Grüne und ÖVP sind also an der Frage, wie eine ökosoziale Steuerreform auszusehen hat, nicht zerbrochen, sondern haben eine Einigung erzielt. Bei zwei Parteien mit so unterschiedlichen wirtschafts- und sozialpolitischen Vorstellungen ist das ein Kunststück, das auch ihnen weniger wohlgesinnte politische Beobachter nicht leugnen können werden.

Profitieren von dem Deal werden einige. Die Gewinner sind Familien und Bezieher mittlerer und hoher Einkommen. Der Familienbonus steigt, die Lohnsteuerstufen zwei und drei sinken. Gewonnen haben auch Unternehmer, wenngleich weniger, als erwartet wurde. Die Körperschaftssteuer sinkt nicht vier Prozentpunkte, sondern nur zwei. Und erstmals wird in Österreich eine explizite CO2-Bepreisung bei Verkehr und bei Gebäuden eingeführt. Parallel wird es einen Mechanismus geben, um die Einnahmen aus dieser Steuer in Form eines Klimabonus zurückzuverteilen.

Grüne und ÖVP haben bei der ökosozialen Steuerreform eine Einigung erzielt.
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Gegen all diese Maßnahmen lässt sich wenig einwenden. Die Steuerentlastungen geben den Menschen etwa das zurück, was sie vorher aufgrund der schleichenden Steuererhöhungen verloren haben. So wurde das schon bei früheren Regierungen gemacht. Österreich senkt die Gewinnsteuern für Unternehmen, das ist zwar ein Geschenk an Konzerne, das aber eher deren Gewinne befördern als Investitionen ankurbeln wird. Aber zwei Prozentpunkte wird man jetzt nicht als turbokapitalistisches Programm verteufeln können. Und die CO2-Bepreisung ist laut Klimaexperten ein notwendiger und überfälliger Schritt, um für Kostenwahrheit bei Emissionen zu sorgen. Gut ist, dass vom Klimageld auf Druck der Grünen alle profitieren, auch Arbeitslose.

Normale Zeiten

In normalen Zeiten wäre das als koalitionärer Erfolg zu verkaufen gewesen. Aber die Zeiten sind nicht normal. Die Klimakrise eskaliert weiter. Den Sommer haben Extremwetterereignisse geprägt wie die Jahrhundertflut in Deutschland und die extreme Hitzewelle in Kanada und den USA. Der Wirtschaft steht die größte Transformation seit der industriellen Revolution bevor, wenn die Klimaschutzziele ernst genommen werden. Die Pandemie hat die Verletzlichkeit der zentralen öffentlichen Institutionen, des Gesundheits- und Bildungswesens, gezeigt.

Gemessen an diesen Herausforderungen ist die Steuerreform unzureichend, nicht das Beste aus beiden Welten, sondern doch der kleinste mögliche Kompromiss. Das beginnt beim CO2-Preis: 30 Euro bedeutet, dass der Liter Sprit um zehn Cent teurer wird. Die meisten Autofahrer werden das nicht merken. Noch schlimmer ist, dass die unsachliche Bevorzugung von Diesel bei der Besteuerung nicht angetastet wird. Dort, wo der Preispfad endet, bei 55 Euro für eine Tonne CO2, hätte er beginnen müssen.

Hinzu kommen langfristige Fragen, die unbeantwortet bleiben. Finanzminister Gernot Blümel pocht darauf, dass ab 2023 die strengen europäischen Regeln zur Verschuldung gelten sollen. Nun ist genug Geld da für die türkis-grünen Entlastungen. Aber woher werden Investitionen bezahlt, für modernere Schulen und elektrische Infrastruktur? Dazu gibt es keine Neuigkeiten. Auf 18 Milliarden Euro bis 2025 belaufen sich die Entlastungen der Koalition bei Steuern. Nur 850 Millionen machen die neu präsentierten Investitionen aus. Wenn es Türkis und Grün richtig machen, müssen sie 2022 nachlegen. Dann wird sich zeigen, ob das PR-Show war oder eine Wende. (András Szigetvari, 3.10.2021)