Raumfahrt auf der Erde simulieren: Die Analogforschung hat sich zum wichtigen Wissenschaftsbereich entwickelt. Die marsähnliche Negev-Wüste in Israel ist dafür ein guter Platz.
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Was einst als Testphase mit fünf Flügen geplant war, hat sich grundlegend gewandelt: Die Marsdrohne Ingenuity, Begleiter des im Februar 2021 auf dem Roten Planeten gelandeten Nasa-Rovers Perseverance, ist weit über die ursprünglich geplante Technikdemonstration hinausgewachsen.

Mittlerweile zeigen die Marsforscher bereits, wie der Flugroboter zu den wissenschaftlichen Missionszielen beitragen kann. Insgesamt 13 erfolgreiche Flüge hat Ingenuity bereits absolviert, der weiteste über 600 Meter – Erfolge, die weitere Helikoptermissionen auf dem Mars wahrscheinlicher machen.

Künftige Drohnen werden aber viel besser darin sein, selbstständig über unbekanntes Terrain zu navigieren. An der Weiterentwicklung der dahinterliegenden Technologien arbeitet auch die Forschungsgruppe von Stephan Weiss am Institut für Intelligente Systemtechnologien der Universität Klagenfurt. Weiss hat früher selbst am Jet Propulsion Lab (JPL) der Nasa an den Navigationsalgorithmen mitgearbeitet, die in Ingenuity Verwendung finden.

Navigationsalgorithmen aus Kärnten

Die Weiterentwicklungen der Navigationsalgorithmen aus Kärnten werden derzeit bei Feldtests in der israelischen Negev-Wüste erprobt. Denn dort findet bis 31. Oktober die groß angelegte Marsmissionssimulation Amadee-20 statt.

Das Österreichische Weltraumforum (ÖWF) bringt als Organisator Technologieentwickler und Raumfahrtforschende zusammen, um in einer zweiwöchigen Isolationsphase Experimente durchzuführen, Technologien zu testen und die Abläufe einer interplanetaren Mission durchzuspielen.

Im Zentrum stehen dabei sogenannte Analogastronauten, die in Simulationsanzügen Leben und Arbeit auf dem Mars erproben. Die Bandbreite der etwa 20 beteiligten Projekte ist groß – sie reicht von psychologischen Aspekten bei Langzeitmissionen bis zum 3D-Druck raumfahrttauglicher Kunststoffe. Unterstützt wird Amadee-20 unter anderem von der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa, zu deren Budget auch Österreichs Klimaschutzministerium beiträgt.

Marsähnliches Umfeld

Mit dabei sind auch Christian Brommer, PhD-Student in Weiss’ Gruppe, und zwei seiner Kollegen. Sie bringen ihre Forschungsdrohne mit in die Wüste, um ihre aktuellen Navigationsalgorithmen im marsähnlichen Umfeld zu testen. Die resultierenden Daten sollen auch dem JPL zur Verfügung gestellt werden und in weitere Drohnenentwicklungen für den Mars einfließen.

Die wichtigste Aufgabe einer Drohne bei bemannten Marsmissionen wird das Sondieren des Geländes sein. "Ein unbekannter Bereich wird überflogen, um die Aufnahmen auszuwerten. Nur an wirklich interessante Orte werden dann Rover oder Astronauten zur Untersuchung gesendet. Die Ressourcen werden so effizienter verwendet", erklärt Brommer.

Dabei soll natürlich kein Astronaut "mit Fernbedienung dastehen". Die Drohne wird vordefinierte Regionen selbst abfliegen können, bei Sensorausfällen schnell zurück nach Hause finden und bei Notlandungen einen passenden Untergrund auswählen.

Bildbasierte Steuerung

Auf dem Mars braucht es eine bildbasierte Steuerung – immerhin gibt es dort kein GPS. Kameradaten werden – bei Ingenuity wie bei der Kärntner Forschungsdrohne – mit Sensordaten zu Beschleunigung und Winkelgeschwindigkeit kombiniert, um eine selbstständige Navigation zu ermöglichen.

Wie gut die Algorithmen reagieren, hängt auch von der Bodenbeschaffenheit ab. "Gibt es wie etwa bei Sandflächen wenig markante Strukturen, erwarten wir, dass das System eher Probleme bei der Orientierung hat", sagt Brommer. "Auch der Schattenwurf ist wichtig. Die Kontraste helfen bei der Navigation. Steht die Sonne im Zenit, wird es kritisch."

In mehreren Experimenten soll die Drohne verschiedene Flugaufgaben absolvieren, etwa die Form eines Rechtecks abfliegen oder genau dort landen, wo sie auch gestartet ist. Anders als auf dem Mars ist hier aber zusätzlich zum Navigationssystem noch weitere Kontrollsensorik mit an Bord: zentimetergenaue GPS-Module, Laserentfernungsmesser und Stereokameras.

Insgesamt 14 Geräte erlauben es, viel mehr Kontextinformationen zum Flug zu sammeln, als das bei Ingenuity auf dem Mars möglich ist. Sie schaffen eine wichtige Datenbasis, um die Drohnennavigation auf dem Mars künftig noch weiter zu verbessern. (Alois Pumhösel, 7.10.2021)