John Frederiksen ist bereit für neue Taten. Er schließt nicht aus, dass sich eine Geschichte wiederholen kann.

Foto: GEPA

John Frederiksen kennt die Geschichte. Vor ein paar Monaten wusste der 25-Jährige nicht, wo und was Amstetten eigentlich ist und dass es gleich zwei Autobahnausfahrten hat. Es liegt jedenfalls sehr weit weg von den Färöern, eine Spieleragentur hat ihn nach Niederösterreich vermittelt. Einwöchiges Probetraining im Sommer, der von Jochen Fallmann angeführte Betreuerstab hat ihn als geeignet empfunden. Ein Brecher, ein kopfballstarker Stürmer, was mit seiner Größe zu tun hat. Frederiksen misst 2,02 Meter, das reicht für den Zweitligisten SKU Amstetten allemal. So wurde er der erste Legionär von den Färöern in Österreich, vermutlich wird er auch der letzte gewesen sein. Er unterschrieb einen Einjahresvertrag mit Option.

Amstetten, da war doch was? Am 27. April 1948 wurde hier Josef Hickersberger geboren. Jener Josef Hickersberger, der am 12. September 1990 als österreichischer Teamchef zurückgetreten ist. Nach einem 0:1 gegen die Färöer, die Partie fand in Landskrona, Schweden, statt. Denn auf den Färöern gab es keinen Fußballplatz, der die Vorgaben der Uefa für eine EM-Qualifikation auch nur annähernd erfüllt hätte. Frederiksen kennt die Geschichte. "Ja, ich weiß, dass Hickersberger aus Amstetten stammt. Das ist irgendwie witzig. Und die Sieger von damals sind nach wie vor Helden. Es war unser erstes offizielles Länderspiel." Er kennt den damaligen Torschützen Torkil Nielsen persönlich. "Er war einmal mein Trainer."

Frederiksen wurde in Dänemark geboren. Seine Eltern stammen von den Färöern. Bevor sein Vater Lehrer wurde, war er dort Fischer. Ein raues Leben. Seine Mutter ist Sozialarbeiterin, Frederiksen hat einen Bruder und eine Schwester. Sie haben ihn in Amstetten besucht.

Der nächste Schritt

Seine Fußballkarriere ist noch ausbaufähig, auf der Liste stehen Vereine wie NB Bornholm, Fredensborg BI, 07 Vestur, HB Torshavn, Skovshoved IV, Musan Salama. Er pendelte zwischen Dänemark und den Färöern. Das sind keine Sehnsuchtsziele, Federiksen träumt "von einer der Top-5-Ligen". Die zweite österreichische Bundesliga zählt nicht dazu. "Amstetten soll der nächste Schritt für meine Entwicklung sein. Ich denke, es ist der ideale Ort. Amstetten soll mir Türen öffnen", sagt er dem STANDARD.

Manchmal vermisst er die Inseln. 49.000 Menschen leben dort, Schafe sind in der Überzahl. Amstetten hat 24.000 Einwohner, ist im Vergleich eine laute Metropole. "Wir auf der Insel ruhen in uns selbst, sind oldschool. Wir haben Zeit für die Leute. Auch wenn das Wetter meist scheiße ist, es ist großartig dort. Die Natur, ein Wahnsinn." Wobei Amstetten auch Reize hat. "Ab und zu setze ich mich ins Auto, in wenigen Minuten bist du in der Natur."

Vorbild Ibrahimovic

Er hat sich daheim einen Namen gemacht. Dazu reichten drei Tore in zehn Zweitligapartien und zwei in zwei Cupspielen. "Normalerweise sind unsere Legionäre in irgendwelchen Klassen in Island oder Dänemark tätig. Österreich ist etwas Spezielles." Star sei er keiner, nicht einmal weltberühmt auf den Färöern, man kennt ihn aber. "Ich muss Tag für Tag besser werden. Von der Mentalität her passt es." Ein globaler Star ist Zlatan Ibrahimovic. "Mein Vorbild, als Fußballer und als Person." Frederiksen schränkt ein: "Die Gemeinsamkeit ist in erster Linie unsere Größe."

Am 4. September gab Frederiksen sein Debüt im Nationalteam. Ausgerechnet gegen Dänemark. Er wurde in der 90. Minute eingewechselt, es blieb beim beachtlichen 0:1. Das Stadion in Torshavn war bummvoll, die Sensation wurde denkbar knapp verpasst. "Gänsehaut pur, diese Emotionen werde ich nie vergessen."

Am Samstag gastiert Österreich in Torshavn (20.45 Uhr), um der bisher völlig misslungenen WM-Qualifikation einen Hauch von Würde zu verleihen. Frederiksen hofft auf einen längeren Einsatz. Über die Favoritenrolle, sagt er, müsse man nicht lange diskutieren. "Wir sind klarer Außenseiter. David Alaba spielt bei Real Madrid und ich in Amstetten." Dennoch sei ein Erfolg nicht auszuschließen. "Wer einmal Geschichte schreibt, kann auch ein zweites Mal Geschichte schreiben." In Wien gewann Österreich 3:1.

Frederiksen ist bereit für den nächsten Höhepunkt, im Achtelfinale des Cups wird am 28. Oktober Rapid begrüßt. "Ein absoluter Traum, das wollte ich schon immer erleben." Aber alles der Reihe nach. Frederiksen kennt die Geschichte. ÖFB-Teamchef Franco Foda stammt nicht aus Amstetten. Er wurde am 23. April 1966 in Mainz geboren. John Frederiksen am 10. Jänner 1996 in Ronne. "Geht eine Tür zu", sagt er, "kann sich ein andere öffnen." Das sei in der Geschichte des Fußballs oft der Fall gewesen. (Christian Hackl, 5.10.2021)