"Umweltschutz muss sich lohnen", sagte ÖVP-Chef Riegler vor 30 Jahren. Ein Appell, der heute noch gilt, findet VCÖ-Expertin Lina Mosshammer.

Treibstoff ist in Österreich im EU-Vergleich günstig.
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Ökologische Kostenwahrheit, striktes Verursacherprinzip, Umbau von Steuern, Abgaben und Förderungen zugunsten der Nachhaltigkeit", zählte im Jahr 1989 der damalige ÖVP-Chef Josef Riegler die notwendigen Instrumente für das Erreichen einer ökosozialen Marktwirtschaft auf. Nun geht Österreich den ersten Schritt der CO2-Bepreisung. Es ist ein Trippelschritt, wie es DER STANDARD treffend formulierte. 30 Euro werden ab Juli 2022 pro Tonne CO2 verrechnet. Bis 2025 soll der Preis auf 55 Euro steigen. Zur Einordnung: VW-Chef Herbert Diess forderte unlängst einen Preis von 65 Euro pro Tonne CO2 ab 2024. In der Schweiz beträgt der CO2-Preis bereits jetzt rund 87 Euro. Das deutsche Umweltbundesamt beziffert die Klimaschäden durch eine Tonne CO2 mit rund 200 Euro.

Emittiertes CO2 verursacht Kosten. Die Frage ist, wer dafür zahlt. Ein niedriger CO2-Preis für den Verursacher bedeutet hohe Kosten für die Allgemeinheit und die künftigen Generationen. Das ist alles andere als sozial. "Allgemeinheit" heißt, dass alle zahlen, unabhängig vom Einkommen. Überspitzt formuliert: Für das CO2, das durch den SUV-Firmenwagen des Managers verursacht wird, zahlen alle mit.

Heute sozial ungerecht

Gerecht ist das nicht. Die 25 Prozent der Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen verursachen durch ihre Mobilität um rund 70 Prozent weniger CO2 als die 25 Prozent mit dem höchsten Einkommen. Während nur neun Prozent der Haushalte des reichsten Einkommensviertels autofrei sind, haben 44 Prozent der Haushalte des niedrigsten Einkommensviertels kein Auto.

Auch aus ökonomischer Sicht spricht vieles gegen einen niedrigen CO2-Preis. Zahlt die Allgemeinheit den Großteil der Zeche, hat der Einzelne keine Möglichkeit, den CO2-Ausstoß der anderen zu beeinflussen. Aber der Verursacher hat es sehr wohl in der Hand, durch Verhaltensveränderung die Kosten zu reduzieren. Fahrgemeinschaften bilden, spritsparend fahren, kurze Strecken mit dem Rad fahren sind nur ein paar Beispiele. Und dadurch sinken die Klimakosten.

Ein höherer CO2-Preis ist auch ein Anreiz, beim Autokauf auf den Spritverbrauch zu achten. In der Vergangenheit war das zu wenig der Fall. Seit dem Jahr 2000 ist der reale Spritverbrauch der Diesel-Pkws von Österreichs Haushalten um nur einen halben Liter pro 100 Kilometer gesunken. Einsparungen durch technologische Fortschritte wurden durch die massive Gewichtszunahme der Autos und Übermotorisierung größtenteils wieder zunichtegemacht. Während die Autos größer wurden, ist die Zahl der Autoinsassen gesunken. In 100 Autos sitzen im Schnitt lediglich 114 Personen.

Niedrige Spritpreise

Der hohe Verbrauch verursacht für Autofahrende höhere Kosten, als eine Spritpreiserhöhung um zehn Cent oder sogar 30 Cent pro Liter verursachen würde. Sinkt der Durchschnittsverbrauch von heute 6,5 auf fünf Liter pro 100 Kilometer, würde sich jeder Diesel-Pkw-Fahrer 225 Euro pro Jahr an Spritkosten sparen. Der jährliche CO2-Ausstoß durch Österreichs Diesel-Pkws würde um rund 1,2 Millionen Tonnen sinken.

Heute sind die Spritpreise niedriger als vor neun Jahren. Inflationsbereinigt ist Sprit sogar billiger als im Jahr 1986. Trotz Klimakrise wurde die Mineralölsteuer zuletzt vor über zehn Jahren, im Jänner 2011, erhöht. Österreich hat sich zum Sprit-Diskonter der EU entwickelt. Eurosuper ist billiger als in 18 EU-Staaten. Ein Liter Diesel kostet im EU-Schnitt um zwölf Cent mehr als in Österreich, in Italien und der Schweiz um 24 Cent mehr. In der Schweiz wird Diesel nicht steuerlich begünstigt. Zu Recht: Pro Liter entstehen beim Verbrennen von Diesel im Vergleich zu Benzin mehr CO2 und mehr gesundheitsschädliche Stickoxide. Der niedrige Dieselpreis führt laut einer Studie des Landes Tirol zudem zu Umweg-Transit. Die Bevölkerung wird durch Transit-Lkws mit Abgasen und Lärm belastet, die Transit-Lkws mit billigem Diesel belohnt.

Grundübel Zersiedelung

Die Spritpreise müssen niedrig bleiben, weil auf dem Land die Menschen vom Auto abhängig sind. Dieser Satz ist nicht nur heute, sondern seit vielen Jahren zu hören. Doch anstatt zielgerichtet zu unterstützen, wird die Pendlerförderung ohne ökologische und soziale Kriterien verteilt. Die Folge: Nur ein kleiner Teil der Unterstützung geht an Pendlerinnen und Pendler mit langen Arbeitswegen aus strukturschwachen Regionen wie dem Waldviertel oder Südburgenland. Das Viertel der Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen erhält laut Wifo lediglich drei Prozent des Förderkuchens, das Viertel mit dem höchsten Einkommen ein zwölfmal so großes Stück.

Als Pendler gilt, wer außerhalb des Wohnorts arbeitet. Rund die Hälfte der Pendlerinnen und Pendler hat einen Arbeitsweg, der kürzer als 20 Kilometer ist. Zum Vergleich: Wer in Wien-Floridsdorf wohnt und im Süden von Wien arbeitet, hat es weiter. Anstatt die vielzitierte Autoabhängigkeit zu reduzieren, wurde sie in der Vergangenheit durch Zersiedelung verstärkt. Gemeinden, die ihre Ortskerne und Nahversorgung stärken, ermöglichen es ihren Bürgerinnen und Bürgern, mehr Alltagswege kostengünstig zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Auch in den Regionen sind vier von zehn Autofahrten kürzer als fünf Kilometer, jede zehnte Autofahrt ist Gehdistanz. Die Lösung, mehr Radwege und Gehwege, muss nicht erst erfunden werden. In 680 Gemeinden Österreichs gibt es zudem bereits Mikro-Angebote des öffentlichen Verkehrs wie Anrufsammeltaxis und Gemeindebusse. Immer mehr Regionen haben Carsharing-Angebote, die nun dank der Plattform Carsharing Österreich vernetzt werden.

"Umweltschutz muss sich lohnen", sagte vor über 30 Jahren der damalige ÖVP-Obmann Riegler. Ein Appell, auch an die heutige Regierung. Weil wir es den Kindern und Jugendlichen von heute schuldig sind, ihnen eine intakte Umwelt zu hinterlassen. (Lina Mosshammer, 6.10.2021)