Foto: APA/Wiener Linien/Zinner

PRO: Falsches Signal

von Petra Stuiber

Es war eine Entscheidung von großer Tragweite, als die Stadt Wien vor Jahrzehnten beschloss, auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu setzen. Dass dies aus Sorge wegen der Klimaerhitzung geschah, darf bezweifelt werden, eher waren da wohl Pragmatismus und die objektive Not mit ständig verstopften Straßen der Antrieb der dauerregierenden SPÖ. Später, als man in immerhin zehn Jahre dauernder Koalition mit den Grünen stand, war die Entscheidung für Parkpickerl und 365-Euro-Öffi-Ticket schon bewusster in Richtung Klimaschutz gelenkt – durchaus inspiriert und beeinflusst vom kleineren Koalitionspartner.

Aus heutiger Sicht war die Entscheidung goldrichtig. Wien ist die einzige Stadt in Österreich, die so vorbildlich in Sachen öffentlicher Verkehr dasteht, dass sie auf der Klimaschutzkarte der Bundesregierung dunkelgrün leuchtet. Das ist aber auch schon der einzige Vorteil, zumindest bei der Steuerreform. Wer in Wien wohnt, bekommt nur 100 Euro Klimabonus pro Jahr, also weniger als alle anderen in Österreich.

Irritierend ist das auch, weil es in Wien mehr als 500.000 Wohnungen gibt, die mit Gas oder Öl geheizt werden – und die Mieter wenig Einfluss darauf haben, ob die Vermieter auf Fernwärme umsteigen. Weniger Geld im Börserl "dank" klimafreundlichen Öffi-Ausbaus und trotz geringer Steuerbarkeit beim Heizen: Damit sendet der Klimabonus ein falsches Signal. Bemerkenswert, dass es (auch) von den Grünen kommt. (Petra Stuiber, 5.10.2021)

KONTRA: Objektiv richtig

von Eric Frey

Dass die ÖVP die Großstadt Wien mit ihrem urbanen Milieu und der roten Regierung nicht besonders mag, ist bekannt. Da liegt es nahe anzunehmen, dass, wie Bürgermeister Michael Ludwig sagt, die Entscheidung, allein den Einwohnern der Bundeshauptstadt den niedrigsten Klimabonus von 100 Euro zu geben, auf politischer Willkür beruht.

Doch diese Annahme ist falsch. Es ist legitim, das ganze Klimabonus-System für einen Unsinn zu halten. Aber wenn die Regierung die Kosten der CO2-Bepreisung je nach Betroffenheit ausgleichen will, dann ist es angemessen, wenn Wienerinnen und Wiener ein paar Euro weniger erhalten.

Die Stadt hat das beste öffentliche Verkehrssystem in Österreich, ja sogar in ganz Europa, auf das sie zu Recht stolz ist. Vor allem die U-Bahn wurde mit Milliardenzuschüssen des Bundes mitfinanziert. Deshalb können die meisten Wiener auf ein eigenes Auto verzichten – und werden höhere Spritkosten kaum spüren. Sie verfügen über weniger Wohnraum, der günstiger zu heizen ist als ältere Einfamilienhäuser auf dem Land. Viele Wohnungen sind an das Fernwärmenetz angeschlossen, wo die Kosten nicht sofort steigen werden.

Bei jedem Systemwechsel gibt es Härtefälle; für arme Haushalte mit Gasheizung könnte sich die Stadt gezielte Heizkostenzuschüsse überlegen. Aber anders als einst bei der Schließung der Bundesgärten agiert die Regierung diesmal auf Grundlage objektiver Fakten – und tut Wien nicht unrecht. (Eric Frey, 5.10.2021)