"In der Pause suche ich mir eine Himmelsrichtung aus"
Gazmed Dalipi, Kranführer bei Strabag

Gazmed Dalipi ist seit 13 Jahren Kranfahrer. Sein Job ist deshalb anstrengend, weil er permanent konzentriert bleiben muss.
Foto: Nathan Murrell

"Derzeit sitze ich in einem Kran in 115 Meter Höhe. Mein höchster Arbeitsplatz brachte es auf 267 Meter. Das war draußen beim DC Tower in Wien-Kaisermühlen. 267 Meter, das ist fast zweimal so hoch wie der Stephansdom. Im Moment arbeite ich bei The Marks im dritten Bezirk, wo drei Türme mit Wohnungen in die Höhe wachsen.

Ob ich Angst habe? Nein, wenn man in meinem Job Angst hat, dann schafft man es nicht mal, da hinaufzuklettern. Auch meine Frau hat sich daran gewöhnt. Heikel ist es lediglich, wenn der Wind bläst und man zum Beispiel mit großen Schalungselementen hantieren muss. Wir haben unter anderem einen Windmesser auf unserem Monitor. Wenn wir eine Windwarnung bekommen, höre ich auf und stelle den Kran auf ,windfrei‘. Das heißt, er kann sich frei bewegen und dreht sich mit dem Wind.

Überhaupt muss man sich wahnsinnig konzentrieren. Es darf kein Fehler passieren. Das ist anstrengender als die körperliche Arbeit. Es geht dort oben auch um Psychologie, und für die Sicherheit der Kollegen am Boden ist man auch verantwortlich. Ich bin immer über Funk mit einem Kollegen verbunden. Begonnen wird morgens um sieben. Feierabend ist um 17 Uhr. Hin und wieder kommt die eine oder andere Überstunde hinzu. Kranführer ist ein guter Job, ich sehe täglich, wie das Bauprojekt in die Höhe wächst, und ich habe dort oben sogar eine Klimaanlage.

"Bis man ein guter Kranführer ist, bedarf es einiger Erfahrung"

Ich mag den Beruf und übe ihn bereits seit 13 Jahren aus. Ich habe seinerzeit einen zweiwöchigen Kurs beim Berufsförderungsinstitut absolviert. Dann war ich für einen Monat mit einem Freund in der Kabine und habe geübt und geübt. Bis man ein wirklich guter Kranführer ist, bedarf es einiger Erfahrung. Das dauert schon seine zwei Jahre.

Das mit der Enge relativiert sich mit der Zeit. Klar sitzt man acht, neun Stunden in einer Kabine, aber man sieht in weite Ferne. Es ist ein bisschen, wie ein Vogel zu sein. In der Pause kann ich mir jede Himmelsrichtung aussuchen. Man kriegt alles mit. Außer man sitzt zu zweit dort oben, was auch vorkommen kann. Auch für das Hinaufklettern im engen Kran werde ich dort oben entschädigt. Man klettert mit Beinen und Armen, im Inneren des Gerüstes ist einer Art Rahmenkonstruktion. Das ist sehr sicher. Da passiert nichts. Überhaupt sind Kräne bei uns sehr sicher. Die werden sehr strengen Prüfungen unterzogen. Das ist anders als in Russland oder bestimmten Ländern.

Aufpassen muss man allerdings, was die Ernährung betrifft. Isst man zu viel oder falsch, kann es sein, dass man auf die Toilette muss. Und das ist kein Spaß. Ich komme mit einem Abstieg pro Schicht gut zurecht. Das passiert mittags für eine halbe Stunde. Also vergessen Sie die Geschichte mit der Flasche und den Kranführern."

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"Die Aussicht auf die Sterne macht die Enge wett"
Petra Lorenz, Pilotin bei Austrian Airlines

Petra Lorenz hätte sich vor 20 Jahren nicht gedacht, dass die Pilotenzunft 2021 noch immer eine Männerdomäne sein würde. Aber die Zahl der Frauen in dem Beruf steigt.
Foto: Nathan Murrell

"Ich kann eigentlich gar nicht von Berufsalltag sprechen. Ich fliege seit über 20 Jahren als Pilotin, und kein Tag war wie der andere. Einmal checke ich um drei Uhr morgens ein, dann wieder um 22 Uhr. Ich komme circa 20 Minuten vor den Passagieren an Bord.

Davor gibt’s eine Reihe von anderen Dingen zu tun. Wir besprechen den Flugablauf, schauen uns die Wetterdaten an, die Routen, checken, ob es gewisse Passagiergruppen wie zum Beispiel alleinreisende Kinder gibt. Das wird dann auch mit der Kabinenbesatzung abgesprochen.

Setzt uns der Bus beim Flieger ab, haben ich und mein sogenannter ‚Zweiter‘ ganz bestimmte, getaktete Aufgabengebiete. Es geht darum, das Flugzeug zu programmieren, Sicherheitschecks innen und außen durchzuführen und nötige Freigaben beim Tower einzuholen.

Der Kapitän sitzt links, Co-Pilotin oder Co-Pilot rechts. Geflogen wird abwechselnd. Klar ist es fein, wenn man sich mit dem oder der Zweiten gut versteht, schließlich sitzen wir mit einer Armlänge Abstand für lange Zeit beieinander und können nicht auf einen Sprung nebenan gehen, wie in anderen Jobs. Das sollte schon passen. Bei einem Langstreckenflug sitzt man also bis zu zwölf Stunden da vorn drin.

Während des Fluges haben die Unterhaltungen Gott und die Welt zum Thema. Es ist erstaunlich, wie gut man sich dabei auf den Funkverkehr konzentrieren kann. Das ist wie ein Instinkt, ein Gespür. Man hört sofort, was einen betrifft. Und noch etwas: Mit der Zeit kennt man sich sehr gut mit Sternbildern aus. Diese Aussicht macht die Enge wett.

"Das frühe Aufstehen ist das unangenehmste"

Ich würde in Sachen Cockpit also nicht unbedingt von Raumnot sprechen. Ganz einfach aus dem Grund, dass wir ja permanent unglaubliche Weiten vor Augen haben. All die Sonnenauf- und Sonnenuntergänge, die Ruhe da draußen, das ist schon immer noch etwas ganz Besonderes. Alles wird so greifbar.

Das Unangenehmste an meinem Job ist auch heute noch das frühe Aufstehen. Die Beengtheit ist eher beim Ein- und Aussteigen ein Thema. Am Anfang haut man sich schon manchmal den Kopf an, aber mit der Zeit entwickelt man eine eigene Technik beim Ein- und Aus steigen.

Es gibt für unseren Job übrigens Größenlimits. Zu groß darf man nicht sein. Zu klein aber auch nicht. Schließlich müssen die Hände eine ganze Menge Knöpfe und Schalter erreichen. Enge im Flugzeug ist sonst in der Miniküche für die Flugbegleiter ein Thema. Und natürlich auf dem WC. Aber diese Enge betrifft jeden an Bord.

Das mit der Enge hat sich seit 9/11 in anderen Belangen weit verändert. Seit damals sind die Türen zum Cockpit versperrt. Früher war es möglich, bis in die letzte Reihe mitzubekommen, wie die Stimmung im Flieger ist. Und die Passagiere haben neugierig nach vorn geschaut. Verlasse ich jetzt das Cockpit, muss ich strikte Sicherheitsverfahren einhalten, um raus- und wieder reinzukommen. Von denen darf ich allerdings nichts erzählen.

Ich hatte in all den Jahren eigentlich nie Angst und auch nie etwas Brenzliges erlebt. Und Höhenangst verspüre ich nur am Berg. Neulich hatten wir eine Frau an Bord, der es nicht gutging. In solchen Fällen steigt das Adrenalin schon ein wenig, weil man so jemanden natürlich schnell wieder auf den Boden bringen möchte. Ach ja, und der Film Sully, in dem ein Flieger auf dem Hudson River notlanden muss, hat mir schon ein paar Gänsehautmomente beschert.

Warum die Pilotenzunft immer noch eine Männerdomäne ist, bleibt mir ein Rätsel. Mich stört es nicht, weil ich in sie reingewachsen bin, aber ich hätte mir vor zwanzig Jahren nicht gedacht, dass mich im Jahr 2021 noch jemand fragt, warum der Job ein Männerding ist. Aber die Zahl der Frauen steigt. Und das ist gut so. Derzeit beschäftigt die AUA 51 Pilotinnen. Das sind nur fünf Prozent der Pilotenbelegschaft. Also lassen Sie uns die Werbetrommel rühren. Ob mein zehnjähriger Sohn Pilot werden will? Nein, der wird entweder Forscher oder Katzenzüchter."

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"Eine gewisse Coolness ist schon Voraussetzung"
Robert Rohrham, Kanalarbeiter bei Wien Kanal

Robert Rohrhams Arbeitsplatz ist häufig das Standardrohr mit 105 mal 70 Zentimetern. Klaustrophobie hat er im Kanal angeblich noch nie verspürt.
Foto: Nathan Murrell

"Ich sage es gleich vorweg. Ich habe kein Image-Problem mit meinem Job. Auch nicht meine Freunde und Bekannten. Selbst Fremde hören mir gerne zu, wenn ich von der Arbeit erzähle. Das gefällt mir. Ich bin seit fünfeinhalb Jahren Kanalarbeiter. Schon als Kind hat es mich interessiert, was unter uns alles los ist. Oder über uns. Ich hätte also auch Dachdecker werden können. Insgesamt sind bei uns 450 Menschen beschäftigt. Circa die Hälfte sind Kanalarbeiter, nur einer von uns ist eine Frau.

Wenn ich in den Kanal runtermuss, stehe ich um fünf auf. Um sechs geht es dann los. Das heißt, unsere Partie fährt zum Kanal, zu dem wir eingeteilt sind. Die Partie besteht aus einem Buslenker, einem Vorarbeiter und bis zu vier Kanalarbeitern. Zwei für oben, zwei für unten. Da wechseln wir uns ab.

Wenn wir ankommen, öffnen wir den Kanaldeckel, sichern alles ab und steigen hinunter. Wir sind immer zu zweit unten. Die Schächte, durch die wir hinabsteigen, messen 60 mal 60 Zentimeter. Die Tiefe variiert. Manche Kanäle liegen nur zwei Meter unter dem Boden, andere zwei, drei, vier oder fünf. Der tiefste liegt unter dem Wienfluss und reicht 30 Meter in die Erde. Alle öffentlichen Wiener Kanäle zusammengesteckt ergäben ein Rohr mit 2500 Kilometer Länge. Das entspricht ungefähr der Entfernung nach Kairo.

An Ausrüstung benötigen wir unter anderem einen Helm, eine Stirnlampe, unsere Stiefel, die wir bis zur Hüfte hinaufziehen können, unseren Kittel mit Kapuze, Gurte, Gaswarngeräte und einen sogenannten Selbstretter. Der sieht aus wie ein kleiner Koffer, den wir uns um die Hüfte schnallen. Darin befindet sich eine Art Maske, die uns im Notfall für 15 bis 20 Minuten mit Luft versorgt. Gott sei Dank habe ich das Ding noch nie gebraucht.

Einmal allerdings habe ich es schon mit der Angst zu tun bekommen. Ich war im 22. Bezirk im Kanal unten, als ich plötzlich ein lautes Brummen hörte, ehe das Wasser sehr schnell zu steigen begann. Vielleicht stammte das von einer Reinigungsfirma. Ich weiß es nicht. Jedenfalls bin ich in einem Satz nach oben gesprungen. Das Wasser hätte mich sonst vielleicht mitgerissen. Es ist zum Glück nichts passiert. Wenn es regnet, sind wir nicht unten.

Das Standardrohr misst 1,05 Meter in der Höhe

Meine Arbeit dort besteht in erster Linie darin, das Material zu sichten und wegzuräumen. Vieles wird mittels eines speziellen Fahrzeugs von oben gereinigt und abgepumpt. Täglich werden in Wien 15 Tonnen abgelagertes Material aus den Kanälen gefördert. Material, das bedeutet alles Mögliche. Fäkalien, Feuchttücher, Binden, Essensreste, Steine, viel Fett, etwa in der Nähe von Gastronomiebetrieben. Der Geruch ist meistens halb so schlimm, man gewöhnt sich daran. Nach einer gewissen Zeit riecht man das kaum noch.

Ich mag meinen Job. Hin und wieder kommt dabei ein sogenannter Schimmel zum Einsatz, ein uraltes Werkzeug, eine Art hölzerne, abgerundete Schaufel, mit der wir das Material wegschieben. Das Standardrohr, in dem wir uns bewegen, misst 1,05 Meter in der Höhe und 70 Zentimeter in der Breite.

Die Art, wie wir uns bewegen, ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Stellen Sie sich die Körperhaltung eines Skispringers vor dem Absprung vor. Mit dem Unterschied, dass wir auf diese Art geduckt Schritte machen müssen und die Arme natürlich nicht nach hinten halten.

So ein Rohr ist übrigens nicht rund, sondern gleicht im Querschnitt einem auf den Spitz gestellten Ei. Das hat mit der Fließgeschwindigkeit bei unterschiedlichen Wasserständen zu tun. Bei wenig Wasser fließt es trotzdem schnell, und es lagert sich weniger Material ab. Das ist schon eine ganz eigene Welt dort unten. Man denkt nicht dar an, was über einem abgeht.

Klaustrophobie hatte ich noch nie, auch wenn es sehr schwer ist, dort unten zu wenden. Nach dem ersten Einsatz sagte ich mir, das mache ich nie mehr. Es war die Hölle, und ich war unsagbar froh, als ich wieder beim Gitter ankam. Aber die Nervosität verfliegt mit der Routine. Es wird mit eigenen Techniken und Tipps von Kollegen von Woche zu Woche besser. Man weiß ja am Anfang nicht einmal, wie man sich bewegen soll. Eine gewisse Coolness ist für den Job schon Voraussetzung. Offensichtlich habe ich sie.

Und noch etwas: Ein anderer Job, bei dem wir uns innerhalb der Kanal Wien abwechseln, sind die Dritte Mann-Touren im Kanal. Ob ich den Film gesehen habe? Natürlich. Zweimal. Der ist super! Ein schönes Stück Geschichte."

(Michael Hausenblas, 14.10.2021)