Nach Demonstrationen gegen den Bau des Lobautunnels, wie hier im Juli, wurde nun von zahlreichen Organisationen ein Manifest gegen das Schnellstraßenprojekt verabschiedet.

Foto: Karl Schöndorfer TOPPRESS

Wien – Eine Allianz von Umwelt- und Klimaorganisationen hat am Dienstag gemeinsam mit Vertretern der Wissenschaft die sogenannte "Lobauer Erklärung" gegen den Bau des Lobautunnels vorgestellt. Im Manifest wird das Projekt durch die Lobau als das "größte, teuerste und umweltschädlichste Autobahnbauvorhaben Österreichs" tituliert und ein sofortiger Stopp gefordert. Die Lobau-Autobahn sei – wie Hainburg oder Zwentendorf – "ein Symbol dafür, wie es mit einer verfehlten Umweltpolitik nicht mehr weitergehen kann". Unterschrieben wurde das Manifest unter anderem von Klimawissenschafterin Helga Kromp-Kolb, Hainburg-Aktivist und Biologe Bernd Lötsch oder Verkehrswissenschafterin Barbara Laa von der TU Wien.

Laut Manifest bringt der Lobautunnel keine Verkehrsentlastung. "Diese findet nur in politischen Sonntagsreden statt." Laa verwies darauf, dass die hochrangige Straße mehr Verkehr induzieren würde. Zudem würden Asfinag-Verkehrsuntersuchungen aus dem Jahr 2009 zeigen, dass mittelfristig insbesondere auf der Tangente mehr Verkehr gegenüber dem Bestandwert zu erwarten ist. Temporäre Entlastungen mit der S1 seien in der Vorausschau zum Jahr 2035 – verglichen mit dem Referenzzustand aus dem Jahr 2025 – passé.

Keine "Sowohl-als-auch-Strategie" möglich

Statt des Lobautunnels sollen S-Bahnen, Straßenbahnen und Radwege in der Donaustadt massiv ausgebaut werden, sagte Laa. "Eine Sowohl-als-auch-Strategie", so die Wissenschafterin, gehe sich nicht aus, um die von Wien und dem Bund formulierten Klimaziele zu erreichen. Gemeint ist der Bau des Lobau-Projekts und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Zudem würde die S1-Nordostumfahrung die Flächen im Umland Wiens attraktivieren und eine Zersiedelung befeuern. Das ist laut Manifest in weiterer Folge mit der Versiegelung wertvoller Bodenflächen im Speckgürtel verbunden.

Das Manifest ist ein Forderungskatalog

Kromp-Kolb meinte: "Ich kann nur wiederholen, was sich in der Wissenschaft schon lange verschärft: Der Klimawandel ist da, er schreitet fort." Man müsse die gesamte Stadtplanung überdenken, dazu seien auch massive Änderungen in der Verkehrspolitik nötig. Trotz Corona würden die Emissionen wieder steigen. Zur Lobauer Erklärung sagte Kromp-Kolb: "Es ist kein wissenschaftliches Papier, es ist ein Forderungskatalog."

Verkehrswissenschafter Hermann Knoflacher erinnerte daran, dass nach dem Einsturz der Reichsbrücke 1976 und einer folgenden Kommunikationsstrategie die Autobesetzung innerhalb weniger Wochen von 1,2 auf 1,8 pro Auto gestiegen sei. Aktuell seien die 200.000 Fahrzeuge, die derzeit täglich über die Tangente fahren, mit 1,1 Personen pro Fahrzeug besetzt. "Mit zwei Personen pro Auto wäre der Stau verschwunden."

"Fossiles Monsterprojekt"

Von einem "fossilen Monsterprojekt" sprach Lucia Steinwender von "System Change not Climate Change". Schülerin Clara Pories von Fridays For Future kündigte in Richtung der Wiener Stadtpolitik an: "Wir streiken, bis ihr handelt." Die Baustellen der sogenannten Stadtstraße im 22. Bezirk, die die Seestadt Aspern an die Südosttangente anbinden soll, bleiben besetzt. "Wir werden auf jeden Fall dort bleiben."

Auch auf die Umwelt hätte der Lobautunnel massive Auswirkungen, heißt es im Manifest. Die Trinkwasserversorgung sowie das hochsensible Auenökosystem seien bedroht. "Der Lobautunnel schafft ein hydrogeologisches Problem von hohem Rang", sagte Umweltwissenschafter Bernd Lötsch.

Unterstützt wird die Lobauer Erklärung aktuell von 41 Organisationen – darunter auch zahlreiche Bürgerinitiativen und Organisationen wie Virus, Global 2000, Radlobby, Verkehrsclub Österreich und der Jugendrat. Auch Greenpeace unterstützt das Manifest. Ob Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) "diese Stimmen mit derselben Vehemenz ignorieren kann, wird sich nun zeigen", sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Klara Maria Schenk. (David Krutzler, 5.10.2021)