Das Mittelmeer gilt als Hotspot für Verschmutzung durch Plastik, weil viele Küstenabschnitte dicht besiedelt sind.
Foto: imago images/ Nature Picture Library/ GEORGETTE DOUWMA

Seit einigen Jahren plädieren Geologen dafür, das aktuelle Erdzeitalter Holozän enden zu lassen und ein neues Zeitalter einzuführen: das "Anthropozän". Immerhin seien spätestens seit der industriellen Revolution menschliche Aktivitäten zum Hauptantrieb topographischer und klimatischer Änderungen geworden, argumentieren die Wissenschafter. Wann genau das Menschenzeitalter per Definition beginnen sollte, ist allerdings umstritten. Eine haben vorgeschlagen, dass man das Anthropozän mit dem Aufkommen von Plastik anfangen lassen könnte.

"Schockierende Menge"

Angesichts der gewaltigen Umweltverschmutzung durch Kunststoffabfall ist das ein durchaus stichhaltiges Argument. Sichtbar manifestiert sich das Plastikzeitalter vor allem in den Ozeanen, wie eine aktuelle Studie zum Mittelmeer zeigt: Allein an seiner Oberfläche treiben demnach rund 3.760 Tonnen Plastik. Es handle sich um eine "schockierende Menge", schreiben Wissenschafter des Griechischen Zentrums für Meeresforschung (HCMR) über ihre im Fachjournal "Frontiers in Marine Science" vorgestellten Ergebnisse. Schockierend vor allem deshalb, weil neben dem schwimmenden Plastik ein Gutteil des Materials auch auf den Meeresboden sinke.

Grafik: Mikroplastik im Oberflächenbereich zwischen 0 und zehn Metern auf Basis von Simulationen. Die einzelnen Karten zeigen die Verteilung unterschiedlicher Partikelgrößen zwischen 50 Mikrometer (links oben) und 2000 Mikrometer (rechts unten) an.
Grafik: Kostas Tsiaras et al.

Das Mittelmeer gilt dem Team um Kostas Tsiaras vom HCMR zufolge als Hotspot für Verschmutzung durch Plastik, weil viele Küstenabschnitte dicht besiedelt sind. Hinzu kommen Faktoren wie Tourismus, Fischerei, Schifffahrt und nicht zuletzt die Geografie – der Wasseraustausch des Binnenmeeres mit dem Atlantik ist vergleichsweise gering.

Der Rest sinkt ab oder landet am Strand

Anhand eines neuen Berechnungsmodells haben die Wissenschaftler ermittelt, dass jährlich rund 17.600 Tonnen Plastik im Mittelmeer landen. Davon schwimmen 3.760 Tonnen an der Oberfläche, rund 2.800 Tonnen sinken auf den Meeresboden, der große Rest wird an Stränden angespült.

Weltweit schwimmen den Forschern zufolge nach Schätzungen mehr als 250.000 Tonen Plastikmüll auf den Ozeanen. "Simulationen der Verteilung von Plastik im Meer sind derzeit von einem hohen Maß an Unsicherheit geprägt", erklärte Tsiaras. Das liege vor allem an der Komplexität der Abläufe.

Grafik: Makroskopischer Plastikmüll im Oberflächenbereich zwischen 0 und zehn Metern auf Basis von Simulationen. A) Teile zwischen 5 Millimeter und 2 Zentimeter. B) Flaschen, größer als 20 Zentimeter. C) Plastiksäcke, größer als 20 Zentimeter. D) Styropor, größer als 20 Zentimeter.
Grafik: Kostas Tsiaras et al.

Maßnahmen und ihre Wirksamkeit

Während etwa die Plastiksackerl lange Zeit an der Oberfläche treibt, sinken andere Plastikteile schnell; manche werden von Meeresorganismen aufgenommen oder zerfallen in kleine Teile. Hinzu kommen Wind, Wellen und Strömungen, die das Plastik über weite Strecken treiben.

Die Studie der Wissenschaftler bezieht solche Faktoren mit ein. Dadurch haben die Fachleute unter anderem Regionen ausfindig gemacht, in denen besonders viel Plastik im Meer landet. Ihr neues Rechenmodell könne helfen, den Nutzen von Maßnahmen zur Eindämmung der Verschmutzung zu prüfen und Gegenmaßnahmen gezielter zu erarbeiten und einzusetzen, so Tsiaras. (red, APA, 4.10.2021)