Wien – Gerade in Zeiten steigender Wissenschaftsfeindlichkeit tut profunde und niederschwellig zugängliche Wissensvermittlung not. Das Naturhistorische Museum in Wien versucht nun mit einem neuartigen Experimentiersaal, seinen Besuchern die Faszination für die Wissenschaft näherzubringen. Im vergangene Woche eröffneten Deck 50 kann jeder zum Citizen-Scientist werden. Jede Menge technische Spielereien – der Saal wurde in Zusammenarbeit mit dem Linzer Ars Electronica Futurelab gestaltet – fordern zum Mitmachen und Ausprobieren auf. Neben Wissenschaftern des NHM waren auch verschiedene Kinder- und Jugendorganisationen in die Planung der Plattform für Wissenschaftskommunikation eingebunden.

Zentrales Element ist eine elf Meter lange LED-Videowand. Hier können die Besucher das Programm selber mitgestalten. Mithilfe eines Scantisches kann zum Beispiel selbst entworfenes Meeresgetier zum Schwimmen gebracht werden oder eine Steinzeithöhlenwand je nach Laune dekoriert werden.

Eine elf Meter lange Videowand ist das zentrale Element des interaktiven Experimentiersaales.
Foto: Gebhard Sengmüller

Ausflug ins Mesozoikum

Gegenüber der Videowand erstreckt sich eine zum Verweilen einladende Sitzlandschaft, die bis zu sechzig Personen Platz bietet. Von hier aus kann man an einem interaktiven Wissenschaftsquiz teilnehmen, oder auch der Dinoshow folgen. Doch Vorsicht: Über eine Kamera kann man auch selbst zum Protagonisten in der Welt der Dinosaurier werden. Transferiert ins Mesozoikum kann man sogar einen Plateosaurier streicheln – die Elemente in Deck 50 stellen einen Konnex zu Objekten der Schausammlung des NHM her.

Über QR-Codes können die Quizfragen beantwortet werden.
Foto: Stefan Gergely

Auch das seit zwei Jahrzehnten beliebte Mikrotheater mit Bakterien und Einzellern als Laienschauspielern übersiedelt in den neugestalteten Saal: Ab sofort heißt es nunmehr hier "Vorhang auf", wenn beispielsweise das pulsierende Durcheinander in einer Probe von Rinderjauche per Forschungsmikroskop live übertragen wird.

Am anderen Ende des Saales befindet sich ein Labor und auf einer darüber eingezogenen Ebene ein Bereich für Workshops. Diese richten sich an Schulklassen, aber auch andere Veranstaltungen lassen sich hier durchführen. Das Konzept soll eine Umgebung schaffen, die es ermöglicht, auch komplexe Themen zu diskutieren, und wird daher laufend einer Aktualisierung unterzogen werden.

Über dem Labor ist eine Plattform für Workshops.
Foto: NHM Wien, Christina Rittmannsperger

Als Schnittstelle zwischen den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sollen auch gesellschaftsrelevante Themen zur Diskussion aufbereitet werden. Der Saal ist schon länger fertiggestellt – da jedoch der Faktor Mensch für das partizipative Konzept unumgänglich ist, verhinderte lange Zeit die Corona-Pandemie eine Eröffnung: ohne Besucher keine Interaktion.

Bei der Dinoshow wird man vom Zuschauer zum Teilnehmer.
Foto: Stefan Gergely

Kontakt zu Wissenschaftern

Das Format "Meet a Scientist", bei dem Wissenschafter des Museums ihre Fachgebiete präsentieren, soll mit dem Vorurteil der lebensfremden Forschung im Elfenbeinturm aufräumen und die Barriere zwischen der Wissenschaft und der Gesellschaft beseitigen. Zum Teil finden die Veranstaltungen im Deck 50 für alle Museumsbesucher offen zugänglich statt, andere Shows müssen extra gebucht werden. (Michael Vosatka, 5.10.2021)

Im Mikrotheater sind die kleinsten Lebewesen ganz groß.
Foto: Michael Vosatka