Was nun? Diese Frage stellt sich angesichts der angekündigten Eckpunkte der Steuerreform. Will die Regierung tatsächlich bis 2040 klimaneutral werden, oder ist ihr der Klimaschutz doch nicht so wichtig? Die geplante CO2-Steuer inklusive Klimabonus lässt Letzteres vermuten. Das Adjektiv "ökosozial" hat diese Steuerreform jedenfalls nicht verdient.

Zum einen ist der CO2-Preispfad viel zu niedrig, um einen Lenkungseffekt zu erzeugen, wie viele Klimaforscher in den vergangenen Tagen vorgerechnet haben. Wer steigt schon wegen eines höheren Spritpreises von zehn Cent auf ein ökologischeres Verkehrsmittel um? Kaum jemand. Selbst Unternehmer, die die ÖVP gern ins Treffen führt, wenn es darum geht, nichts zu überstürzen, fordern der Reihe nach höhere CO2-Preise.

Der Spritpreis wird sich um zehn Cent erhöhen.
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Darüber hinaus stellt der Preis keine Kostenwahrheit her. Eine Tonne an Treibhausgasen verursacht nach wissenschaftlicher Berechnung Schäden jenseits von 100 Euro. Es war absehbar, dass Österreichs Preis sich nicht an den ambitioniertesten Beispielen weltweit orientierten wird. Dass am Ende des Zielpfads aber nur 55 Euro stehen, ist ein demonstratives Wegschauen vor der Zukunft, die uns blüht.

Auch der Klimabonus hat den Namen nicht verdient. Gut ist, dass das Geld direkt an Bürgerinnen und Bürger rückerstattet wird. Dadurch werden alle Menschen in der Gesellschaft erreicht. Aber das Pferd wurde falsch aufgezäumt: Belohnt wird nicht, wer öffentlich unterwegs ist, regional konsumiert oder thermisch saniert – der Wohnort ist das ausschlaggebendste Kriterium für den Zuschuss. Auch hier bleibt die Lenkungswirkung aus: Winkt den Bewohnern beim Erhalten des Status quo ein saftiger Bonus, fehlt Gemeinden der Anreiz, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu forcieren.

Emissionseinsparung

Ist die Prämie wenigstens sozial treffsicher? Nicht einmal das. Die Höhe orientiert sich weder am verfügbaren Einkommen noch an der – oft nicht frei gewählten – Art zu heizen.

Außerdem ist die CO2-Bepreisung so niedrig, dass sie aus Sicht vieler Experten nicht ausreichen wird, um eine für die Nettonull eigentlich notwendige Emissionseinsparung zu erreichen. Zudem hat die Regierung die Rechnung ohne ein Grundgerüst gemacht: Eigentlich sollte das Klimaschutzgesetz, das seit Monaten auf sich warten lässt, den Rahmen vorgeben. Es sollte festlegen, wie viel Treibhausgase in Österreich jedes Jahr eingespart werden müssen. Statt diesen Wert zuerst zu definieren, wurde offensichtlich rein nach politischer Räson und nicht anhand wissenschaftlicher Fakten entschieden, wie hoch der Preis ausfallen soll. Das legt zumindest das Ergebnis nahe.

Nicht einmal der Wirtschaftsstandort dürfte davon stark profitieren. Deutschland wird – davon ist zumindest auszugehen – seinen CO2-Preis in absehbarer Zeit anheben. Österreich steht dann mit den 30 Euro, die noch dazu erst ab Jahresmitte 2022 fällig werden, schlecht da.

Die Innovation, die sich Kanzler Sebastian Kurz wünscht, wird dort entstehen, wo die Weichen in die richtige Richtung gestellt werden. Es ist kein Geheimnis, wer bei der Höhe des CO2-Preises auf der Bremse stand. Kurz nennt die Steuerreform die "größte Entlastung der Zweiten Republik". Tatsächlich ist das Paket die größte Enttäuschung für die nächsten Generationen und ein Hemmschuh für die fortschrittlichen Kräfte im Land. (Nora Laufer, 5.10.2021)