Auch das neue Urheberrechtsgesetz rüttelt nicht am alten Privileg.

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Als die Techniker des ORF in den 1970er-Jahren den Rundfunkausbau in Österreich vorantrieben, standen sie vor zwei wesentlichen Problemen: hohen Bergen und tiefen Tälern. Die Funksignale waren schwach, andere Technologien noch nicht erfunden. Um dennoch abgelegene Bergdörfer mit bewegtem Bild versorgen zu können, machten die Republik, der ORF und zahlreiche Gemeinden einen Deal.

Lokale Kabelnetzbetreiber sollten das ORF-Signal einfangen und per Kabel an die Haushalte weiterleiten. Finanziert wurde die Infrastruktur gemeinsam. Damit die Betreiber – oft Gemeinden oder kleine Privatunternehmen – nicht zusätzlich finanziell belastet werden, sah man im Urheberrechtsgesetz für sie eine Ausnahme vor: Sie mussten an Künstler, deren Werke im ORF-Programm ausgestrahlt wurden, keine Entgelte zahlen – die Geburtsstunde des "ORF-Privilegs".

Privileg für Kabelbetreiber

Seit den 1970er-Jahren haben sich am Rundfunkmarkt nun einige wesentliche Dinge geändert: Neue Technologien wie Digitalterrestrik, Satellitenfernsehen und Internet machten die Übertragung leichter. Lokale Kabelnetzbetreiber wurden oft durch große Dienstleister wie A1, Magenta oder Drei ersetzt. Zudem strömten zahlreiche Privatsender auf den Markt. Das ORF-Privileg blieb aber weiter bestehen.

Das führt noch heute dazu, dass Autorinnen, Komponisten oder Schauspielerinnen für Ausstrahlungen im ORF weniger Geld bekommen als für jene in Privatsendern. Denn Kabelbetreiber müssen zwar für die Weiterleitung von privaten Programmen Entgelte an Künstler zahlen, nicht aber für die Weiterleitung von ORF-Sendern. Auch die große Urheberrechtsnovelle, die derzeit zur Begutachtung aufliegt, ändert daran nichts – zum Missfallen der österreichischen Künstler, deren Urheberrechte von der Verwertungsgesellschaft AKM verwaltet werden.

"Ziel des Privilegs war es, Gemeinden und kleine private Anbieter, die die Netze teuer errichtet haben, zu schonen", erzählt Paul Fischer, Leiter der AKM-Rechtsabteilung im STANDARD-Gespräch. "Damals war das nachvollziehbar, aber das System hat sich mittlerweile einfach überholt." A1 und Magenta würden gut an ihrem Fernsehangebot verdienen. Da wäre es laut Fischer nur fair, die Künstler, deren Werke ausgestrahlt werden, am Gewinn zu beteiligen.

Gerichtliche Anfechtung

Die AKM kämpft seit Jahren für die Abschaffung des Privilegs und ein Ende der "Diskriminierung österreichischer Komponistinnen und Komponisten". Österreich sei das letzte Land Europas, in dem eine derartige Regelung besteht. Unterstützt wird die Forderung vom öffentlichen Rundfunk.

Auch der ORF bekommt für Sendungen, an denen er selbst Rechte hält, kein Geld von den Kabelnetzbetreibern. Die Verwertungsgesellschaft versuchte in der Vergangenheit immer wieder, die gesetzliche Ausnahme gerichtlich anzufechten – bisher allerdings nur mit bescheidenem Erfolg.

Stützen auf die "Fünfhundertergrenze"

In den vergangenen Jahren zog die AKM etwa gegen einen kleinen Kabelnetzbetreiber vor Gericht, der keine Tantiemen zahlen wollte und sich dabei auf die "Fünfhundertergrenze" stützte. Die Bestimmung sieht vor, dass für Anbieter, die weniger als 500 Haushalte versorgen, kein Entgelt anfällt. 2016 landete die Angelegenheit beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), der die Ausnahme für Kleingemeinschaftsanlagen als unionsrechtswidrig berurteilte (EuGH 16. 3. 2017, C-138/16).

"Hier musste der Gesetzgeber also reagieren, insbesondere, weil der Oberste Gerichtshof die Ausnahme trotz Unionsrechtswidrigkeit weiter angewandt hat", sagt Adolf Zemann, Rechtsanwalt bei Wolf Theiss, dem STANDARD.

Die Ausnahme wurde im Entwurf für das neue Gesetz daher gestrichen. Beim ORF-Privileg war das EU-Höchstgericht allerdings anderer Meinung. Es ging laut Zemann davon aus, dass jeder, der dem ORF Rechte einräumt, davon ausgehen muss, dass die Sendungen in ganz Österreich empfangen werden können. Das entspreche auch dem Versorgungsauftrag des öffentlichen Rundfunks.

"Erhebliche Summen"

Auch der Verfassungsgerichtshof hatte im selben Verfahren keine Bedenken gegen die Ausnahmebestimmung. Die Weiterleitung der Sendungen sei bereits mit dem Entgelt für die Erstsenderechte an den ORF abgegolten. Zusammen mit der Verpflichtung der Kabelnetzbetreiber, die Programme des ORF auszustrahlen, gewähre dies die Erfüllung des Versorgungsauftrags.

Eine Gesamterhöhung der Tantiemen ist laut Fischer nicht geplant. Die Entgelte sollen unter den Urhebern vielmehr fair verteilt werden. Für die Künstlerinnen und Künstler gehe es zum Teil um "erhebliche Summen", genaue Beträge wollte Fischer nicht nennen.

Die AKM müsse die Nutzungsentgelte den Künstlern möglichst genau zuordnen. "Der Kuchen sollte fair aufgeteilt werden", sagt Fischer. "Wenn die Kabelweiterleiter aber nichts für die ORF-Programme zahlen, kann die AKM die betroffenen Künstler nicht einfach trotzdem vergüten." (Jakob Pflügl, 4.10.2021)