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Nachdem erneut chinesische Militärflugzeuge in die taiwanesische Identifikationszone zur Luftabwehr eingedrungen waren, richtete Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen Peking in einem Magazinbeitrag aus: "Taiwan wird sich dem Druck nicht beugen".

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China übertreibe es immer mehr, sagte Premier Su Tseng-chang angesichts der jüngsten Provokationen Pekings.

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Taipeh – Nach dem massiven Eindringen chinesischer Militärflugzeuge in Taiwans Identifikationszone zur Luftabwehr (ADIZ) hat Präsidentin Tsai Ing-wen der Führung in Peking eine "zunehmend aggressive Haltung" vorgeworfen. "Taiwan wird sich dem Druck nicht beugen", schrieb sie in einem Dienstag veröffentlichten Beitrag für das Magazin "Foreign Affairs". Die Präsidentin reagierte auf die Rekordzahl von rund 150 chinesischen Jets, die in den vergangenen vier Tagen in die ADIZ eindrangen.

Allein am Montag wurden 56 Flugzeuge gezählt – so viele wie nie zuvor an einem Tag. Unter den Militärfliegern waren Kampfjets, Bomber, Transportmaschinen und Frühwarnflugzeuge. Taiwans Regierungschef Su Tseng-chang kritisierte, dass China "zu weit geht". Taiwan müsse angesichts der "übertriebenen" militärischen Aktivitäten Chinas wachsam sein

Herrschaftsanspruch Chinas

Mit den Provokationen im Luftraum nahe Taiwan untermauert China seinen Herrschaftsanspruch über Taiwan, das sich selbst als unabhängig ansieht, aber von China international isoliert wird. Peking betrachtet die freiheitliche Inselrepublik als "untrennbaren Teil" der Volksrepublik. Es droht mit einer gewaltsamen Eroberung, um eine "Wiedervereinigung" zu erreichen.

Viele Länder verstünden zunehmend die Gefahr, die von Chinas Kommunistischer Partei ausgehe, schrieb Tsai. "Wenn Taiwan fallen sollte, wären die Konsequenzen für den regionalen Frieden und das System demokratischer Allianzen katastrophal", warnte die Präsidentin. "Es würde signalisieren, dass der Autoritarismus im globalen Wettbewerb der Werte die Oberhand über die Demokratie hat."

Peking sieht "Gegenmaßnahmen"

Peking sieht die Flüge als Warnung an Taiwan und die USA. Außenamtssprecherin Hua Chunying sagte, die USA sollten aufhören, die Unabhängigkeitskräfte in Taiwan zu unterstützen. Die US-Regierung liefere Waffen, verstärke die offiziellen Beziehungen zu Taipeh und schicke Kriegsschiffe durch die Straße von Taiwan. Diese "provokativen Schritte" unterminierten Frieden und Stabilität. Peking habe "notwendige Gegenmaßnahmen" ergriffen.

Nach zehn Flügen dieser Art im Jahr 2019 stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 380. Seit Anfang dieses Jahres waren es bereits 600 – mit einer starken Zunahme seit dem chinesischen Nationalfeiertag am vergangenen Freitag. Taiwan feiert am kommenden Sonntag seinen eigenen Nationalfeiertag, so dass mit neuen Militäraktionen der chinesischen Seite gerechnet wird.

USA kritisiert Flüge scharf

Auch das Weiße Haus äußerte scharfe Kritik: Die "provokanten militärischen Aktivitäten" seien "destabilisierend, riskieren Fehlkalkulationen und untergraben Frieden und Stabilität in der Region", sagte Sprecherin Jen Psaki in Washington. Die USA würden Taiwan weiterhin unterstützen, ausreichende Fähigkeiten zur Selbstverteidigung aufrechtzuerhalten. Die Sprecherin beschrieb die Verpflichtungen der USA gegenüber Taiwan als "felsenfest".

Taiwan bezeichnet Chinas wiederholte militärische Aktivitäten in seiner Nähe als "graue Kriegsführung", die darauf abziele, Taiwans Streitkräfte zu ermüden und die Reaktionen des Landes zu testen. Premier Su betonte, sein Land müsse sich selbst stärken und Geschlossenheit demonstrieren. "Nur dann werden Länder, die Taiwan annektieren wollen, es nicht wagen, einfach auf Gewalt zurückzugreifen. Nur wenn wir uns selbst helfen, können andere uns helfen."

Langer Konflikt

China hat in der Vergangenheit den Druck auf Taiwan erhöht, um es zur Anerkennung der chinesischen Souveränität zu zwingen. Taiwan erklärt dagegen, es sei ein unabhängiger Staat und werde Freiheit und Demokratie verteidigen. Präsidentin Tsai hat die Modernisierung der Streitkräfte zu einer Priorität gemacht und setzt dabei auf den Einsatz neuer, mobiler Waffen, um einen Angriff Chinas so kostspielig wie möglich zu machen. Die Vereinigten Staaten, Taiwans wichtigster Verbündeter und Militärlieferant, haben die zunehmenden militärischen Aktivitäten Chinas in der Nähe der Insel als destabilisierend bezeichnet und ihre felsenfeste Unterstützung für Taiwan bekräftigt.

Der Konflikt um den Status Taiwans geht auf den Bürgerkrieg in China zurück, als die Truppen der nationalchinesischen Partei (Kuomintang) unter Chiang Kai-shek nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten Mao Zedongs nach Taiwan geflüchtet waren. Seit Gründung der Volksrepublik 1949 betrachtet Peking die Insel als eigenen Landesteil. In einem im Juli 2019 vorgelegten Weißbuch wiederholte Peking Drohungen, die Inselrepublik gegebenenfalls auch mit militärischer Gewalt zurückzuerobern. Die "vollständige Wiedervereinigung Taiwans mit China ist im Grundinteresse Chinas", hieß es. (APA, 5.10.2021)