Sie wurde stets als Kernstück der türkis-grünen Regierung gehandelt: die Ökosteuerreform. Nun sind die Details weitgehend fixiert. Österreich bekommt eine CO2-Steuer samt Klimabonus. Sauberes Heizen wird gefördert. Doch reicht all das, um die Emissionen im Land nach unten zu drücken?

Wie so oft, läuft in Österreich alles etwas gemächlicher: Nicht wie ursprünglich angekündigt mit 1. Jänner, sondern erst ab 1. Juli 2022 kommt die CO2-Bepreisung. Nun ist auch die Gretchenfrage gelüftet, ihre Höhe: Im ersten Jahr wird bei Inverkehrbringern fossiler Brennstoffe ein Preis von 30 Euro je Tonne eingehoben. Der Wert steigt im Jahr 2023 um fünf Euro und anschließend um jährlich zehn Euro. 2025 soll er dann 55 Euro je Tonne CO2-Äquivalent ausmachen. Den späten Start rechtfertigt die Regierung mit den derzeit hohen Gaspreisen: Im Juli sei die Heizsaison vorbei, der Umstieg also einfacher.

Die Regierungsmitglieder bei der Präsentation der Ökosteuerreform am Sonntagnachmittag.
Foto: Christian Fischer

Ab 2026 wird schließlich ein nationales Emissionshandelssystem eingeführt. Wie auch beim CO2-Preis hat man sich hier am deutschen Beispiel orientiert, wie es heißt. Das System soll all jene Unternehmen einschließen, die nicht bereits im Handelssystem der EU erfasst sind. Konkrete Details sind bisher nicht bekannt.

Experten: Der Preis ist zu niedrig

Im Regierungsprogramm ist die Rede von einem Instrument zur "schrittweisen Herstellung von Kostenwahrheit bei CO2-Emissionen". Gelungen ist das aus Sicht der Wissenschaft nicht. "Ich hätte mir einen höheren Einstiegspreis gewünscht", kommentiert der Klimaökonom Karl Steininger das Verhandlungsergebnis. Damit hätte die Regierung aus seiner Sicht dafür sorgen können, dass Österreich seine Innovationen in relevanten Bereichen weiter vorantreibt. Als positiv im Sinne der Planbarkeit schätzt Steininger hingegen den bereits festgelegten Preispfad bis 2025 ein. Insgesamt sei für ihn wichtig, "dass überhaupt ein System steht".

Kostenwahrheit sei durch den Preis "in keiner Weise" erreicht, kommentiert der Klimaökonom Stefan Schleicher das Ergebnis. Der Preis hätte aus seiner Sicht nicht unter jenem des europäischen Emissionshandelssystems angesetzt werden sollen. Dieser liegt derzeit bei rund 60 Euro je Tonne CO2.

2022 kommt ein "Klimabonus" für alle. Wer auf dem Land wohnt, bekommt mehr.
Foto: Imago

Schleicher kritisiert zudem, dass bei der Präsentation am Sonntagnachmittag nicht darauf eingegangen wurde, ob das Modell überhaupt ausreichend sei, um die Klimaziele der EU und der Regierung zu erreichen. Der Ökonom selbst ist dahingehend pessimistisch: Die präsentierten Punkte werden aus seiner Sicht "sehr wenig spürbare Effekte" auf Österreichs Emissionen haben.

Klimaschutzgesetz fehlt nach wie vor

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Noch ist gar nicht klar, welche CO2-Reduktion die Regierung in den kommenden Jahren überhaupt anpeilt. Das Klimaschutzgesetz, das jenen Rahmen vorgeben sollte, existiert nach wie vor nicht – obwohl ein entsprechender Entwurf seit dem Frühjahr vorliegt.

Wie wird sich der "Dumpingpreis", wie das Klimavolksbegehren die CO2-Steuer in einer Aussendung nennt, auf den Alltag auswirken? An der Zapfsäule wird er kaum mehr ausmachen, als die Marktschwankungen der vergangenen Jahre. Bei einem CO2-Preis von 30 Euro je Tonne steigt der Spritpreis je nach Treibstoff zwischen zehn beziehungsweise 11,3 Cent an, wie Schleicher vorrechnet. Dabei zeigt eine Studie, die vom ÖAMTC in Auftrag gegeben wurde, dass ein Spritpreis von vier Euro pro Liter notwendig sei, um die EU-Klimaziele zu erreichen. Für einen Haushalt mit einem durchschnittlichen Energiebedarf wird Erdgas jährlich um 146 Euro teurer, Heizöl um 180 Euro.

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen laut Klimaschutzministerin Leonore Gewessler direkt an Österreichs Haushalte fließen – und zwar an alle. Dass die Einnahmen überwiegend direkt als Klimageld ausbezahlt werden, hält Ökonom Steininger einen gelungenen Schritt. Erwachsene sollen mindestens 100 Euro pro Jahr erhalten, unter 18-Jährige bekommen jeweils die Hälfte.

Mehr Geld für Landbewohner

Außerdem gibt es eine Art "Regionalausgleich". Dieser orientiert sich an der Wohngemeinde und daran, wie gut diese am öffentlichen Verkehrsnetz angebunden und welche Infrastruktur dort vorhanden ist. Die Kategorisierung soll in Zusammenarbeit mit der Statistik Austria erstellt werden. In einer Aussendung nannte die Regierung erste mögliche Beispiele: Wer etwa in Mödling oder Leoben wohnt, bekommt 33 Euro obendrauf. Eferdinger erhalten jährlich 67 Euro mehr, und Litschauer bekommen einen Aufschlag in der Höhe von 100 Euro. Insgesamt sind pro Erwachsenen maximal 200 Euro vorgesehen.

Die Abwicklung soll über das Klimaschutzministerium erfolgen, das Geld noch vor Einführung der CO2-Bepreisung ausgezahlt werden. Das bedeutet: Entscheidend für die Höhe des Klimabonus ist nicht das Einkommen oder die Anzahl der Autos in der Garage – sondern der Wohnort.

Förderung für sauberes Heizen

Auch das Thema Heizen wurde in der Steuerreform bedacht, ein entsprechendes Förderprogramm in der Höhe von einer halben Milliarde Euro fixiert. Für den Ausstieg aus Öl und Gas stehen 180 Millionen Euro zur Verfügung; für einen Heizungstausch gibt es künftig bis zu 7.500 Euro. Für steuerliche Anreize für den Heizkesseltausch und die Sanierung stehen 180 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem sind für einkommensschwache Haushalte weitere 80 Millionen Euro vorgesehen. Und auch im mehrgeschoßigen Wohnbau wird die thermische Sanierung gefördert – mit insgesamt 60 Millionen Euro.

Woher das Geld komme? "Aus dem Wachstum", sagt Finanzminister Gernot Blümel am Montag im Ö1-"Morgenjournal". "Wir wollen entlasten und gleichzeitig die Schulden nach unten drücken." Nach der Krise brauche es Wachstumsschübe plus Steuersenkungen. Es gehe darum, Anreize zu setzen, nicht darum, das Leben der Österreicherinnen und Österreicher zu verteuern. Unterm Strich werde jeder und jede am Ende des Tages mehr haben, und man könne sich eben noch mehr holen, wenn man umweltfreundliches Verhalten an den Tag lege. Dazu könne man nicht motivieren, wenn man den Menschen "die Butter vom Brot" nehme.

Wie eine ideale ökosoziale Steuerreform aussehen könnte.
DER STANDARD

Eine heiße Kartoffel wurde auch bei dieser Steuerreform weitergereicht: die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen und Förderungen. So bleibt das Dieselprivileg weiterhin bestehen. Ein Aspekt, dessen man sich dem Vernehmen nach im kommenden Jahr annehmen will. Gemächlich eben, wie in Österreich üblich. (Nora Laufer, red, 4.10.2021)