Am Mittwoch fanden in der Bundesparteizentrale der ÖVP sowie im Kanzleramt Hausdurchsuchungen statt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beschuldigt den Bundeskanzler und neun weitere Personen der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. DER STANDARD betont, dass für alle Genannten die Unschuldsvermutung gilt. Im Kern geht es bei den Vorwürfen der WKStA um Umfragen, die in bestimmten Medien veröffentlicht und vom Finanzministerium bezahlt worden seien.

Doch wer sind die Personen, die im zum Teil engsten Umfeld des Kanzlers agieren und die nun ins Visier der Ermittler geraten sind? Und wem wird dabei was genau vorgeworfen?

Sebastian Kurz

Der wohl bekannteste Verdächtige ist der türkise Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz. Er wurde am 18. Dezember 2017 als Bundeskanzler angelobt. Davor war Kurz – nachdem er zwei Jahre lang als Staatssekretär fungiert hatte – ab 2013 Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres. Seine Parteikarriere startete Kurz in der ÖVP-Jugend: Von 2009 bis 2017 war er Bundesobmann der Jungen Volkspartei (JVP). Von 2010 bis 2011 war er Mitglied des Wiener Gemeinderats und Landtags.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinen engsten Vertrauten wird Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit vorgeworfen. Wir haben die wichtigsten Infos in unter drei Minuten zusammengefasst
DER STANDARD

Kurz werden die Verbrechen der Untreue als Beteiligter und Bestechlichkeit als Beteiligter vorgeworfen. Er soll als Außenminister und später als Bundeskanzler Thomas Schmid damit beauftragt haben, jene Vereinbarungen einzugehen.

Thomas Schmid

Thomas Schmid war zuletzt Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag). Am 8. Juni 2021 ist er nach der Veröffentlichung seiner Chatnachrichten von dieser Funktion zurückgetreten. In den Chats, von denen Schmid die meisten noch als Generalsekretär (ab 2013) und Kabinettschef (ab 2015) im Finanzministerium geschrieben hat, geht es um die Vorbereitung auf den von ihm angestrebten Vorstandsjob in der neugegründeten Öbag. Von 2004 bis 2013 war Schmid in mehreren Ministerien Pressereferent und -sprecher.

Ihm werden Untreue als Beteiligter sowie Bestechlichkeit vorgeworfen. Er habe sich "für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäftes einen Vorteil für Sebastian Kurz, die Gruppe seiner engsten Vertrauten und die ÖVP versprechen lassen, angenommen und teils gefordert", indem er die Vereinbarung mit den Medienmachern Wolfgang und Helmuth Fellner abgeschlossen habe.

Stefan Steiner

Von Juni 2017 bis Jänner 2018 war Stefan Steiner Generalsekretär der ÖVP. Davor war er ab 2011 als Mitarbeiter des damaligen Staatssekretärs Sebastian Kurz im Integrationsstaatssekretariat, später im Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres – in dem er zuletzt bis zum Sektionschef aufstieg. Nachdem Steiner 2018 die Funktion als Generalsekretär zurückgelegt hatte, blieb er im Rahmen eines Beratungsvertrages mit der Bundes-ÖVP einer der Berater von Kurz. Neben Kurz, Elisabeth Köstinger, Gernot Blümel und Bettina Glatz-Kremsner gehörte er nach der Nationalratswahl 2017 auch der Steuerungsgruppe der ÖVP im Zuge der Regierungsbildung an.

Steiner werden die Verbrechen der Untreue als Beteiligter und Bestechlichkeit als Beteiligter vorgeworfen. Er soll gemeinsam mit Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann Fragen für die Umfragen in Auftrag gegeben, "Inhalte und Zeitpunkte der Veröffentlichungen mitbestimmt" und "die gesamte Abwicklung durch wechselseitige Koordinierung und Unterstützung" gefordert haben, "um die Umfrageergebnisse samt ihrer Veröffentlichungen für ausschließlich parteipolitische Zwecke zu nutzen".

Gerald Fleischmann

Auch Gerald Fleischmann arbeitete ab 2011 im Integrationsstaatssekretariat und später im Außenministerium unter Sebastian Kurz. 2017 wechselte er als stellvertretender Kabinettschef zu Kurz ins Kanzleramt und wurde dort Leiter der Stabsstelle für strategische Kommunikationsplanung.

Fleischmann werden Untreue als Beteiligter und Bestechlichkeit als Beteiligter vorgeworfen.

Johannes Frischmann

Johannes Frischmann war von September 2014 bis Juli 2017 Pressesprecher im Finanzministerium. Mit dem Sieg von Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl 2017 wechselte er zum Bundeskanzler, zusätzlich übernahm er im Jänner 2020 die Koordination der Pressearbeit der ÖVP-Ressorts.

Frischmann wird Untreue als Beteiligter und Bestechlichkeit als Beteiligter vorgeworfen.

Johannes P.

Der ÖVP-Politiker gehört zum engen Umfeld des Kanzlers.

P. werden Untreue und Bestechlichkeit vorgeworfen – und darüber hinaus, die Republik in einem noch festzustellenden, "jedenfalls 300.000 Euro übersteigenden Ausmaß" am Vermögen geschädigt zu haben (Vorwurf der Untreue). Er soll zudem die Kosten für die von ihm in Auftrag gegebenen "ausschließlich parteipolitisch motivierten" Umfragen "entsprechend der mit den Mitbeschuldigten getroffenen Vereinbarung aufgrund von Scheinrechnungen" zur Zahlung aus den "zweckwidrig verwendeten Förderbeträgen" aus Amtsmitteln des Finanzministeriums angewiesen haben.

Sophie Karmasin

Sophie Karmasin ist Marktforscherin und war von Dezember 2013 bis Dezember 2017 von der ÖVP nominierte parteilose Ministerin für Familie und Jugend. Zuvor war sie Geschäftsführerin der Karmasin Motivforschung GmbH, die von ihren Eltern Friedrich und Helene gegründet wurde. 2011 ging das Unternehmen an Tochter Sophie und Sohn Matthias, wobei Sophie Karmasin 85 Prozent der Anteile hielt. Das Unternehmen war bis 2014 alleinige Gesellschafterin der Österreichischen Gallup Institut GmbH, die lange Haus-Marktforschungsinstitut der Fellner-Medien für Umfragen und Markforschung sowie für eigene Reichweitenerhebungen war.

Karmasin wird Untreue als Beteiligte und Bestechung als Beteiligte vorgeworfen. Sie soll gemeinsam mit einer weiteren Markt- und Motivforscherin (siehe Sabine B.) die Vereinbarung zu jenen Umfragen eingegangen sein, bei denen es sich gemäß den Vorwürfen der WKStA um "ausschließlich parteipolitisch motivierte und für das (partei)politische Fortkommen von Sebastian Kurz und der Gruppe seiner engsten Vertrauten um ihn sowie der ÖVP-Bundespartei relevante Umfragen" gehandelt haben soll.

Sabine B.

Sabine B. ist selbstständige Markt- und Motivforscherin.

B. wird Untreue als Beteiligte und Bestechung als Beteiligte vorgeworfen. Sie soll die Vereinbarung zu den Umfragen mit umgesetzt und anschließend "Scheinrechnungen gelegt" haben.

Wolfgang Fellner

Der Journalist, Gründer und Herausgeber der Tageszeitung "Österreich", Wolfgang Fellner, schuf gemeinsam mit seinem Bruder Helmuth bereits im Schulalter eine Reihe von Magazinen: Vom "Rennbahn-Express" über "News" und "TV-Media" bis "Woman". 1992 gründeten sie die Verlagsgruppe News, die heute Verlagsgruppe Medien Holding heißt und an denen sie nur mehr Minderheitenrechte halten.

Wolfgang Fellner wird Untreue als Beteiligter und Bestechung vorgeworfen. Er soll gemeinsam mit seinem Bruder die besagten Inseraten- und Medienkooperationsvereinbarungen getroffen haben. Dabei soll es um "Einflussnahmemöglichkeiten hinsichtlich der Inhalte und Zeitpunkte von Veröffentlichungen im redaktionellen Teil" gegangen sein. Sie sollen Kurz, seinem Umfeld und der ÖVP "einen Vorteil" "angeboten und gewährt" haben, indem sie zugesagt haben sollen, dass im Gegenzug für Inserate "von Schmid als Mittelsmann vorgegebene redaktionelle Inhalte" veröffentlicht werden würden: Die besagten Umfrageergebnisse, aber auch andere "aus Sicht der Beschuldigten relevante Berichte" in der Tageszeitung "Österreich" sowie im Onlinemedium oe24.at zu "vorgegebenen Zeitpunkten".

Helmuth Fellner

Der jüngere Bruder von Wolfgang Fellner ist Helmuth Fellner. Er war bei den diversen Mediengründungen der Geschwister für kaufmännische Angelegenheiten zuständig. An der Tageszeitung "Österreich" ist er seit Mitte der 2000er-Jahre nicht mehr beteiligt, er bringt sich aber weiterhin in der Fellner-Mediengruppe operativ ein. Helmuth Fellner ist Geschäftsführer und Alleingesellschafter der HF Beratungs GmbH & Co KG.

Helmuth Fellner wird Untreue als Beteiligter und Bestechung vorgeworfen.

Auch die Bundes-ÖVP und Wolfgang Fellners Mediengruppe Österreich sowie die oe24 GmbH zählen zu den Beschuldigten. (giu, ook, 6.10.2021)