Wie kam der Attentäter K. F. an die Waffen, mit denen er am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt um sich schoss? Mehrere Personen halfen ihm, an den Kontakt eines Waffenhändlers aus Slowenien zu gelangen. Es war nicht der erste Deal der Betroffenen.

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Seine DNA fand sich auf den Patronen der Tokarew-Pistole, mit der der Terrorist K. F. am 2. November 2020 um sich schoss. Mehrere Bekannte bestätigten der Polizei seine Rolle in illegalen Waffendeals. Doch nicht nur das: Der 31-jährige Tschetschene Adam M. belastete sich selbst rund um den Anschlag in Wien. Er habe im Juni 2020 die AK-47 Maschinenpistole, später auch die dazugehörige Munition von einem Slowenen namens Marsel O. an den Attentäter K. F. vermittelt. Dafür soll es 500 Euro Provision gegeben haben.

Nun sitzt M. hinter Gittern: Die Ermittler werfen ihm vor, Beitragstäter beim Terroranschlag von Wien gewesen zu sein. Allerdings streitet M. vehement ab, von K. F.s Plänen gewusst zu haben – er habe nicht einmal gewusst, dass K. F. ein radikaler Islamist und IS-Unterstützer war. Außerdem will M. selbst keine illegalen Waffen besessen haben.

Spontane Kontakte im Gefängnis

K.F. gelangte über mehrere Stationen zu seinem Waffenhändler. Das zeigt ein wesentliches Problem des heimischen Justizvollzugs: Wie sich im Gefängnis kriminelle Netzwerke bilden. Ishaq S., ein Kindheitsfreund des Attentäters, lernte in der Justizanstalt Hirtenberg einen Iraner namens Y. kennen. Der wiederum kannte einen "Tschetschenen namens Adam, der nahe des Pratersterns lebt und Waffen verkauft".

Im Gefängnis zeigte Y. auf seinem illegalen Smartphone Fotos einer AK-47-Kalaschnikow, die Adam M. gehören soll. Das Foto hat Y., laut eigener Aussage, im Keller von M.s Wohnhaus im zweiten Wiener Gemeindebezirk aufgenommen. Die Waffe sei in einem Kindersitz versteckt gewesen. M. habe Y. gebeten, einen Käufer zu finden. Kostenpunkt: 2.000 Euro. Auch Handgranaten habe er im Angebot, rund 200 Euro pro Stück. Kommen sollen die Waffen von einem Kontakt namens Marsel O. im slowenischen Maribor.

Im August nahmen slowenische Beamte auf Bitten der österreichischen Kollegen einen DNA-Abstrich von Marsel O., weil Ermittler im Zuge der Spurensicherung an Waffen und Munition mehr als zehn DNA-Profile verifizierten, "die bis dato keiner Person zugeordnet werden konnten". Ein Ergebnis ist noch nicht veraktet. Dass O. noch nicht festgenommen wurde, ist für seinen Verteidiger Tarek Naji ein Zeichen, dass keine Spuren von ihm gefunden wurden.

Waffenschmuggel aus Albanien

Von Ermittlern ausgewertete Instagram-Chats zeigen, wie Ishaq S. seinen Mithäftling Y. um Adam M.s Nummer bat, um sie an den späteren Attentäter weiterzuleiten. In der Kommunikationskette zwischen dem Terroristen vom 2. November und seinem Waffenhändler standen also drei weitere Personen. Die Nummer ging von Y. an den Kindheitsfreund Ishaq S., gleichzeitig fragte Y. seinen Bekannten Adam M., ob er "das Ding im Kindersitz noch hat" und wie viel er dafür verlange. M. antwortete: "Schick ihm (sic!) zu mir." Es war der Beginn eines tödlichen Waffendeals.

Adam M. war zu diesem Zeitpunkt schon selbst mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Im August 2020 wurde er wegen Körperverletzung und Dokumentenfälschung zu vier Monaten Haft verurteilt. Auch seine Kindheit dürfte nicht gewaltfrei gewesen sein. 2003 war der damals 13-Jährige mit seiner Mutter und zwei Geschwistern aus Tschetschenien geflohen. Sein Vater war im Krieg gefallen. "Natürlich habe ich Kampfhandlungen miterlebt", sagte M. in einer Vernehmung.

Ursprünglich lebte Familie M. in Linz, dann zog sie nach Wien. Adam arbeitete bei einer Security-Firma – kurioserweise bei demselben Unternehmen wie der Attentäter K.F., wenngleich sich die beiden in der Arbeit nie kennengelernt haben dürften.

Auf das Radar der Behörden gelangte M. erst nach dem Anschlag, als sowohl Ishaq S. als auch Y. den Ermittlern ihre Rolle im Waffendeal offenlegten. Statt einer sofortigen Festnahme setzte das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz (LV) auf eine Observation und Telefonüberwachung. So entdeckten sie, dass M. in die Slowakei reisen wollte, um Marsel O. zu treffen. Bei seiner Abreise aus Wien schlug die Cobra zu und nahm ihn fest.

Anfangs beteuerte M. noch, mit K. F. nichts zu tun zu haben: Seine DNA könnte auf die Patronen gelangt sein, weil er auf einem Schießplatz in der Slowakei trainiert habe. Später gestand er doch seine Beteiligung an dem Waffendeal. Und es war offenbar nicht der erste, den er im Auftrag des Slowenen O. durchgeführt hatte: Der Bruder eines tschetschenischen Bloggers, der sich vor Verbündeten des Diktators Ramsan Kadyrow in Wien fürchtete, gab in einer Vernehmung an, dass M. ihn mit einer AK-47 und einer Handgranate versorgt habe. Auch er war mit Verbindungsmann Y. in Haft gewesen.

Granatenrückgabe im Plastiksackerl

Hier zeigen sich auch Verbindungen in die tschetschenische Community. So gab Y. an, Adam M. einmal gemeinsam mit einem als "einbeinig" bekannten Tschetschenen namens Rasul I. aus Linz getroffen zu haben. Der Kofferraum ihres Autos sei voller Waffen gewesen, die sie aus Albanien nach Österreich geschmuggelt hätten.

Adam M. stammt ursprünglich aus der tschetschenischen Stadt Urus-Martan – wie viele andere Flüchtlinge, die sich in Linz niederließen. Einige von ihnen sind ebenfalls im illegalen Waffenhandel tätig, das zeigte sich im Prozess rund um den ermordeten Kadyrow-Kritiker Anzor Umarow.

Zurück zum Bruder des tschetschenischen Bloggers, der Waffen von M. gekauft haben will: Lang blieben diese nicht bei ihm. Nachdem er und seine Schwester Fotos davon auf Instagram gepostet hatten, um "potenzielle Angreifer zu warnen", machte die Mutter der beiden kurzen Prozess. Sie schnappte die Kalaschnikow und ein Sackerl mit der Granate, setzte sich in die U-Bahn und fuhr zum Praterstern, um sie an Adam M. zurückzugeben. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Kate Manchester, 5.10.2021)