Die Fotografin Lisa Rastl dokumentiert die Omnipräsenz von Totenköpfen im Stadtbild Wiens.

Foto: Lisa Rastl

So wie die Unfreundlichkeit der Wienerinnen und Wiener ist auch ihr Hang zum Morbiden ein wohlgepflegtes Klischee. Mit manchen Traditionen will man eben nicht brechen – schaut man sich zum Beispiel die Werbeartikel der Bestattung Wien an (unvergessen das "Ich turne bis zur Urne"-Sportsackerl), leben (sic!) sie vom selben dunklen Schmäh wie die Wienerlieder von Georg Kreisler und Co.

Beliebt bei der ganzen Familie als Ausflugsziele sind natürlich auch die Wiener Friedhöfe: vom Zentralfriedhof bis zum Friedhof der Namenlosen. Zu Tod und Wien gäbe es jetzt noch viel zu assoziieren, aber wir schweifen ohnehin schon ab. Kurz: Ein Festival mit dem Exitus im Zentrum passt zur Hauptstadt wie die Faust aufs Auge.

Dass es also 50 Veranstaltungen in elf Tagen sind, die Festivalleiterin Tina Zickler konzipiert hat, verwundert nicht. Viele davon widmen sich kulturellen Zugängen zum Thema, zum Beispiel das Projekt Partout der Fotografin Lisa Rastl, die unter anderem Totenkopfsymbole im Wiener Stadtbild abgelichtet hat und in Form einer Diaprojektion in der Festivalzentrale, dem Volkskundemuseum, zeigt.

Ebenso dort zu sehen ist die Installation Der Trost der Dinge, die persönliche Erinnerungsstücke an geliebte verstorbene Menschen zeigt. Bei der Eröffnung am 7. Oktober wird außerdem das Vokalensemble Traditionelle Musik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Totenlieder und Klagemelodien vom Burgenland bis Albanien zum Besten geben.

Enttabuisierung

In zahlreichen Museen finden thematische Führungen statt, natürlich können auch die Friedhöfe besucht werden – zum Beispiel der St. Marxer Friedhof, wo unser lieber Mozart liegen soll –, einige Screenings im Filmhaus am Spittelberg wie Hanekes Amour bieten darüber hinaus filmische Sterbebegleitung.

Interessant ist das Programm des ersten Momento Mori auch dort, wo es auf die Enttabuisierung des Themas Sterben setzt und Austausch ermöglicht. So kann man zum Beispiel mit Mitgliedern des Young Widow_ers Dinner Club, einer Gemeinschaft junger Menschen, die früh ihre Partnerinnen oder Partner verloren haben, über Trauer sprechen.

Zwar finden im Rahmen des Festivals auch einige Vorträge namhafter Rednerinnen und Redner wie Thomas Macho, Matthias Horx, Daniela Hammer-Tugendhat oder Danielle Spera statt, was dem Festival aber definitiv fehlt, sind Veranstaltungen, die sich dem Thema Tod, Sterben und Trauer kontroverser nähern, Stichwort Sterbehilfe.

Auch mehr Tod in der Popkultur hätte dem Memento-Mori-Festival nicht geschadet: Von Soap&Skin bis zu Wanda hätte so manche und mancher vom Sterben ein Liedchen singen können. (Amira Ben Saoud, 6.10.2021)