Zu der Einsicht, dass es sich bei Kommunisten um ganz gewöhnliche Menschen handelt, rang ich mich erst allmählich und gegen nicht unerhebliche Widerstände durch. Die grundsätzlich reformschwangeren Jahre der Ära Kreisky wurden von einer Art Einflüsterung begleitet: Du lebst, kleiner Babyboomer, kugelrund im Wohlstand. Du hast nicht das Geringste zu befürchten – außer dass du eines Morgens nichtsahnend aufwachst und feststellen musst, dass Panzer der Roten Armee über das Marchfeld ins Land gerollt sind. Was verheerende Folgen für die Versorgung mit Tiefkühlgemüse nach sich gezogen hätte.

Modisch nicht immer top, aber sonst umgänglich: Leonid Iljitsch Breschnew mit einem Werktätigen (russischer Bär).
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Die energische Ablehnung kommunistischer Umtriebe durch meine Eltern zog mich unweigerlich in den Bann. Ich erlernte die Kunst, Kommunisten von gewöhnlichen Menschen zu unterscheiden: Ich erkannte ihre Exponenten an den eckigen Brillengestellen, an den grauen Anzügen, die wie stabile Blechverkleidungen an ihnen hingen. Ihre obersten Vertreter blickten, ganz gleich, ob es regnete oder ob die Sonne schien, griesgrämig drein und ernährten sich von Tabakrauch.

Bei Kommunisten, vernahm ich nicht ohne Erstaunen, gehört allen irgendwie alles. Man mag sich mein Entsetzen vorstellen: Jemand anderer kommt zu mir nach Hause und tritt, bloß weil er Kommunist ist, in die Pedale meines heißgeliebten Kinderfahrrads! Erst als meine lebenslustige Ruftante sich mit einem kommunistischen Werkzeugmacher einließ ("der Onkel Wurli"), machte ich eine Art Sinneswandel durch.

Besagter Wurli war ein wortkarger Mann mit Händen wie Abortdeckeln und durchaus verbindlichen Umgangsformen. Weder schlachtete er Kinder, noch briet er sie eigenhändig am Spieß. Hingegen öffnete er schon bei unserer zweiten oder dritten Begegnung vielsagend die Geldbörse und händigte mir nicht ohne einige Verlegenheit eine silberglänzende Zehn-Schilling-Münze aus.

Es besteht nicht der geringste Zweifel: Elke Kahr, die durch Wohltätigkeit glänzende Siegerin der Grazer Gemeinderatswahlen, ist bei niemand Geringerem als dem Onkel Wurli in die Parteischule gegangen. (Ronald Pohl, 6.10.2021)