Liebesschlösser werden am Brückengeländer befestigt, der Schlüssel wird in den Fluss geworfen.

Foto: Imago / Marcel Lorenz

Der Salzburger Makartsteg heißt seit diesem Sommer Marko-Feingold-Steg. Spät, aber doch ehrt die Stadt so einen ihrer Großen – Marko Feingold, Holocaust-Überlebender, Zeitzeuge und langjähriger Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde.

Die schmale Fußgängerbrücke ist eine wichtige Verbindung zwischen linker und rechter Altstadt, erfüllt aber noch einen ganz anderen Zweck: Regelmäßig werden am Drahtzaun ihres Geländers sogenannte Liebesschlösser befestigt – leichtere bis schwere Vorhängeschlösser, wie man sie von Kellertüren, Schatztruhen oder Verliesen kennt. Zehntausende waren es in den vergangenen Jahren.

Für immer verhaftet

Verliebte machen ihre Beziehung an einer Brücke "fest". Den Schlüssel werfen sie in den Fluss hinunter. Dieses Ritual gilt als wahnsinnig romantisch. Wer an die Kraft von Amuletten und schwarzen Katzen glaubt, behauptet gar, es bewirke Übernatürliches. Wohl deshalb floriert der Brauch nicht nur in Salzburg, sondern auch in Paris, Moskau und Helsinki.

Oft bringt das viele Metall die Brückengeländer ins Wanken, mitunter gleich die ganze Brücke. In solchen Fällen werden die Schlösser von Gemeindebediensteten "ausgedünnt". Danach geht der Spuk von vorne los.

Fassen wir also zusammen: Der Mensch weiß seine Liebe gerne hinter Schloss und Riegel. Den Schlüssel wirft er weg. Angesichts dieser Symbolik fragt man besorgt: Muss man auf große Gefühle mit einer Verhaftung antworten? Muss die erfolgreiche Balz immer mit "lebenslänglich" ausgehen?

Panzerknacker der Liebe

Über solche und ähnliche Probleme kann man bei Eva Illouz und Dana Kaplan nachlesen. In ihrem neuen Buch Was ist sexuelles Kapital? erörtern die Soziologinnen, wie wenig unser Begehren mit einem Innenleben zu tun hat, wie viel mit einer vom Kapitalismus entfremdeten Gesellschaft. – Das neoliberale Sexualkapital, das beruht in ihren Augen auf der Fähigkeit, aus erotischen Begegnungen Selbstwertgefühl zu beziehen und diesen Selbstwert in die eigenen Karrierechancen zu investieren.

Man könnte es aber auch wie die Berliner Künstlerin Mey Lean Kronemann angehen. Sie nimmt sich in einem Projekt das Brückenritual vor: In Workshops lernen Teilnehmer, die Liebesschlösser zu knacken, ohne sie zu beschädigen. Danach werden diese zu neuen Schlossgemeinschaften oder Ketten arrangiert. Rückgängig machen können das die wenigsten Paare, denn der Schlüssel ist ja weg. (Ela Angerer, RONDO, 15.10.2021)