Nicht zeitgemäß. Dieses Attest stellte eine Studie dem deutschen Fernsehen aus.

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Berlin/Wien – Die Wissenschafterin bringt es etwas zynisch auf diesen Nenner: Immer noch sehe man im deutschen Fernsehen überwiegend weiße Männer ohne Migrationshintergrund, die nicht behindert sind und keine homosexuelle Orientierung haben. Immerhin seien aber alle Altersgruppen dabei. "Also nicht nur alte Männer", sagt Elizabeth Prommer von der Universität Rostock. Sie stellte am Dienstag eine Studie zu Geschlechterverhältnis und Diversität im deutschen TV-Programm vor.

Vier Jahre ist es her, dass ein Netzwerk, an dem sich auch TV-Sender finanziell beteiligten, die Studie der Uni Rostock initiierte. Zu dem Netzwerk zählt auch wesentlich die Ma-Lisa-Stiftung von Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth. Die Uni machte repräsentative Stichproben im Fernsehen zum Geschlechterverhältnis Mann/Frau.

Licht und Schatten

Die Folgestudie wurde nun am Dienstag in Berlin präsentiert. Es kam eine wichtige Erweiterung hinzu: Die Macher*innen haben auch Diversität im TV in den Blick genommen. Also: Werden zum Beispiel im Verhältnis des Anteils in unserer Gesellschaft entsprechend Menschen mit einer Behinderung genauso häufig im Programm gezeigt, oder Leute, die eine Migrationsgeschichte haben?

Es gibt Licht und Schatten bei den Ergebnissen. Das Geschlechterverhältnis ist demnach weiterhin unausgewogen. Auf eine Frau kommen über alle TV-Programme hinweg nach wie vor rund zwei Männer. Aber die Studienmacher*innen sehen positive Entwicklungen. So sei das Geschlechterverhältnis in den fiktionalen TV-Produktionen nahezu ausgewogen. Zugleich gebe es eine große Ungleichheit in der Moderation von Quizshows. Und die Studie kommt auch zu diesem Ergebnis: "Behinderung, sexuelle Orientierung, Migrationshintergrund und Zuschreibungen der ethnischen Herkunft sind nicht so vielfältig sichtbar, wie in der Bevölkerung verteilt."

Öffentlich-rechtliche und private Sender sehen die Ergebnisse auch als Ansporn für ihre Häuser. Einhellige Meinung in einer Panel-Diskussion: Wir müssen im Programm diverser werden. Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) und nächste ARD-Vorsitzende, Patricia Schlesinger, sagte in einer Gesprächsrunde mit anderen Senderchefs in Berlin: "Wir sind nicht divers genug." Der für den Bereich Entertainment zuständige Geschäftsführer der Seven One Entertainment Group bei ProSiebenSat.1, Henrik Pabst, betonte: "Bei der Diversität muss viel mehr gemacht werden."

Gesellschaft repräsentieren

ZDF-Intendant Thomas Bellut führte aus: "Wenn man als moderner Sender erfolgreich sein will, muss diese Gesellschaft komplett abgedeckt werden." Der Geschäftsführer von RTL Television, Henning Tewes, nannte aus seinem Sender die preisgekrönten Formate "Prince Charming" und "Princess Charming", bei denen homosexuelle Kandidaten die Liebe fürs Leben suchen – das Ganze ist an das "Bachelor"/"Bachelorette"-Konzept angelehnt. Tewes sagte: "Weil es erfolgreich ist, ist es dann irgendwann kein Leuchtturm mehr, sondern wird zur Normalität." Auf diese Art und Weise müsse man weiter gehen.

Bereits vor über vier Jahren wurde von der britischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt BBC die "50:50-Challenge" ins Leben gerufen, an der mittlerweile über 100 Organisationen aus weit über 20 Ländern teilnehmen. Damit soll der Frauenanteil im Programm gehoben werden. Der ORF ist seit rund einem Jahr mit von der Partie. "Ich bin davon überzeugt, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen ein Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist", meinte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bei der Präsentation der Challenge im April. Eine erste Auswertung der freiwillig teilnehmenden Sendungen zeigte damals: Der Frauenanteil von 50 Prozent war hinsichtlich der Moderation erreicht, bei den Protagonisten bestand mit 42 Prozent noch Aufholbedarf. Die BBC hat ihren Fokus auch auf Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund erweitert. Für den ORF war eine derartige Ausweitung vorerst nicht geplant. (APA, dpa, 5.10.2021)