Die Nadel" (1989) – ein Klassiker der sowjetischen Perestroika-Ära.

Foto: IFFI

Im Dezember 1991 unterzeichneten die Präsidenten von Russland, Belarus und der Ukraine das Abkommen von Minsk und besiegelten damit die Auflösung der Sowjetunion. Das ist 30 Jahre her und Anlass für eine Sowjetfilm-Retrospektive beim heute beginnenden Internationalen Filmfestival Innsbruck (IFFI).

Der Soundtrack des Wandels kam aus dem Leningrader Untergrund, dort entstand 1986 auch Rašid Nugmanovs Kurzfilm Jja-Chcha, einer der Protagonisten ist Wiktor Zoi, Frontmann der legendären russischen Band Kino. Zoi übernahm wenige Jahre später auch die Hauptrolle in Nugmanovs Spielfilmdebüt: Die Nadel (1989) steht für die "neue Welle" des kasachischen Films und wurde zum Kultstreifen der Perestroika-Ära.Zu sehen gibt es beim IFFI aber auch Dziga Vertovs avantgardistische Ode an die junge Sowjetunion (Ein Sechstel der Erde, 1926) oder Otar Iosselianis Falling Leaves von 1966, eine Satire auf die Weinpanscherei in Georgien.

Paradoxe Zustände

"Everything was forever, until it was no more" titelt eine Studie über die letzte sowjetische Generation, die im Titel eingeschriebenen Widersprüchlichkeiten könne man auch auf die paradoxe Verfasstheit unserer Gegenwart umlegen, sagt IFFI-Direktorin und Slawistin Anna Ladinig.

Inhaltlich dominieren auch bei der 30. Festival-Ausgabe gesellschaftskritische Themen, eröffnet wird mit Gianfranco Rosis Notturno, auch Milo Raus Das neue Evangelium steht auf dem Programm. Entdeckungen verspricht die Reihe Weltweite Visionen – Blicke in Regionen, die in den globalen Kinonetzwerken unterrepräsentiert sind. Celina Eschers Nuestra Libertad erzählt vom frauenfeindlichen Justizsystem in El Salvador, Moumouni Sanous Night Nursery von einer Frau, die in Burkina Faso Kinder von Sexarbeiterinnen betreut. Nächstes Jahr will man wieder zum angestammten Termin im Frühsommer zurückkehren. Im Herbst wird es im Leokino nämlich eng, bereits ab 13. Oktober folgt auf das IFFI die auf experimentelle Nischenfilme spezialisierte Diametrale. (jel, 5.10.2021)